Nach Chaos um Schröder und Theis So funktionieren die "Trades" in der NBA
Der deutsche Basketball-Topstar Dennis Schröder ist nach einem wilden Wechsel-Chaos in Detroit gelandet, er sprach beim Sender "NBC" von "moderner Sklaverei". Auch um Daniel Theis gab es Riesenverwirrung, der Weltmeister-Kollege von Schröder steht aktuell sogar ohne Klub da - Sportschau erklärt die Hintergründe des ganzen "Trade"-Systems.
Was genau ist der "Trade" in der NBA?
Wer bei "Trades" in der NBA an das Wort "Wechsel" denkt und das eventuell sogar mit dem europäischen Wechsel-System im Fußball vergleichen möchte, liegt leider komplett daneben. "Trade" ist das englische Wort für "Handel" und das trifft es tatsächlich.
Ein "Trade" ist sehr grob runtergebrochen ein Handel zwischen mindestens zwei NBA-Teams, bei dem Spieler, zukünftige Rechte an Nachwuchstalenten aus dem College (Draftpicks), und/oder Geld zwischen den Teams hin und her getauscht werden. Bei einem "Trade" gibt es sehr klare Regeln, die vor allem die Gehaltsobergrenze bei den Klubs, aber auch den Gehältern der Spieler eine sehr wichtige Rolle spielen. Es können nur in etwa gleichwertige Verträge gegeneinander getauscht werden.
Um die Gehälter passend zu machen, werden regelmäßig auch mehrere Spieler gegen einen getauscht oder gar dritte, vierte und sogar fünfte Teams involviert, um komplexere Handel zu ermöglichen.
Während im Fußball die Profis Mitspracherechte haben, ist das in der NBA höchstens bei den Superstars möglich - aber selbst das ist eher die Ausnahme als die Regel. Wichtig zu wissen ist, dass die Spieler genau genommen keinen Vertrag mit einem Klub, der Franchise haben, sondern mit der Liga.
Warum können Spieler binnen kürzester Zeit zwischen verschiedenen Klubs hin- und hergeschoben werden?
Zusammengefasst: weil das Teil des NBA-Business ist. Die "Franchises", also die Klubs, haben 15 Kaderplätze und eine bestimmte Gehaltsobergrenze zur Verfügung, um das bestmögliche Team zusammenzustellen.
Dabei haben Spieler in der Regel keine Kontrolle über ihren Verbleib oder ihren nächsten Verein. Die Manager und Coaches einer Franchise entscheiden, welche "Needs" sie haben, also welche Spieler sie benötigen und welche Spieler ein passender "Fit" sind. Sobald eine Mannschaft einen Spieler nicht mehr benötigt oder bessere Optionen sieht, um erfolgreich zu sein, steht der Spieler auf dem Transferblock und es werden passende Trade-Szenarien ausgearbeitet. Dafür gibt es verschiedene Transferfenster vor und während der Saison, um Spieler zu tauschen.
Als Teil eines Trades kann es passieren, dass ein Spieler als Teil eines Pakets zu einem Klub getradet wird, der eigentlich gar nicht dort "benötigt" wird, dann kann er direkt weitergeschickt, weitergetradet werden – wie Dennis Schröder (von den Utah Jazz zu den Detroit Pistons), oder entlassen ("gewaived") werden, wie Daniel Theis von den Oklahoma City Thunder.
Hat Dennis Schröder Recht, wenn er dieses System - die "Trade Deadline" und das Hin- und Herschieben der Spieler ohne ihre Zustimmung als "moderne Sklaverei" bezeichnet?
Es ist zu verstehen, was Dennis Schröder damit sagen möchte, aber leider hat er da in der Wortwahl bzw. im Vergleich total daneben gelegen. Natürlich sind diese Worte aus einer Emotion und direkt in der Kabine nach dem Spiel gefallen - und in dem gesamten Interview sagt er sehr viele richtige Dinge - trotzdem ist sein Vergleich falsch.
Dennis Schröder ist jetzt im zwölften NBA-Jahr und bei seinem zehnten Team und es ist keine einfache Situation für ihn und vor allem für seine Familie. Aber das ist das Los eines NBA-Profis und er kennt das Geschäft in den USA.
Schröder könnte jederzeit seine Karriere beenden und bräuchte nie wieder zu arbeiten. Er hat freiwillig einen 13,9-Millionen-Dollar-Vertrag bei der Liga unterschrieben und spielt freiwillig in den USA Basketball. Das System der NBA und dieser Trades zu hinterfragen oder auch zu kritisieren ist komplett in Ordnung und Schröders Recht, aber die Situation mit Zwangsarbeit, Ausbeutung oder fehlenden Menschenrechten zu vergleichen ist ein Affront. Per Definition ist "moderne Skalverei" übrigens: "...wenn eine Person zum Zweck der wirtschaftlichen Ausbeutung unter der Kontrolle einer anderen Person steht." (via Humanrights)
Bei Brooklyn war Schröder ein Schlüsselspieler, bei Golden State eher nur ein Rollenspieler – was erwartet ihn jetzt in Detroit?
