Uli Hoeneß sitzt auf einer Schulbank und schreibt
interview

Rückkehr mit dem FC Bayern "Das Verhältnis zwischen Ulm und Uli Hoeneß ist schwierig"

Stand: 16.08.2024 10:00 Uhr

Uli Hoeneß kehrt zum Spiel im DFB-Pokal beim SSV Ulm 1846 mit dem FC Bayern in seine Geburtsstadt zurück. Im Interview spricht Hoeneß' Biograph über dessen Arbeit als Reporter, einen früh ausgeprägten Sinn für Geld und ein "beidseitig" schwieriges Verhältnis.

Weltmeister, Europameister, verschossener Elfmeter, Flugzeugabsturz, Gefängnisstrafe, Lebenswerk FC Bayern: Uli Hoeneß ist einer der bekanntesten Deutschen. Über die Zeit vor seinem Wechsel als Spieler zum FC Bayern ist weniger bekannt.

Hoeneß wuchs in Ulm auf. Dorthin kehrt er am Freitag (16.08.2024) mit den Münchnern zurück. Vor dem Spiel in der ersten Pokalrunde erzählt Max-Jacob Ost über Hoeneß und dessen Kindheit und Jugend in Ulm.

Ost beschäftigte sich jahrelang intensiv mit dem Leben und Wirken von Uli Hoeneß. In 17 Folgen des Podcasts "11 Leben" präsentierte er das Ergebnis seiner Arbeit, zudem schrieb er das Buch "Aus Liebe zum Spiel: Uli Hoeneß, das Geld und der deutsche Fußball".

Max-Jacob Ost

Max-Jacob Ost

Max, Du sagst zu Beginn in Deinem Podcast, dass Du zu den Wurzeln von Uli Hoeneß gegangen bist, um ihn als Menschen vielleicht besser verstehen zu können. Ist das gelungen?

Max-Jacob Ost: Ich habe zunächst mal in Ulm herausgefunden, dass die Anekdoten, die ja vor allem er selbst erzählt hat, dass die anscheinend wirklich stimmen. Ich bin zu seinen Jugendfreunden gegangen, habe mit Leuten aus Ulm gesprochen, habe mit dem Archivar des SSV Ulm gesprochen, und tatsächlich hat sich dann bestätigt, dass das alles ungefähr so passiert ist.

Welche Anekdoten waren das?

Ost: Etwa die, dass er vom Ministrantenzeltlager rund 50 Kilometer mit dem Fahrrad zum entscheidenden Spiel um die Meisterschaft gefahren, in der Halbzeit angekommen ist und das 0:4 noch zu einem Sieg gedreht hat. Ob er dann tatsächlich sechs Tore zum Sieg geschossen hat oder nur vier, weiß er selbst nicht mehr genau. Aber im Kern stimmt die Anekdote.

Uli Hoeneß und seine Kindheit und Jugend in Ulm

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Das waren ein enormer Ehrgeiz, das war eine enorme Zielstrebigkeit, und er hatte sehr früh den Wunsch, eben Profifußballer zu werden.

Was sagen die Jugendfreunde über Uli Hoeneß?

Ost: Einige Eigenschaften, die sich früh zeigten, wurden von allen bestätigt. Das waren ein enormer Ehrgeiz, das war eine enorme Zielstrebigkeit, und er hatte sehr früh den Wunsch, eben Profifußballer zu werden, dem hat er alles untergeordnet. Gleichzeitig gab es auch ein frühes Interesse für Geld, was sicherlich auch von seinen Eltern her geprägt wurde.

Inwiefern?

Ost: Seine Eltern haben eine Metzgerei betrieben. Der Vater war Metzger, die Mutter hat mehr oder weniger das Finanzielle gemacht, und Uli Hoeneß hat, anders als sein Bruder Dieter Hoeneß, viel mitgeholfen in der Metzgerei.

Uli Hoeneß, Ehrenpräsident des FC Bayern München

"Eine ganz andere Risikofreude": Uli Hoeneß, 1952 in Ulm geboren

Hoeneß hat früh den Umgang mit Geld kennengelernt, und zwar in der Hinsicht, dass es beisammengehalten werden muss. Viel von dem, was dann später der 'Festgeldkonto-Uli' wurde, kann aus dieser Zeit hergeleitet werden. Er hat oft selber erzählt, wenn von den vorbestellten Weihnachtsgänsen nicht alle abgeholt wurden, dann war das Weihnachten gelaufen. Es muss ein Drama gewesen sein, wenn Pfennigbeträge in der Kasse gefehlt haben. Dann wurde der Laden abgeschlossen und so lange gesucht, bis diese Beträge da waren.

Typisch Kriegsgeneration.

Ost: Genau. Es gibt aber noch eine zweite Ebene, die kommt gerade nicht von seinen Eltern. Uli Hoeneß wächst ja in einer Zeit des Wirtschaftswachstums in Deutschland auf. Er wurde 1952 geboren, das heißt, die erste Wirtschaftskrise, das erste Mal, dass die deutsche Wirtschaft nicht wächst, das erlebt er 1973, da ist er schon 21 und hat schon einen Porsche. Er hat eigentlich immer gesehen, es geht immer nur nach vorne, gerade in Ulm, einer Stadt, die sich mit ihrer Industrie schnell vom Krieg erholt hat. Dementsprechend hatte Uli Hoeneß eine ganz andere Risikofreude. Bei ihm war Geld nicht nur etwas, was man horten muss um sich vor der möglichen Krise zu schützen, sondern für ihn war es auch die Chance, etwas zu verdienen. Da hat er sich sehr von seinen Eltern unterschieden.

