Champions-League-Viertelfinale Arsenals Rice - Abräumer und Taktgeber zugleich
Mangelnde Widerstandskraft war lange das Problem des FC Arsenal. Trainer Mikel Arteta hat die Mannschaft defensiv stabilisiert. Eine Schlüsselfigur dabei ist 120-Millionen-Mann Declan Rice, den auch Thomas Tuchel gerne für den FC Bayern gehabt hätte.
Ein bisschen wird Declan Rice immer der Spieler sein, der er im Mai 2017 war, als er sein Debüt in der Premier League gab, im Alter von 18 Jahren. Wer aus dem Nachwuchs zu den Profis stößt, hat bei der Rückennummer keine Wahl, sondern muss sich mit der Zahl arrangieren, die ihm der Zeugwart zuteilt. Rice machte sein erstes Spiel für West Ham United gegen den FC Burnley mit der Nummer 41.
Sie ist seitdem zu seinem Markenzeichen und Glücksbringer geworden. Rice stieg mit der 41 zum Leistungsträger bei West Ham auf, zum englischen Nationalspieler und zu einem der besten defensiven Mittelfeldspieler der Welt. Auch beim FC Arsenal, dem er sich im vergangenen Sommer für umgerechnet rund 122 Millionen Euro anschloss, trägt er die Zahl, mit der er im Mai 2017 auf die Bildfläche trat.
Tuchels Wunschspieler für den FC Bayern
Wenn Arsenal an diesem Dienstag im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League den FC Bayern erwartet, wird viel Aufmerksamkeit auf den mittlerweile 25 Jahre alten Rice gerichtet sein. Das liegt zum einen daran, dass ihn auch die Münchner vor dieser Saison gerne verpflichtet hätten. Wenn Thomas Tuchel von seinem Wunsch nach einem Spieler der Marke "Holding Six" sprach, sah er Rice vor seinem geistigen Auge.
Zum anderen wird Rice im Blickpunkt stehen, weil er einer der Hauptgründe dafür ist, dass der FC Arsenal im April 2024 nur noch den Namen und die Farben mit jenem Arsenal gemeinsam hat, das sich dem FC Bayern in der Vergangenheit immer wieder widerstandslos geschlagen gab. Die vergangenen drei Partien zwischen den beiden Klubs in der Champions League endeten jeweils 5:1 für den deutschen Rekordmeister.
Rice ist Abräumer und Taktgeber zugleich
Mangelnde Widerstandskraft war seit den finalen Jahren unter Arsène Wenger ein Problem des FC Arsenal, doch der seit Weihnachten 2019 amtierende Trainer Mikel Arteta hat die Mannschaft nach und nach stabilisiert. Die Londoner sind auch deshalb Tabellenführer der Premier League, weil sie in dieser Saison die beste Defensive haben. Das Topspiel kürzlich gegen Manchester City (0:0) hatte den Unterhaltungswert einer automatisierten Zeitansage, stand aber sinnbildlich für Arsenals neue defensive Sturheit. Für diese ist Rice ein Schlüsselspieler.
Er ist ein Fußballer, wie es ihn nur selten gibt. Das erklärt, warum internationale Topklubs im Sommer Schlange standen und Arsenal ihn zum Rekordeinkauf des Klubs machte. Rice ist Abräumer und Taktgeber zugleich. Er sichert die Defensive mit seiner Körperlichkeit und seinem kompromisslosen Zweikampfverhalten, hat aber auch Übersicht, Passgenauigkeit und ein hohes Spielverständnis.
Videostudium statt Alkohol
Er ist flexibel, kann auf der Sechser-Position genau so spielen wie in der etwas offensiveren Achter-Rolle, auf der er aktuell vermehrt Verwendung findet. In der laufenden Premier-League-Saison steht Rice bei sechs Toren und sechs Vorlagen, das sind doppelt so viele Torbeteiligungen wie in seiner zuvor ertragreichsten Spielzeit. Mit seinen verschiedenen Eigenschaften ist Rice der ideale Verbindungsmann zwischen Defensive und Offensive, die ideale Besetzung für das Herz des Spiels – und der ideale Profi aus Trainer-Sicht.
Als Rice in den ersten Wochen bei Arsenal Probleme hatte mit den gesteigerten Anforderungen, vertiefte er sich noch mehr ins Videostudium, setzte sich noch mehr mit dem eigenen Spiel auseinander. Zum folkloristischen Wissen über ihn gehört, dass er keinen Alkohol mag. Bei der EM 2021 verblüffte er die Öffentlichkeit mit dem Geständnis, noch nie eines der typischen englischen Pints verköstigt zu haben. Nach dem Gewinn der Conference League mit West Ham in der vergangenen Saison habe er einen Schluck Bier genommen, die Dose aber umgehend zur Seite gestellt, berichtete er kürzlich.
Aura eines natürlichen Anführers
Rice hat die Aura eines natürlichen Anführers. Gerade hat er sein 50. Länderspiel für England bestritten und dabei in Abwesenheit von Harry Kane zum ersten Mal die Kapitänsbinde getragen. Die Hoffnungen der Engländer, bei der EM im Sommer in Deutschland endlich das seit dem WM-Titel 1966 dauernde Warten auf einen Titel zu beenden, ruhen auch auf Rice.
Der "Guardian" stufte ihn im Oktober neben Jude Bellingham und Kane als einen von drei englischen Nationalspielern ein, die nicht zu ersetzen sind. Dass Rice für England spielen würde, war übrigens am Anfang seiner Karriere nicht gesichert. Er hat irische Großeltern, lief für Irlands Jugendnationalmannschaften auf, entschied sich nach dem Aufstieg zum Profi aber für England, wie vorher zum Beispiel schon Jack Grealish.
Sinnbild für die neue Standfestigkeit
Rice trägt in dieser Saison entscheidend dazu bei, dass sich das Narrativ über den FC Arsenal ändert. Die Londoner stehen in dem Ruf, zusammenzubrechen, wenn Standfestigkeit gefordert ist. Die deprimierende Endphase der Amtszeit von Arsène Wenger hat zu dieser Wahrnehmung ebenso beigetragen wie das Finale der vergangenen Saison, als Arsenal im Rennen um die Meisterschaft zusammenbrach und einen Acht-Punkte-Vorsprung an der Tabellenspitze verspielte.
"Wir wollen ändern, was die Leute über uns sagen. Das ist jetzt ein neues Arsenal", sagte Rice kürzlich. Im Zentrum dieses neuen Arsenal steht er selbst – der Mann, der immer noch die Rückennummer 41 trägt.