Teströhrchen mit Blut

WADA-Studie Positive Dopingproben bei mehr als 1.500 Minderjährigen

Stand: 07.02.2024 18:08 Uhr

Eine Studie der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) offenbart alarmierende Zahlen und strukturelle Versäumnisse der nationalen Anti-Doping-Agenturen beim Thema Doping von Minderjährigen.

Von Henrik Wissing

Insgesamt 1.518 Nachwuchsathleten im Alter von zwölf bis 17 Jahren wurden demnach seit 2012 illegale Substanzen im Blut nachgewiesen. In 1.416 Fällen wurden Dopingverfahren eingeleitet.

Jüngster überführter Athlet war zwölf Jahre alt

Grundlage der Studie mit dem Titel "Operation Zuflucht - Eine Untersuchung des Dopings bei Minderjährigen" bilden Datensätze der vergangenen elf Jahre, Befragungen der nationalen Anti-Doping-Agenturen und Interviews mit Minderjährigen weltweit, die des Dopings überführt wurden. Der jüngste des Dopings überführte Athlet war zwölf Jahre alt.

Die gebräuchlichsten Dopingmittel bei Minderjährigen sind anabole Steroide, die Muskelwachstum fördern, oder Ritalin, zur Steigerung der Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit. Besonders häufig wurde das Diuretikum "Furosemid", ein Mittel bei Herz-Kreislauf-Störungen, nachgewiesen.

Diuretika werden häufig zur Gewichtsreduzierung oder Maskierungsmittel zur Verschleierung anderer Dopingmittel verwendet. Die Sportarten, in denen Doping von Minderjährigen am häufigsten vorkommen, sind laut der Studie: Gewichtheben, Leichtathletik, Schwimmen. Die meisten Fälle gab es in Russland, Indien und China.

NADA: 25 Ermittlungen in Deutschland seit 2017

Auch die Nationale Anti Doping Agentur Deutschlands (NADA) beteiligte sich an der Erhebung der Daten und beantwortete die Fragen der WADA. Auf Nachfrage der Sportschau bestätigt die NADA, 25 Ermittlungsverfahren von Minderjährigen-Doping in den vergangenen sechs Jahren. In zwei Fällen sei es zu Sperren gekommen: Die Verweigerung eine Dopingprobe führte zu einer zweijährigen Sperre, ein positiver Dopingnachweis zu einer dreimonatigen Sperre. Angaben zur Sportart oder dem Alter der Athleten wollte die NADA nicht machen.

Die NADA betont, dass minderjährige Sportler in Deutschland gezielt kontrolliert und präventiv geschützt würden. Eine gesondertes Präventionsprogramm "Young Athletes" samt Workshops und Online-Angebot vermittle die Werte des Sports. Ebenso würde das Umfeld minderjähriger Athleten - also Betreuer, Eltern und Lehrer - von der NADA aufgeklärt.

Die Opfer bleiben allein zurück

Gerade der Leistungs- und Erwartungsdruck ihres Umfelds drängt junge Sportler laut der Studie häufig in Richtung Doping. Im Interview mit der WADA klagten die Minderjährigen, denen Doping nachgewiesen wurde, über den ausgeübten, externen Druck. Ihre Trainer hätten von ihnen gefordert, mehr Hingabe zu zeigen und ihr Leben dem Sport unterzuordnen. Leistungsschwankungen beispielsweise durch die Pubertät seien inakzeptabel gewesen. Das Doping? Mittel zum Zweck einer vielversprechenden Profikarriere.

Nach einem positiven Dopingtest folgt die große Ungewissheit. Die Minderjährigen berichteten von Traumata. Man habe sie vom Sport ausgeschlossen, sie erfuhren Ablehnung von Verein, Familie und Freunden. Isolation und Depressionen seien die Folge. Die Trainer hätten sich abgewandt, die Karriere auf Eis gelegen.

Neben der sozialen Ächtung für die Athleten und deren Familie klagen sie über fehlende Strukturen. Es gäbe keine Wiedereingliederung, keine psychologischen Hilfsangebote. Zudem gab ein Teil der Minderjährigen an, nie über illegale Substanzen oder die Folgeschäden von Doping aufgeklärt worden zu sein.

Strukturelle Versäumnisse der nationalen Anti-Doping-Agenturen

Diese Anschuldigungen werfen ein schlechtes Licht auf Anti-Doping-Agenturen und Sportverbände. Den WADA-Daten nach zu urteilen, handelt es sich nicht um eine Häufung von Einzelfällen, sondern teilweise offenbar um strukturelles Doping im Nachwuchsbereich. Fälle aus Belarus, Kanada, China und Rumänien offenbaren, dass gleich mehrere Athleten im selben Zeitraum positiv auf die selben Substanzen getestet wurden.

Die Befragungen der WADA deuten zudem darauf hin, dass die nationalen Anti-Doping-Agenturen die Situation häufig unterschätzen. 60 Prozent gaben an, Doping unter Minderjährigen sei nicht weit verbreitet. 78 Prozent der Befragten wiederum halten ihre Fähigkeiten zum Testen Minderjähriger für ausreichend. Aber nur 15 Prozent haben strukturelle Abläufe für entsprechende Fälle und deren Nachbetreuung.

Neue Wege im Kampf gegen Minderjährigen-Doping

Günter Younger, Chefermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur, sieht daher Verbesserungsbedarf in der Kommunikation. Er sei erschrocken über den Druck, der auf junge Athleten ausgeübt werde, sagte Younger dem Deutschlandfunk. Es sei notwendig, junge Sportler schneller und effektiver zu erreichen, sie präventiv aufzuklären.

Mithilfe von Influencern möchte die WADA zukünftig in die digitalen Lebensräume der Minderjährigen vordringen, um sie zu sensibilisieren. Ziel sei es, dass die jungen Athletinnen und Athleten erkennen, dass sie mit der WADA reden können, um Ängste und Sorgen zu äußern. Zudem arbeite die WADA daran, ihre Kommunikation im chinesisch - und russischsprachigem Raum zu stärken.