FIFA-Präsident Gianni Infantino

Gegenstimmen nur in Europa FIFA-Präsident Infantino - sichere Wiederwahl durch weltweiten Rückhalt

Stand: 15.03.2023 13:44 Uhr

Es besteht kein Zweifel daran, dass Gianni Infantino beim FIFA-Kongress in Ruanda als FIFA-Präsident wiedergewählt wird. Niemand fordert ihn heraus, der Rückhalt ist groß - aber noch immer gibt es Ermittlungen gegen ihn.

Der FIFA-Kongress am Donnerstag (16.03.2023, ab 8 Uhr MEZ) hat vor allem einen relevanten Tagesordnungspunkt: die Wahl des FIFA-Präsidenten. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Gianni Infantinos Wiederwahl.

Wie läuft die Wahl des FIFA-Präsidenten ab?

Der Kongress ist die jährliche Versammlung aller 211 Nationalverbände, die Mitglied in der FIFA sind - beispielsweise der Deutsche Fußball-Bund (DFB). Jeder Verband hat eine Stimme, egal wie groß oder klein er ist. Infantino hat großen Rückhalt unter den Nationalverbänden.

Darüber hinaus gibt es niemanden, der gegen ihn kandidiert. Die FIFA-Statuten erlauben bei einem Einzelkandidaten eine Wahl per Akklamation, also mit einem zustimmenden Applaus. Dann lässt sich jedoch nicht ablesen, wie viele Verbände möglicherweise doch gegen ihn gestimmt hätten, weil auch keine Wahlzettel gezählt werden.

Stimmen beim FIFA-Kongress
Konföderation Stimmen
UEFA (Europa) 55
CAF (Afrika) 54
AFC (Asien) 46
CONCACAF (Nordamerika) 35
OFC (Ozeanien) 11
CONMEBOL (Südamerika) 10
Summe 211

Wen hat Infantino hinter sich?

Fast die ganze Welt, zumindest was die Spitzenfunktionäre der Nationalverbände angeht, ist für Infantino. Die Kontinentalverbände dürfen zwar nicht abstimmen, mehrere von ihnen versicherten Infantino aber kollektiv die Zustimmung ihrer Nationalverbände. "Ich kann versichern, dass wir geschlossen hinter seiner Kandidatur stehen", sagte Asiens Verbandschef Scheich Salman bin Ibrahim Al Chalifa, der bei Infantinos erster Wahl 2016 noch einer der unterlegenen Gegenkandidaten gewesen war. Neben Asien stellten sich auch Afrika, Ozeanien und Südamerika öffentlich einstimmig hinter Infantino.

FIFA-Präsident Gianni Infantino (r.) mit Asiens Verbandschef Scheich Salman bin Ibrahim Al Chalifa

FIFA-Präsident Gianni Infantino (r.) mit Asiens Verbandschef Scheich Salman bin Ibrahim Al Chalifa

Südamerika hatte sich zuletzt oft gemeinsam mit der UEFA gegen Infantinos Vorhaben wie der WM alle zwei Jahre gestellt. Möglicher Hintergrund für den Umschwung ist die Bewerbung von Uruguay, Argentinien, Chile und Paraguay um die WM 2030, die 2024 vergeben werden soll. Eine Konfrontation mit dem FIFA-Präsidenten ist bei WM-Vergaben selten hilfreich.

Warum hat Infantino so großen Rückhalt?

Ein Grund ist vor allem das Geld, das er auf die Nationalverbände verteilen kann. War es in Infantinos erstem WM-Zyklus noch rund eine Milliarde, soll sich dieser der Betrag im Zeitraum bis zur WM 2026 laut FIFA mehr als verdoppeln. Egbert Lacle, Verbandspräsident auf der Karibikinsel Aruba, sagte im Deutschlandfunk, dass sein Verband zu 90 Prozent vom Geld der FIFA abhängig sei.

Lacle betonte aber auch, dass es ihm nicht nur ums Geld gehe. Wichtig sei auch, wie die FIFA auch mit den kleineren Verbänden umgehe. "Sie verstehen uns und setzen sich mit uns zusammen. Und dann bieten sie Hilfe an. Die Unterstützung ist besser an die Bedürfnisse der Verbände angepasst."

FIFA-Zahlungen an die 211 Nationalverbände unter Infantino
Zeitraum US-Dollar
2016 - 2018 1.078.625.000
2019 - 2022 1.746.000.000
2023 - 2026* 2.300.000.000

*von der FIFA prognostiziert

Wer stellt sich öffentlich gegen Infantino?

