Job in Saudi-Arabien Roberto Mancini - mitten im Fußball unserer Zeit
Roberto Mancini hat Italiens Nationalteam verlassen, um künftig Saudi-Arabien zu coachen. Es ist ein Symbol - für den Niedergang von allerlei Fußball-Traditionen.
Gabriele Gravina hat am Wochenende sein vornehmes Schweigen gebrochen. Der Chef des italienischen Fußballverbandes beklagte öffentlich, dass ihm der kurzfristige Verlust seines Nationaltrainers Roberto Mancini Anfang August nicht von ihm selbst, sondern von dessen Ehefrau offenbart worden sei.
Angesichts der langen Freundschaft der beiden hätte er es mehr geschätzt, "wenn Mancini seinen Willen geäußert hätte, indem er mir in die Augen geschaut hätte".
Silvia Mancini als Drahtzieherin?
Diesen Job hat allerdings offenbar dessen Ehefrau Silvia übernommen - die Anwältin, die auch die beruflichen Interessen ihres Ehemannes vertritt, soll auch maßgeblich an dem Deal beteiligt gewesen sein, der überhaupt erst hinter Mancinis Italien-Demission steckt: am Vierjahresvertrag, den Mancini in Saudi-Arabien als künftiger Nationaltrainer erhalten hat.
Rund 25 Millionen Euro per anno soll ihm dieses Schriftstück drei Jahre lang garantieren. Mancini ist damit einer der bestbezahlten Fußballtrainer aller Zeiten.
Italiens Nationalteam schaut in die Röhre
Die Frage nach Moral oder Ehre wird in dieser Sache oft gestellt - ist es verwerflich, wenn ein Fußball-Arbeiter einen derart gut bezahlten Job annimmt und dafür seine alten Kollegen hängen lässt?
Das muss man so ausdrücken, weil Italiens Nationalmannschaft nach der jüngst verpassten WM-Qualifikation eigentlich mit Trainer Mancini ab September mit Vollgas in die dann anstehenden EM-Qualifikationsspiele gehen wollte. Das wird das Team nun mit dem neu geholten Luciano Spalletti an der Seitenlinie tun.
Geld oder Liebe?
Angelehnt an eine einstmals recht erfolgreiche deutsche TV-Spielshow wird im Zusammenhang mit den neuen Jobs in Saudi-Arabien immer häufiger diese tief ins Fußballgeschäft blickende Frage gestellt. Geld oder Liebe? Toni Kroos hat sich jüngst - als sich ein junges Top-Talent für Saudi-Arabien statt einen europäischen Top-Klub entschied - als Saudi-Ablehner geoutet. Er sei kein Befürworter davon, sportliche Ambitionen nur für Geld zu opfern.
"Das ist ein unglaublich schlechtes Vorbild für viele junge Jugendspieler, wenn die Hauptmotivation darin besteht, Geld zu verdienen", so Kroos zum Wechsel des 21-jährigen Gabri Veiga von Celta Vigo zu Al Ahli in die saudische Liga. Liverpool, ManCity, Neapel und die Bayern sollen auch am jungen Mann interessiert gewesen sein.
Kritik an Spielerwechseln
Berichten zufolge zahlt der saudi-arabische Verein etwa 40 Millionen Euro Ablöse nach Spanien. Veiga soll einen Vertrag bis 2027 erhalten und sein Gehalt auf etwa 12,5 Millionen Euro erhöhen - das etwa Sechsfache seines bisherigen Verdienstes.
Europameister 2021: Giorgio Chiellini und Roberto Mancini
Roberto Mancini ist dem monetär so verlockend untermauerten Ruf ebenso gefolgt. "Ich habe doch niemanden umgebracht", hat er sich bereits vor Wochen über die Beschimpfungen nach der Amtsniederlegung in Italien beklagt. Nun, als der neue Vertrag in Saudi-Arabien unterzeichnet war, ließ er ein fesches Video veröffentlichen.
"Geschichte mit Saudi-Arabien schreiben"
Er sei "hocherfreut und geehrt", nun einen neuen Job zu haben, gab der 58-Jährige am Sonntag in sozialen Medien bekannt. Dazu postete er ein aufwendig produziertes Video von sich, das ihn als Meistermacher zeigt: Er hatte Italien 2021 im Londoner Wembleystadion zum Europameister gemacht. "Ich habe Geschichte in Europa geschrieben. Jetzt ist es an der Zeit, Geschichte mit Saudi-Arabien zu schreiben", sagt der Coach in dem Video.
Spätestens mit diesem Wechsel sollte auch Europas Traditionalisten klar sein: Die Fußball-Welt befindet sich in einem massiven Wandel, in dem sich ein Land wie Saudi-Arabien trotz aller Menschenrechtsverletzungen gerade als großer Player etablieren kann. Wir erinnern an dieser Stelle an eine Verlautbarung von Amnesty International: Allein im Jahr 2022 wurden in diesem Land 196 Menschen ohne fairen Prozess hingerichtet.