Taktisch klug gegen Australien "Superhirn" Wiegman führt England ins WM-Finale
Schon wieder eine taktische Meisterleistung: England ließ Australien im Halbfinale mit einer klugen Strategie keine Chance. Die Verantwortliche sitzt bei den "Lionesses" auf der Trainerbank. Im Finale am Sonntag (20.08.2023, 12 Uhr MESZ, im Live-Ticker bei sportschau.de) gegen Spanien winkt der Weltmeistertitel für Sarina Wiegman und Englands Frauen. Es wäre ein historischer - gleichzusetzen mit dem Triumph der Männer 1966. Auch der König und Harry Kane fiebern mit.
Als die 96 Minuten im Olympiapark von Sydney gespielt waren, ließ auch Sarina Wiegman ihren Emotionen freien Lauf. Die niederländische Trainerin des englischen Siegerteams ging auf jede ihrer Spielerinnen zu und herzte sie allesamt mit einem breiten Lachen im Gesicht. Endlich hatte sich die Anspannung gelöst - das WM-Finale am Sonntag gegen Spanien war erreicht.
"Wie im Märchen"
"Es ist wie in einem Märchen", erklärte Wiegman nach dem Abpfiff sichtlich gerührt. "Es war ein Auswärtsspiel für uns vor dieser unglaublichen Kulisse. Das Team hat dem Druck standgehalten und unseren Plan perfekt umgesetzt", jubelte die 53-Jährige. Als Trainerin hat sie das vierte Endspiel nacheinander erreicht, die ersten beiden mit den Niederlanden, nun mit England.
Wie die Männer 1966 stehen die englischen Frauen vor einem historischen Erfolg. Und die Nation ist elektrisiert. Selbst Harry Kane freut sich schon auf das Finale am Sonntag. "Wir stehen alle hinter ihnen. Hoffentlich schaffen sie es im Finale", sagte der neue Stürmerstar des FC Bayern dem englischen Pay-TV-Sender Sky. "Als sie die EM gewonnen haben, hat das das Land weiter zusammenrücken lassen. Ich werde mir das Finale anschauen in Deutschland und wünsche ihnen nur das Beste. Sie verdienen es."
Königliche Grüße
Und sogar der König ließ sich nicht lumpen: Charles III. gratulierte: "Meine Frau und ich gratulieren gemeinsam mit unserer ganzen Familie den mächtigen Lionesses zum Erreichen des Finales der Weltmeisterschaft und übermitteln unsere allerbesten Wünsche für das Spiel am Sonntag", hieß es in einer Nachricht des britischen Monarchen.
Holpriger Start ins Turnier
Keine Frage: Wiegman ist das "Hirn" hinter den immer wieder beeindruckenden Matchplänen, die das englische Team nun bis ins Endspiel getragen haben. Die "Lionesses" waren - wahrscheinlich auch ihren vielen verletzt ausgefallenen Stammspielerinnen geschuldet - holprig ins Turnier gestartet.
Das 1:0 im Auftaktspiel gegen Haiti war quälend mühsam, das anschließende 1:0 gegen Dänemark kaum stärker. Im Achtelfinale schien Nigeria zeitweise einfach besser, scheiterte aber an der englischen Effektivität im Elfmeterschießen.
Kolumbien und Australien scheitern an Englands Coolness
Danach aber waren sie los - die Löwinnen. Kolumbien hatte der englischen Coolness beim 1:2 nichts entgegenzusetzen, Australien war jetzt im Halbfinale eigentlich chancenlos. "Extrem abgezockt", fand ARD-Expertin Nia Künzer. "Die Engländerinnen lassen sich durch nichts aus der Ruhe bringen", analysierte sie.
Bei eigenem Ballbesitz - England hatte über fast 70 Prozent der Partie das Spielgerät - hieß es "kontrollierte Offensive". Ruhig wurde von hinten über Millie Bright aufgebaut, tiefe Pässe ins Zentrum oder auf die beiden agilen Außenpositionen wurden nur gespielt, wenn sie auch sicher ankommen würden. Man wollte keinesfalls in australische Konter laufen - das war deutlich zu sehen.
Harte Zweikämpfe, erlaubt von der Schiedsrichterin
Auf der anderen Seite bestach das englische Team mit konsequentem Zweikampfverhalten, das zeitweise grenzwertig aussah. Die lange Leine der US-amerikanischen Schiedsrichterin Tori Penso kam Lucy Bronze, Georgia Stanway und Co. durchaus entgegen.
Australien indes bekam nie Ruhe in den eigenen Spielaufbau, auch weil die beiden englischen Stürmerinnen Lauren Hemp und Alessia Russo enorm fleißig unterwegs waren und die gegnerischen Aufbauspielerinnen immer wieder hart anliefen.
Favorit im Finale gegen Spanien
Am Ende war die Sache eindeutig - Wiegmans Team war dominant, erheblich abgezockter als Australien und darf im nun folgenden Finale gegen Spanien durchaus als Favorit gelten.
Sarina Wiegman, die gelegentlich vor lauter Konzentration etwas sauertöpfisch dreinschaut, hat damit das vierte Endspiel bei einem großen Turnier in Folge erreicht. Letztes Jahr mündete die Geschichte im Europameistertitel - jetzt könnte die WM-Krönung für England und sie selbst folgen.