Er hat eigentlich immer gesehen, es geht immer nur nach vorne.

Das Geld zu mehren, ob privat oder für seinen Verein, zieht sich also durch das ganze Leben von Uli Hoeneß?

Ost: So wie er seine Profikarriere angelegt hat, da ging es am Anfang nur um Geld, Geld, Geld. Aber nicht, weil er Angst hatte, alles zu verlieren, sondern einfach, weil er Lust daran hatte, immer mehr zu bekommen. Das zeigte sich schon, als er so etwas wie ein Fußballreporter in Ulm war.

Uli Hoeneß, ein Journalist?

Ost: Das ist das, was viele Leute nicht wissen. Uli Hoeneß hat in verschiedenen Auswahlmannschaften gespielt, sowohl in der von Baden-Württemberg als auch dann in der deutschen Juniorennationalelf mit Paul Breitner und Trainer Udo Lattek. Dadurch ist er auf eine nationale Bühne geklettert. Zu der Zeit ist er einfach in eine der großen Ulmer Zeitungen reingelaufen und hat gesagt, er könnte ihnen einen Artikel von seinen Spielen schreiben. Tatsächlich hatte er den Text schon mit dabei.

Hoeneß schreibt über Hoeneß.

Ost: Tatsächlich war das dann so. Uli Hoeneß hat zu seinen eigenen Spielen Berichte verfasst, auch nach Auswärtsspielen, die weit entfernt waren, ist er noch mit dem Rad in die Redaktion geradelt gekommen. Natürlich wurden jeder Pass und jedes Tor von ihm ausführlich erwähnt. Beim Honorar – da sind wir wieder beim Geld – hat er schnell nachverhandelt.

So knallhart wie später als Manager?

Ost: Das ist ganz prägend für Uli Hoeneß, dass er eben bei dem Geld, was er verdient hat, immer schon das gesehen hat, was er noch hätte verdienen können und dass er auch ein irres Selbstbewusstsein hatte, sich zu vermarkten. Das belegt die Anekdote, die der ehemalige Redakteur der Zeitung bestätigt. Hoeneß hat zunächst sieben Pfennig pro Zeile bekommen, und er hat schon relativ bald sein Honorar hochverhandelt auf neun Pfennig, was prozentual eine irre Steigerung ist.

Welchen Weg nahm der Fußballer Uli Hoeneß in Ulm, bevor er 1970 zum FC Bayern wechselte?

Ost: Er begann beim VfB Ulm, da war sein Vater auch noch Gründungsmitglied. Ab seiner Geburt soll Uli Hoeneß schon als Mitglied eingetragen gewesen sein. Später ist er dann zur TSG Ulm 1846 gewechselt. Als Uli Hoeneß dann nach München verschwand, ist dieser Verein fusioniert mit dem zweitgrößten Fußballverein, und das war eben die SSV Ulm, und so wurde dann der SSV Ulm 1846 draus, ein sehr unterschätzter Verein.

Inwiefern unterschätzt?

Ost: Also wir sehen jetzt den SSV wieder aufgestiegen. Mensch, ist ja eine schöne Geschichte, dass die jetzt nach 23 Jahren mal wieder in der 2. Liga spielen. Aber bei der Fusion war die Erwartungshaltung eine ganz andere. Der SSV war der größte Sportverein Deutschlands, mit ganz großen Abteilungen, auch neben dem Fußball, vor allem Schwimmen war da sehr gut. Damals war die Erwartung, die müssen jetzt möglichst schnell in die noch junge Fußball-Bundesliga aufsteigen. Das wiederum hat nicht geklappt.

Leonardo Scienza vom SSV Ulm feiert mit den Fans den Aufstieg in die 2. Bundesliga

Nach 23 Jahren wieder in der 2. Liga: SSV Ulm 1846

Der SSV Ulm wird von nicht in Ulm ansässigen Menschen immer als ein kleiner Verein behandelt, weil wir eben auch die sportliche Geschichte kennen. Aber Ulm hätte das Potenzial gehabt, auch mit den Sponsoren, die da sind, das ist mit dem VfB Stuttgart vergleichbar, sich wirklich in der höchsten Liga festzusetzen.

Für das, was er erreicht hat, ist er nicht wirklich präsent in der Stadt.

Für das Pokalspiel mit dem FC Bayern kommt Uli Hoeneß in seine Geburtsstadt zurück. Welche Beziehung hat er noch zu ihr?

Ost: Das Verhältnis zwischen Ulm und Uli Hoeneß ist schwierig, und ich glaube auch beidseitig. Uli Hoeneß war schon 1974, da war er ja dann 22 Jahre alt und vier Jahre weg aus Ulm, deutlich verschnupft darüber, dass es für ihn keinen Empfang in der Stadt Ulm gab, obwohl er ja zu den deutschen Weltmeistern gehörte. Wer vor ein paar Jahren auf die Webseite der Stadt Ulm geguckt hat, da wurde über Wolfgang Fahrian und über Dieter Hoeneß berichtet, aber Uli Hoeneß wurde nur erwähnt. Für das, was er erreicht hat, ist er nicht wirklich präsent in der Stadt. Es scheint so zu sein, dass sowohl die Ulmer mit Uli Hoeneß kein unbelecktes Verhältnis haben, aber umgedreht ist es definitiv auch so.

Das Gespräch führte Marcus Bark.