Agit Kabayel

Interims-WM im Schwergewicht Boxer Agit Kabayel - der Traum vom Ende der Sehnsucht

Stand: 21.02.2025 13:50 Uhr

Der Bochumer Schwergewichtsboxer Agit Kabayel hat es in die Weltspitze geschafft. Jetzt winkt ihm ein echter Coup und die Chance auf Box-Historie. Gegen den Chinesen Zhilei Zhang geht es für Kabayel in Riad um den Interims-Weltmeistertitel des großen Verbands WBC. Er ist der neue deutsche Hoffnungsträger, um eine fast 100-Jährige Durststrecke zu beenden.

Es ist zugegebenermaßen eine packende Story, die immer wieder ausgegraben werden muss. Die Geschichte des jungen Deutschen, der in die USA ging. Der sich buchstäblich durchboxte - vom Underdog bis an die Spitze. Der zum Star wurde. Und zum Weltmeister. Dem einzigen aus Deutschland, den es in der Geschichte des Profi-Schwergewichts-Boxens bis heute gibt. Eine Realität gewordene Heldensaga. Aber auch eine, die schon früh benutzt wurde, ob für Politik oder für Marketingzwecke.

Max Schmeling ist ohne Übertreibung eine Legende. Eine Ikone, an der sich zurecht auch fast 100 Jahre nach seinem Gewinn des Schwergewichts-Titels Sportlerinnen und Sportler orientieren. Sportler wie Agit Kabayel aus Bochum.

 "Dass er der letzte Deutsche ist, der den Schwergewichtsgürtel holen konnte, zeigt, wie schwierig diese Aufgabe ist", sagt Kabayel. Doch mittlerweile steht er wie lange kein Boxer aus Deutschland mehr ganz dicht vor der Chance auf einen vergleichbaren Erfolg. Am Samstag (22.02.2025) kämpft er um den Interims-WM-Titel des bedeutenden Weltverbands WBC. Ein Sieg und er wäre gewissermaßen ein Weltmeister im Wartestand.

Interimstitel - Weltmeister im Wartestand

Mit dem Interimsgürtel wäre Agit Kabayel nachrangiger Titelträger des Verbands und Herausforderer des amtierenden WBC-Champs Oleksandr Usyk. Sollte Usyk seinen Titel niederlegen oder - im komplizierten Geflecht des Profiboxens nicht selten - entzogen bekommen, würde Kabayel um die Nachfolge kämpfen. Die Nachfolge Usyks und die Nachfolge Max Schmelings.

Es wäre leicht, Gemeinsamkeiten zwischen Agit Kabayel und Max Schmeling zu konstruieren. Beide stiegen in den Box-Sport ein, als sie beinahe schon erwachsen waren. Beide wurden Europameister und doch mussten beide den Schritt ins Ausland gehen, um an die Spitze ihres Sports zu gelangen. Max Schmeling wagte den mutigen Schritt nach New York, in den Zwanziger- und Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts das Zentrum des Profiboxens auf der Welt. Und Agit Kabayel steigt regelmäßig in Riad in Saudi-Arabien in den Ring. Die saudische Hauptstadt hat für das heutige Boxen mittlerweile fast die gleiche Bedeutung.

 "Saudi-Arabien hat das Boxen wieder für Zuschauer attraktiv gemacht", sagt er dazu. "Hier gibt es die Kämpfe, die die Leute sehen wollen". Seit einiger Zeit flutet das Königreich am Persischen Golf das Profiboxen mit Geld und ermöglicht Fights, die lange Zeit nicht denkbar schienen. "Sportswashing" sagen die einen. "Ein Segen für den Sport" sagen die anderen. Für Agit Kabayel war es ein Karriere-Booster: "Wenn ich nicht die Chance in Riad bekommen hätte, wäre der Weg in die Weltspitze viel, viel komplizierter gewesen - vielleicht sogar unmöglich".

Seit Mitte 2024 arbeitet der Bochumer mit dem englischen Promoter Spencer Brown zusammen, der auch Weltstar Tyson Fury managt. Ein einflussreicher Manager im Ausland, noch so eine Parallele zu Max Schmeling.

Fast 100 Jahre kein Weltmeister aus Deutschland

Doch natürlich lassen sich beide Boxer nicht wirklich miteinander vergleichen, ohne die argumentative Brechstange zu bemühen. Max Schmelings Vermächtnis geht weit über den Sport hinaus. Agit Kabayel steht noch mitten in der Laufbahn und denkt trotzdem über seinen Sport hinaus: "Mein Ziel ist es, auch mal für mehr als nur für das Boxen in Erinnerung zu bleiben. Als jemand, der auch für die Gesellschaft eine Bedeutung hat." Agit Kabayel wuchs als Kind mit kurdischen Wurzeln im Ruhrgebiet auf. Er will mit seiner Geschichte auch Vorbild und Mutmacher sein.

Und vielleicht wurde Schmelings Heldensaga auch schon oft genug bemüht, um Kämpfen und Kämpfern einen glanzvollen Anstrich zu geben. 2005 etwa, als Luan Krasniqi die große Chance auf den Schwergewichts-WM-Titel hatte. Der Kampf in Hamburg wurde extra auf das Datum des 100. Geburtstags Max Schmelings gelegt, den 28. September. Es war ein Setting wie gemalt. Doch Krasniqi verlor den WBO-WM-Kampf gegen Lamon Brewster. Schmeling blieb "the one and only".

Gefährlicher Gegner für Kabayel

Die Sehnsucht nach einem Nachfolger zu erfüllen, bleibt ein kompliziertes Unterfangen. Kabayels Gegner ist ein gefährlicher Puncher, der Olympia-Silbermedaillengewinner von 2008. Der Chinese Zhilei Zhang trug auch schon einen Interims-WM-Titel bei einem der großen Verbände, doch eine Niederlage warf ihn im vergangenen Jahr zurück.

Es ist eine extrem schwierige Aufgabe für Kabayel. Doch Unerschrockenheit und unbändiger Wille haben ihn auf den dritten Platz der bedeutendsten, unabhängigen Weltrangliste befördert. Und seine Reise an die Spitze der Rankings soll noch nicht beendet sein.

"Es ist schon manchmal schwer zu realisieren, wenn man zurück schaut - der kleine, übergewichtige Junge aus ärmsten Verhältnissen gehört zur Weltspitze", sagt Kabayel. "Das zeigt, dass man alles erreichen kann. Doch ich will mehr. Ich will Weltmeister werden. Darauf liegt mein ganzer Fokus." Sollte Kabayel gegen den Chinesen Zhang gewinnen, fehlt ihm bis zum echten WM-Titel immer noch mindestens ein Schritt und so lange wird Max Schmeling weiter "the one and only" bleiben. Doch näher dran als Agit Kabayel war eben sehr lange kein deutscher Boxer mehr.