Nach Übergriff Rubiales und spanischer Verband zunehmend isoliert
Die FIFA hat ihn vorläufig gesperrt, weltweit erfährt Jennifer Hermoso Solidarität - es wird einsam um den suspendierten Präsidenten des spanischen Fußballverbandes Luis Rubiales.
Seine bizarre Verteidigungsrede samt Rechtfertigung für sein übergriffiges Verhalten war dann auch der FIFA zu viel. Rund eine Woche nach dem übergriffigen Kuss auf den Mund von Jennifer Hermoso bei der Siegerehrung des WM-Finales suspendierte der Weltverband den massiv kritisierten spanischen Verbandspräsidenten am Wochenende für zunächst 90 Tage.
Die FIFA-Sperre verhindert zunächst, dass Rubiales als Fußball-Funktionär in Erscheinung treten kann. Dies betrifft auch seine Funktion als UEFA-Vizepräsident. Die FIFA ordnete zudem an, dass Rubiales weder persönlich noch durch eine dritte Person Kontakt zu Hermoso oder deren direktem Umfeld aufnehmen darf. Gleiches gelte auch für die RFEF.
"Me Too" des spanischen Fußballs?
In Madrid wird derweil mit Hochdruck daran gearbeitet, dass der 46-Jährige auch im Anschluss von der Fußball-Bühne verschwindet. "Wir wollen, dass das zum "MeToo" des spanischen Fußballs wird. Es muss eine Veränderung geben", sagte Víctor Franco, der Präsident der obersten Sportbehörde Spaniens.
Der Fall liegt jetzt auch beim nationalen Sportgerichtshof Tad. Wegen schwerer Verstöße gegen das spanische Sportgesetz könnte Rubiales als Funktionär zwischen zwei und 15 Jahre gesperrt werden. Dies könnte bereits am Montag passieren (28.08.2023) passieren, wie spanische Medien übereinstimmend berichten.
"Wenn das TAD die Beschwerde der Regierung annimmt, können wir die Aussetzung der Funktionen des Präsidenten beschließen", sagte der spanische Sportminister Miquel Iceta am Samstag in einem Interview mit der Zeitung El Pais. Die Suspendierung soll demnach gelten, bis das Sportgericht endgültig über die von der Regierung angestrengte Klage wegen "schwerwiegender Vergehen" entscheidet.
Zudem sind inzwischen vier Anzeigen gegen Rubiales wegen sexueller Nötigung bei der spanischen Staatsanwaltschaft eingegangen. Keine soll allerdings von einer Spielerin der spanischen Frauen-Auswahl erstattet worden sein.
Popp: "Nicht akzeptabel"
Der 46-Jährige selbst hatte am Freitag einen Rücktritt ausgeschlossen, eine mediale Hetzjagd beklagt und sich als Opfer eines "sozialen Mordes" bezeichnet. Spätestens seither erfährt Hermoso weltweit Solidarität - und Rubiales Ablehnung. "Solch ein Verhalten ist nicht akzeptabel und noch weit untragbarer ist, es auch noch herunterzuspielen und die Spielerin unter Druck zu setzen. Niemand, absolut niemand sollte dies als Kleinigkeit abtun", heißt es einem von DFB-Kapitänin Alexandra Popp veröffentlichten offenen Brief des deutschen Nationalteams.
In Spanien war am Wochenende unter anderem der frühere Weltstar Xavi Hernández einer der Kritiker, auch Leverkusens Trainer Xabi Alonso äußerte sich deutlich. Selbst die beiden Nationaltrainer Jorge Vilda (Frauen) und Luis de la Fuente (Herren), die noch am Freitag bei seiner Rede applaudiert hatten, rückten mittlerweile von Rubiales ab.
"Das ist zweifellos inakzeptabel und entspricht in keinster Weise den Prinzipien und Werten, die ich in meinem Leben, im Sport im Allgemeinen und im Fußball im Besonderen vertrete", schrieb Vilda. Zuvor war bereits fast Vildas gesamtes Trainerteam aus Protest gegen das Verhalten von Rubiales zurückgetreten.
Auch Vilda ist in Spanien nicht unumstritten. Im vergangenen Jahr hatten 15 Nationalspielerinnen in einer Mail ihren vorläufigen Rücktritt aus der spanischen Auswahl erklärt. Sie erläuterten, dass sie die derzeitige Situation unter Vilda und seinem Trainerteam "erheblich" in ihrem "emotionalen Zustand" und ihrer "Gesundheit" beeinträchtige.
Hermoso: "Ich wurde nicht respektiert"
Hermoso hatte am Wochenende auf den verweigerten Rücktritt von Rubiales mit einer ausführlichen Stellungnahme reagiert. "Ich habe mich verletzlich und als Opfer einer impulsiven, sexistischen und unangebrachten Handlung gefühlt, der ich nicht zugestimmt habe. Einfach ausgedrückt, ich wurde nicht respektiert", schrieb die 33-Jährige in einer in den sozialen Netzwerken verbreiteten Erklärung. Kurz zuvor hatten alle Spielerinnen des spanischen Teams verkündet, sie würden so lange nicht mehr antreten, wie Rubiales noch im Amt sei.
"Es macht uns sehr traurig, dass ein derart inakzeptables Verhalten den größten sportlichen Erfolg des spanischen Frauenfußballs überlagert", hieß es in der Erklärung der Gewerkschaft FutPro, die von 81 Spielerinnen unterzeichnet war. Die RFEF entgegnete, wer zum Kader gehöre, müsse auch antreten.
Verband bezichtigt Hermoso der Lüge
Der spanische Verband dagegen hatte Hermoso der Lüge bezichtigt und rechtliche Schritte angedroht. Ihre Darstellung, der Kuss sei nicht in beiderseitigem Einvernehmen erfolgt, sei falsch. Um das zu untermauern, veröffentlichte der Verband vier Fotos, die Rubiales entlasten sollen. Die Bilder seien der Beweis, dass Rubiales nicht gelogen habe. Auf ihnen ist angeblich zu sehen, wie Rubiales von Hermoso gehalten wird, auf zwei davon sind seine Beine in der Luft. Belegt wird die RFEF-Darstellung durch die kurze Bild-Sequenz nicht.
Für diesen Montag ist eine Sondersitzung des spanischen Verbands RFEF geplant. Die RFEF lud die Regionalverbände zu einer Dringlichkeitssitzung in Madrid ein, wie spanische Medien berichteten. Die Initiative sei von Interimspräsident Pedro Rocha ausgegangen. Er gilt als enger Vertrauter von Rubiales. Laut Medien geht es nicht um grundlegende Entscheidungen, sondern um das Tagesgeschäft in der Übergangsphase.