Nia Künzer im WM-Studio
analyse

ARD-Expertin Künzer Spanien und England - "Mutigste Entwicklung wird belohnt"

Stand: 17.08.2023 12:59 Uhr

Nur noch zwei Spiele bei der Fußball-WM in Australien und Neuseeland. ARD-Expertin Nia Künzer wagt eine erstes Fazit. Was waren die Überraschungen? Was sind die Trends? Wer gewinnt das Finale? Und bekommt Deutschland (gemeinsam mit Belgien und den Niederlanden) die WM 2027?

Von Matthias Dröge

Nia Künzer, am Sonntag steht in Sydney das WM-Finale zwischen Spanien und England an. Sind beide Teams aus Ihrer Sicht zurecht ins Finale eingezogen?

Künzer: "Ergebnis-Fußball, Ergebnis-Turnier. Von daher haben sich die zwei durchgesetzt, aber sicherlich nicht ganz unverdient. Spanien mit einer wirklich spielerischen Topmannschaft und top Leistung und endlich auch mal mit dem Lucky Punch, bis ins Finale vorzudringen. England einfach auch mit einer Steigerung während des Turniers, mit einer großen Mentalität, auch schwierige Situationen wegzustecken, von daher - klar, verdient."

Alle Tore der Halbfinal-Spiele

Sportschau, 16.08.2023 15:04 Uhr

Ihr Tipp fürs Finale?

Künzer: "Total schwierig. Das englische Team ist widerstandsfähig, denen ist ja quasi alles zuzutrauen, auch mit dieser Effektivität oder Kaltschnäuzigkeit, Abgezocktheit. Allerdings, wenn Spanien wirklich diese spielerischen Elemente oder Ballbesitzfußball, Tiki-Taka, wieder umsetzen kann, plus einer enorm hohen Chancen-Kreation ... Es ist ein Duell auf Augenhöhe, kaum vorhersehbar.

Es ist auch ein Statement, zwei europäische Mannschaften im Finale zu haben.
Nia Künzer

Es ist auch ein Statement, zwei europäische Mannschaften im Finale zu haben. Wir haben ja auch über die Ligen gesprochen. Es ist vermutlich kein Zufall, die vielleicht mutigste Entwicklung in Spanien und in England im Frauenfußball zu beobachten."

Zum ersten Mal waren bei einer WM 32 Teams dabei. Sind Ihre Erwartungen erfüllt worden?

Künzer: "Ich habe mich nicht vorher hingesetzt und gesagt: Das, das, das erwarte ich von dem Turnier. Ich habe mit Spannung erwartet, wie sich das Turnier darstellt. Und da muss man sagen: Man kann darüber reden, ob 32 Mannschaften sein müssen, auch die Länge des Turniers. Unabhängig davon haben sich aber die Mannschaften, die neu dazugekommen sind oder als Außenseiter gesehen wurden, gut präsentiert. Es gab keine ganz großen Abfälle in der Leistung oder Mannschaften. Hut ab! Man sieht im dritten Gruppenspiel Unterschiede, aber nicht in der Dimension, die einige befürchtet haben."

Was war die größte Überraschung für Sie?

Künzer: "Also die schönste Überraschung ist, dass mit Australien der Co-Gastgeber so weit im Turnier gekommen ist, bis ins Halbfinale. Das tut natürlich einem Turnier, das sich insgesamt toll präsentiert hat, sehr, sehr gut. Es ist einfach eine schöne Story, dass sie jetzt immerhin auch noch um Platz 3 spielen. Und wenn man sich zusammensetzen würde, würden einem ganz viele Geschichten einfallen. Teams wie Südafrika, Jamaika fallen mir spontan ein, die ein Stück weit über sich hinausgewachsen sind. Marokko - tolle Geschichte. Diese WM schreibt doch ganz tolle Geschichten."

Matthias Dröge, Sportschau, 17.08.2023 11:08 Uhr

Künzer: "Spannend finde ich, dass man vom Außenseiter immer erwartet, dass er relativ tief steht. Tief stehen, gut verteidigen, das können mittlerweile viele Teams. Mein Eindruck war aber, dass es eben nicht mehr immer nur tief stehen ist, sondern durchaus der Mut und der Glaube da ist, dass sie mehr können als eben nur kompakt zu verteidigen. Und in der einen oder anderen Partie war der Favorit dann durch hohes Anlaufen oder sehr mutige Umschaltmomente überrascht. Ich finde positiv, dass man nicht mehr nur davon ausgehen kann: Der Favorit hat Ballbesitz und macht das Spiel, und die Außenseiter suchen ihr Heil im Verteidigen. Nein, sie sind mutig und sind sich schon bewusst ihrer Fähigkeiten."

Für Deutschland war ja schon nach der Gruppenphase schon Schluss. Welche Lehren sollte der deutsche Fußball daraus ziehen?

Künzer: "Also dafür setzen sich jetzt ganz viele Menschen zusammen und arbeiten dieses ganze Turnier mal auf, vom Zeitpunkt nach der EM 2022 bis hin zum Ausscheiden. Ich glaube, da muss man sich wirklich ein bisschen Zeit nehmen. Ich glaube nicht, dass per se die Qualität fehlt oder Spielerinnen nicht die Qualität haben. Aber es haben einfach in diesem Turnier einige Dinge nicht zusammengepasst. Wenn man jetzt England sieht, mit welcher Ausstrahlung, mit welcher Körpersprache sie Widerstände und Rückschläge verkraften - das ist ein Aspekt, der ganz wichtig ist im Fußball auf diesem Niveau."

In zwei Jahren ist die EM in der Schweiz, 2027 sehen wir vielleicht auch WM-Spiele in Deutschland. Wie stehen die Chancen für eine deutsche Co-Bewerbung? Die Infrastruktur - gespielt werden soll in NRW - dürfte ja passen …

Künzer: "An der Infrastruktur wird es wahrscheinlich nicht scheitern. Es gibt aber mit den USA und Mexiko sowie Brasilien und Südafrika starke Konkurrenz. Ich bin überzeugt, dass Deutschland mit Belgien und den Niederlanden eine starke Bewerbung abgeben wird. Aber es wird sehr schwer."

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau FIFA Frauen WM | 19.08.2023 | 09:40 Uhr