Entlassung von Trainer Bjelica Union Berlin - das Ende der großen Familie
Nach der Entlassung von Nenad Bjelica ist die Saison von Union Berlin um eine Posse reicher. Den Platz im Tabellenkeller hat sich der Verein mit vielen Fehlentscheidungen redlich verdient.
Union-Präsident Dirk Zingler hatte schon vor der Niederlage seiner Mannschaft gegen den VfL Bochum schlechte Laune. Minuten vor dem bis dahin wichtigsten Spiel der Saison ging es bei den Berlinern nicht um den Sport. Im TV-Interview mit "DAZN" musste er stattdessen Medienberichte über seinen Trainer dementieren.
"Kicker" und "Sky" hatten in der Woche vor dem Abstiegsduell gegen Bochum übereinstimmend berichtet, dass eine Trennung spätestens im Sommer längst beschlossene Sache sei. Alles falsch, widersprach Zingler: "Wir bekennen uns zu Nenad Bjelica."
Trainer muss trotz Treuebekenntnis gehen
Kaum 24 Stunden und eine 3:4-Heimniederlage später waren diese Worte schon wieder vergessen. Am Montagvormittag leitete Bjelica noch das Spielersatztraining. Am Nachmittag wurde er dann freigestellt. Wie schon nach der Trennung von Urs Fischer im Herbst übernehmen U-19-Trainer Marco Grote und Co-Trainerin Marie-Louise Eta interimsweise.
Glaubt man den Berichten verschiedener Medien, war das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft zerrüttet. Angeblich warfen mehrere Spieler Bjelica eine altmodische Ansprache und antiquierte Methoden vor. Laut "Kicker" verzichtete der Kroate häufig auf Videoanalysen.
Ungewohnte Indiskretion
Dass sich diese Berichte auf nicht näher bekannte Quellen im Vereinsumfeld beriefen, dürfte den Union-Boss Zingler auch nach der Entlassung beschäftigen. Der Vereinspräsident betrachtet den 1. FC Union als eine große Familie. Indiskretion nimmt das Familienoberhaupt deshalb persönlich.
"Zwischen uns, die Verantwortung tragen im Klub, und der Mannschaft gilt nur das, was wir uns untereinander sagen", erklärte er noch vor Bjelicas Aus am Sonntag. Anders als in den erfolgreichen Jahren unter Urs Fischer gilt dieses "untereinander" nicht mehr für alle bei Union.
Keine Ruhe bei Union
Schon nachdem Trainer Bjelica durch seinen Angriff auf Leroy Sané Ende Januar zum ersten Mal vor dem Aus stand, hatte der "Kicker" Interna aus der Kabine berichtet. Mehreren Spielern wurde nachgesagt, sich offen gegen den Kroaten ausgesprochen zu haben.
Als es für den Trainer trotzdem weiterging, startete Union einen sportlichen Lauf. Nach dem Sieg gegen Werder Bremen Mitte März schien der Klassenerhalt ausgemachte Sache. Damals standen die Köpenicker neun Punkte vor dem Relegationsplatz.
Richtig ruhig wurde es trotzdem nicht. Diskutiert wurde etwa über Winterneuzugang Chris Bedia. Der Ivorer kam im Winter als bester Torschütze der Schweizer Liga zu Union. Trotz der Torflaute seiner Mannschaft in diesem Kalenderjahr (12 Tore in 16 Spielen) spielte er keine Rolle. Laut Bjelica waren Bedias Trainingsleistungen zu schlecht, um ihn aufzustellen
Verpatzte Transferphasen
Bedia ist nur einer von vielen Transfers in den jünsten beiden Wechselfenstern, die man nach aktuellem Stand getrost als Fehleinkauf bezeichnen kann. Innenverteidiger Leonardo Bonucci erfüllte sportlich nie die Erwartungen und durfte nach einem halben Jahr gehen. Die Leihe von David Datro Fofana wurde nach Disziplinproblemen frühzeitig abgebrochen, Spieler wie Lucas Tousart, Alex Kral und Mikkel Kaufmann sind allenfalls Mitläufer.
Und die ehemaligen Nationalspieler Kevin Volland und Robin Gosens geben zwar gute Interviews, sind aber mit ihren Aufgaben auf dem Platz oft überfordert. Noch schwerer als die fehlende Konstanz wiegt etwas anderes: Zu keinem Zeitpunkt in dieser Saison entstand der Eindruck, dass die Mannschaft sich als Einheit versteht.
Panik in der Führungsspitze
Nur in ihrer Ablehnung des Trainers schien sich die Mannschaft einig. Angeblich sollen sich die Spieler hinter Bjelicas Rücken untereinander über eigene taktische Ansätze verständigt haben. Viel gebracht hat das nicht. In der desolaten ersten Halbzeit gegen Bochum irrten die Spieler zum wiederholten Mal planlos über den Platz.
Für die letzten beiden Spiele setzt der Verein nun zum zweiten Mal innerhalb einer Saison auf den Trainereffekt. Nach Zinglers Treuebekenntnis von Sonntag wirkt das verzweifelt. Immerhin: Marco Grote und Marie-Luise Eta beendeten bei ihrem ersten Spiel als Interimsduo im November eine Serie von zehn Bundesliganiederlagen. Auch wenn sie den Klassenerhalt schaffen sollten, steht Union ein ungemütlicher Sommer vor. Zu viele Fehlentscheidungen traf der Verein beim Personal auf und neben dem Platz.