Nur die UEFA sowie der Kontinentalverband für Nordamerika, Mittelamerika und die Karibik (CONCACAF) haben sich nicht kollektiv für Infantino ausgesprochen. Doch echte Widerworte gibt es auch dort nur vereinzelt.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf kündigte am Mittwoch (15.03.2022) an, Infantino "nicht zu unterstützen". Neuendorf erklärte, der DFB habe in den vergangenen Wochen zu verschiedenen Fragestellungen von der FIFA "keine oder nur unzureichende Informationen" erhalten. "Die FIFA muss im Umgang mit den nationalen Verbänden deutlich offener und transparenter werden", hieß es in einer Mitteilung des DFB.

Zudem hatte Norwegens Verbandspräsidentin Lise Klaveness zuvor in der Sportschau zu Infantino klargestellt: "Wir werden ihn nicht wählen. Wir glauben, dass er viele Gelegenheiten verpasst hat, die Änderungen, für die er gewählt wurde, umzusetzen." Mit Dänemark entzog ein weiterer europäischer Verband durch seinen Präsidenten Jesper Möller Infantino schon während der WM öffentlich das Vertrauen. Auch der schwedische Verband teilte mit, dass er Infantino "nicht aktiv unterstützen" werde.

Warum gibt es keinen Gegenkandidaten?

Hauptgrund dafür ist vor allem die Chancenlosigkeit angesichts der breiten Unterstützung für Infantino. "Einen Gegenkandidaten ins Rennen zu schicken, der keine Chance hat, wäre sinnlos gewesen", sagte DFB-Präsident Neuendorf zu Beginn der WM in Katar. Die Frist für eine Kandidatur ist am 16. November kurz vor der WM-Eröffnung abgelaufen, keine Kandidatur war bis Fristende eingereicht worden.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf

DFB-Präsident Bernd Neuendorf

Welche Vorbehalte haben die UEFA und einige europäische Länder?

Die jüngsten Konflikte bei der WM drehten sich um die "One Love"-Kapitänsbinde. Doch Standpunkte zum Thema Menschenrechte sind nur ein Thema, ein anderes ist vor allem Geld. Denn die FIFA begann zuletzt damit, in das Geschäftsfeld der UEFA mit den europäischen Spitzenklubs einzudringen.

Die neue Klub-WM mit 32 Teams, darunter natürlich die europäischen Spitzenklubs, wird ab 2025 eine Bedrohung für die UEFA Champions League und ihren Status als wichtigstem Klub-Wettbewerb. Zudem haben nationale Ligen wie die Bundesliga Vorbehalte gegen das Turnier. Denn wenn die FIFA mit einem solchen Turnier mehr Fernsehgeld an sich zieht, bleibt bei den Sendern und Streamingdiensten möglicherweise weniger Geld für die Champions League oder die Bundesliga übrig - es ist ein Verteilungskampf.

Vor demselben Hintergrund verhinderte die UEFA gemeinsam mit Südamerika bislang die Umsetzung anderer Pläne Infantinos wie den Zwei-Jahres-Rhythmus der WM oder eine weltweite Nations League.

Wie lange kann Infantino Präsident bleiben?

Infantino kam 2016 nach dem großen FIFA-Skandal ins Amt, der 2015 zum Ende der Amtszeit seines Vorgängers Sepp Blatter führte. 2019 wurde Infantino erstmals wiedergewählt, nun steht seine zweite Wiederwahl an.

Der 37-köpfige FIFA-Rat stellte zuletzt laut FIFA einstimmig klar, dass die Begrenzung auf drei Amtszeiten laut Statuten zwar gilt. Eine erneute Wiederwahl Infantinos 2027 bis 2031 sei aber trotzdem möglich, weil die drei Jahre nach dem Rücktritt Blatters zwischen 2016 und 2019 keine vollständige Amtszeit gewesen seien. "Am 16. März 2023 beginnt meine zweite Amtszeit", sagte Infantino anschließend.

Was kann Infantino überhaupt gefährlich werden?

Im Moment nur er selbst. Noch immer läuft ein Verfahren in der Schweiz gegen ihn. Es geht um nicht protokollierte Treffen zwischen ihm und dem damaligen Bundesanwalt Michael Lauber. Dabei wird gegen Infantino unter anderem wegen Amtsmissbrauch, Verletzung des Amtsgeheimnisses und Begünstigung ermittelt. Die Treffen sind auch deshalb problematisch, weil Lauber an Ermittlungen gegen FIFA-Funktionäre im Zuge der WM-Vergabe nach Katar beteiligt war.

Die "Neue Zürcher Zeitung (NZZ)" berichtete am Sonntag (12.03.2023), dass das Treffen zwischen Infantino und Lauber aufgenommen wurde - und zwar vom Geheimdienst aus Katar, laut "NZZ" auf der Suche nach belastendem Material. Das Land fürchtete damals, die WM entzogen zu bekommen.