Frustrierte Spieler von Hertha BSC

Hertha und Schalke ganz unten Sorgenkinder aus Tradition

Stand: 26.01.2023 00:12 Uhr

Hertha BSC und Schalke 04 stehen nach der Hinrunde der Fußball-Bundesliga ganz unten. Beide Traditionsvereine haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen.

Nach Berichten der Hauptstadtpresse saß am Dienstagabend (24.01.2023) auch Josh Wander auf der Tribüne im Olympiastadion, Vorstandschef der US-Firma "777 Partners", die für 375 Millionen Euro Anteile an Hertha BSC übernehmen möchte. Der Deal sei "auf der Zielgeraden", ließ zuletzt auch Hertha-Präsident Kay Bernstein verlauten. Man kann nur hoffen, dass Wander sein Investment nicht von dem abhängig macht, was er bei der 0:5-Niederlage der Hertha gegen den VfL Wolfsburg zu Gesicht bekam.

Die Berliner, die nach dem 1:3 zum Re-Start in Bochum den Kampf gegen den Abstieg ausgerufen hatten, spielten gegen die aufstrebenden Wolfsburger auch wie ein heißer Abstiegskandidat. Schon zur Pause, beim Stand von 0:3, hatte die chancenlose Hertha das Spiel verloren. "Wirklich unterirdisch. Wir sind kopflos rumgerannt", sagte Sportvorstand Fredi Bobic und sprach von der "schlechtesten Leistung" der kompletten Saison.

"Hertha funkt S.O.S.!" titelte der Berliner Kurier vor dem anstehenden Derby gegen Union, bei dem die nächste Demütigung droht.

Der Mannschaft, dies wurde auch gegen Wolfsburg deutlich, fehlt es an Struktur und Spielern, die Verantwortung übernehmen. Kevin-Prince Boateng, in der Vergangenheit emotionaler Anführer, ist nur noch Ergänzungsspieler. Andere potenzielle Leitfiguren wie Kapitän Marvin Plattenhardt oder Stellvertreter Lucas Tousart bringen einfach nicht die nötige Führungsqualität auf den Platz.

Trainer Sandro Schwarz, fachlich wie menschlich in Berlin geschätzt, hat offenbar auch kein Rezept gegen die sportliche Dauerkrise. Seine Bilanz mit 14 Punkten aus 17 Spielen ist auch nicht besser ist als die der in der vergangenen Saison beurlaubten Vorgänger Pal Dardai und Tayfun Korkut. Schwarz stehe "nicht mal ansatzweise zur Diskussion", sagte Manager Bobic und sprach dem Trainer das Vertrauen aus.

Schwarz - "Das war ein Schlag in die Fresse!"

Sportschau

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Hertha finanziell kaum bis gar keinen Spielraum mehr hat, um etwa einen neuen Trainer als Feuerwehrmann zu verpflichten - wie in der Vorsaison als Felix Magath die Hertha durch die Relegation brachte. Mit den Millionen des bereitstehenden neuen Investors soll zunächst einmal nur der Noch-Anteilseigner Lars Windhorst ausbezahlt werden. Dessen Investitionen von 130 Millionen Euro in den Kader, eine nach wie vor schwer fassbare Summe, sind weitestgehend ohne Wirkung verpufft. "Identität statt Dollar-Scheine", forderten die Hertha-Fans auf Transparenten beim Spiel gegen Wolfsburg - und trafen einen Nerv.

Die Hertha, die nicht nur nach der Wahrnehmung von Wolfsburg-Coach Niko Kovac doch "eigentlich nach oben gehört", kämpft offensichtlich mit der Rolle, auch im zweiten Jahr in Folge gegen den Abstieg spielen zu müssen. Auch wenn Trainer Schwarz zuletzt bekräftigte: "Wir wissen, in welcher Situation wir sind." Doch die Erwartungen sind andere beim Hauptstadtklub, der sich als Traditionsmarke der Liga versteht, mit entsprechend großer Aufmerksamkeit.

Schalke auf direktem Weg zurück in die 2. Liga

Dies ist die Parallele zum anderen großen Fehlstarter in die Rest-Saison, nach der ungewohnten WM-Pause: Schalke 04 ist zwar auf dem Papier Aufsteiger, aber immer noch ein Klub mit großer, selbsterklärter Strahlkraft. Die Erinnerungen an Europapokal-Abende sind bei vielen Fans noch relativ frisch.

Aktuell kämpft Schalke nicht nur mit den Altlasten des jahrelangen Missmanagements, sportlich wie finanziell. Auch die Herausforderung, sich als Traditionsverein mit geschrumpften Ambitionen neu aufzustellen, gestaltet sich für die "Königsblauen" offenbar als sehr schwierig.

Bei der 0:3-Niederlage gegen abgezockte Frankfurter sahen sich die Schalker noch unter Wert verkauft. Das 1:6-Debakel gegen Leipzig bestätigte allerdings den besorgniserregenden Eindruck aus den Wochen vor der Katar-WM. Zwar bekam Schalke mit Leipzig den nächsten Champions-League-Klub vor die Nase gesetzt, doch die anfällige Defensive wirkt grundsätzlich nicht bundesligatauglich.

Auch offensiv ist Schalke weiter nicht wettbewerbsfähig, stellt mit 14 Toren den mit Abstand schwächsten Angriff der Liga. Mit mageren 9 Punkten gehen die "Königsblauen" in die Rückrunde, der erneute Absturz in die 2. Liga scheint vorprogrammiert. Die Fans flüchteten schon vor dem Schlusspfiff aus der Schalker Arena.

Den Trainer haben sie bei Schalke in dieser Saison bereits ausgetauscht. Auch Thomas Reis, der miterleben muss, wie sein früherer Klub aus Bochum sich gerade aus dem Schlamassel zieht, wirkt ratlos. Nach der Packung gegen Leipzig beschrieb er die Lage wie die eigene Gefühlswelt als "beschissen".

Fragezeichen um Knäbels Winter-Transfers

Die vom Sportvorstand Peter Knäbel eingeleiteten Rettungsmaßnahmen auf dem Winter-Transfermarkt erweckten zuletzt eher den Eindruck, als stelle Schalke schon die Mannschaft für die kommenden Saison in der 2. Liga zusammen. Den Franzosen Florent Mollet, spielerisch wohl der Stärkste im Team, verkaufte Knäbel schon wieder - um Spieler wie Jere Uronen, Niklas Tauer, Michael Frey und Tim Skarke zu holen, die allesamt über wenig bis gar keine Bundesliga-Erfahrung verfügen. 

Auffälligster Schalker gegen Leipzig war der 22-jährige Soichiro Kozuki, nicht nur wegen seines sehenswerten Tores. Bezeichnend: der Japaner spielte vor wenigen Wochen noch in der Regionalligamannschaft. Am Sonntag erwartet der Tabellenletzte den wiedererstarkten 1. FC Köln.