Nach dem Pokal-Aus Thomas Tuchel und das Dilemma beim FC Bayern
Beim Ausscheiden aus dem DFB-Pokal des FC Bayern gegen den SC Freiburg hat Trainer Thomas Tuchel erstmals miterlebt, wo genau die Probleme seines neuen Teams liegen.
Es war nicht im Gesicht abzulesen, was Thomas Tuchel in der zweiten Hälfte beim Viertelfinal-Aus des FC Bayern gegen den SC Freiburg fühlte. Das tief ins Gesicht gezogene Basecap und der über den Mund, fast bis zur Nasenspitze angelegte Schal verhinderten während der 90 Minuten einen Blick auf die Mimik des neuen Trainers der Münchner. Seine Körpersprache dagegen ließ allerdings erahnen, welche Gedanken ihn in dieser Partie beschäftigten.
Geradezu regungslos, fast versteinert und mit verschränkten Armen sah der 49-Jährige zumeist dem Geschehen zu - und er schien ein wenig desillusioniert zu sein, was er von seinen Spielern zu sehen bekam. "Wir hatten immer wieder gute Momente, teilweise sehr gute Phasen. Aber wir tun uns schwer, die zu halten. Wir tun uns schwer, die Schlagzahl zu halten in den guten Sachen, bis es dann wirklich zu unseren Gunsten kippt", sagte der FCB-Coach bei der Analyse der 1:2-Niederlage in der Sportschau.
Weiteres Alarmsignal
Immer wieder bissen sich seine Spieler an der gut organisierten SCF-Abwehr die Zähne aus. Immer wieder landeten die Hereingaben bei einem Freiburger Abwehrspieler. Die wenigen Münchner (Spiel-) Ideen zerschellten an der Aufmerksamkeit der gegnerischen Defensive. Die Anzahl der Tormöglichkeiten war gemessen am Ballbesitz und der Einseitigkeit in der zweiten Hälfte geradezu erschreckend niedrig.
Der "allerletzte Hunger" habe ein bisschen gefehlt. "Das Ding zu zwingen, wenn es eng ist und der Gegner tief verteidigt. Das hat gefehlt", sagte Tuchel bemerkenswert offen. Ein für das Münchner Selbstverständnis niederschmetterndes Urteil des neuen Coaches. Schon so oft hatte der FCB sehr zum Ärger des restlichen Fußball-Deutschlands Spiele in den letzten Minuten entschieden. Bereits so häufig war der Rekordmeister in Ausscheidungsspielen nicht zu bezwingen.
Dass diese Fähigkeiten in einer solch bedeutungsvollen Partie nicht zu sehen waren, dürfte als weiteres echtes Alarmsignal bei den Klubverantwortlichen um Sportvorstand Hasan Salihamidzic und dem Vereinsvorsitzenden Oliver Kahn angekommen sein - und bei Tuchel.
Konstanz auf höchstem Niveau fehlt
Womöglich dürfte Tuchel an diesem "enttäuschenden Dienstagabend" klar geworden sein, dass es für sein neues Team nach der Trennung von Julian Nagelsmann nicht lediglich einen Stimmungsaufheller gebraucht hat, um wieder in die Spur zu kommen. Dass die Münchner zwischenzeitlich in der Bundesliga einen Neun-Punkte-Vorsprung auf Borussia Dortmund verspielt hatten, passt vor diesem Hintergrund ins Münchner Bild und erscheint nicht als Zufall.
Die Konstanz auf höchstem Niveau ist dem Team verloren gegangen. Stürmer Robert Lewandowski, der auch in schwierigen Situationen und Partien so häufig die erlösenden Treffer erzielte, ist nicht mehr vorhanden.
Salihamidzic stärkt Tuchel den Rücken
Tuchel soll und muss dafür sorgen, dass die Spieler ihr zweifellos hohes Potenzial dauerhaft ausschöpfen. Es stellt sich allerdings die Frage, wie der Fußballlehrer diese Kompetenzen in der Kürze der Zeit vermitteln soll. Für Trainingseinheiten, in denen Tuchel gezielt an dieser Problematik arbeiten kann, bleibt so gut wie keine Zeit.
Den Mittwoch "danach" hat der Coach seinen Spielern freigegeben, damit "die Nationalspieler mal wieder in ihren eigenen Betten schlafen". Die Terminhatz der Bayern ist groß, Regeneration steht in diesen Tagen - im Endspurt um die verbliebenen Titel - im Vordergrund.
Salihamidzic weiß offenbar um die überaus schwierige Aufgabe des neuen Trainers und stärkte ihm nach der Pleite, die das erste Saisonziel der Bayern kostete, demonstrativ den Rücken: "Das ist für uns alle bitter, aber das hat doch mit dem Trainer nichts zu tun. Das ist ein Prozess. Er macht einen sehr guten Eindruck und einen sehr guten Job."
Die richtigen Worte finden
Am Samstag bereits spielt der FCB in der Bundesliga in Freiburg, am darauffolgenden Dienstag steht das Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League bei Manchester City an. Thomas Tuchel und der FC Bayern stecken in einem Dilemma. Es bleibt dem Trainer in den kommenden Wochen eigentlich nur, die richtigen Worte und die möglichst optimalen taktischen Anweisungen zu geben - und die Hoffnung darauf, dass seine Spieler diese umsetzen können.
Seine eigentliche (Fußball-) Arbeit kann Tuchel erst nach Abschluss der Saison beginnen. Womöglich hat ihn diese Erkenntnis am Spielfeldrand phasenweise erstarren lassen.