In Brooklyn war Schröder Stammspieler und das System war auf seine Skills, sein Talent ausgelegt. Außerdem war er als Verteran in Brooklyn Leader im Team und Mentor für die jungen Spieler – eine Rolle, die ihm auch bei der deutschen Basketball-Nationalmannschaft liegt und die er mit Leidenschaft ausfüllt.
Bei den Warriors war Schröder nur Rollenspieler, der in einem sehr schwieriges System, das um Superstar Stephen Curry aufgebaut ist, klarkommen musste und dort nicht seine Stärken auf den Court bringen konnte. In Utah hätte Schröder keinen Platz gehabt, deshalb ist ein Trade nach Detroit nur logisch und tatsächlich sogar eine gute Situation für den deutschen Kapitän. Bei den Pistons kann Schröder nach der schweren Verletzung von Aufbauspieler Jaden Ivey wieder Mentor sein, als Veteran seine Erfahrungen ins Team bringen und als Backup hinter und auch neben All-Star-Guard Cade Cunningham wichtige Minuten auf dem Feld bekommen. Die Pistons haben eine junge Mannschaft, die sogar um die Playoffs mitspielt - für den NBA-Titel wird es aber auch hier nicht reichen.
Wäre es nicht gerechter, wenn die Spieler Mitspracherecht bei ihrer Klub-Wahl hätten?
Zum einen gibt es dafür theoretisch eine "No-trade clause", also eine Klausel, nach der man nicht getraded werden kann, im Vertrag. Den können allerdings theoretisch nur Superstars aushandeln und in ihre Verträge reinschreiben lassen. Und selbst dafür müssen verschiedene Parameter erfüllt sein. Die haben aktuell übrigens nur zwei Spieler in der NBA: LeBron James bei den L.A. Lakers und Bradley Beal bei den Phoenix Suns. Fun Fact: Dirk Nowitzki hatte damals bei den Dallas Mavericks auch so einen Passus in seinem Vertrag.
Zum anderen haben wir in den vergangenen Jahren eine Art "Player Empowerment" erlebt. Das heißt, dass das Top-Spieler z.B. auf Wechsel drängen, die Klubs unter Druck setzen und sogar streiken. Zuletzt haben wir das bei Jimmy Butler von den Miami Heat erlebt, der seine Franchise provoziert hat und tatsächlich kurz vor Schluss der "Trade Deadline" (Ende der Wechselfrist) zu den Golden State Warriors geschickt wurde.
Was waren die spektakulärsten Wechsel dieser Player-Empowerment-Ära?
Unter anderem die Entscheidung von LeBron James, von den Cleveland Cavaliers zu den Miami Heat zu gehen (auch bekannt als "The Decision"). Und die Wechsel von Kevin Durant (zu den Phoenix Suns) und Antonio Davis (zu den Los Angeles Lakers) gehören zu den spektakulärsten Momenten der "Player Empowerment"-Ära.
Der Trade von Luka Donic zu den Lakers für Antonio Davis (zu den Dalls Mavericks) konterkariert jetzt dieses "Player Empowerment", denn diese beiden Superstars wussten nichts von dem Wechsel - deshalb erschüttert das ganze Szenario den Profi-Basketball.
Daniel Theis wurde erst nach Oklahoma getradet und dort dann direkt wieder entlassen - was passiert jetzt mit ihm?
Daniel Theis ist nicht arbeits- sondern vereinslos. Er hat einen Vertrag bei der NBA und wird weiterhin sein Gehalt bekommen. Sein Agent wird sich längst auf die Suche gemacht haben nach einem Klub, der jetzt die Dienste von Theis beanspruchen möchte. Dazu haben die Teams 48 Stunden nach "Entlassung" Zeit, danach wird der Deutsche "Unrestricted Free Agent" - Theis könnte dann also zu jedem Klub wechseln, der ihn haben möchte.
Um Theis aufzunehmen, müssen natürlich verschiedene Kriterien erfüllt sein. Es muss eine offene Stelle im Kader geben, unter Umständen muss für Theis ein anderer Spieler entlassen werden, die Klubs dürfen aber auch bestimmte Gehaltsobergrenzen einhalten.
Welche Perspektive hat Theis konkret?
Theis ist ein solider Rollenspieler, der viel Energie und Erfahrung mitbringt - auch wenn ihm für einen "Big Man", einem Center, mit 2,03 Metern eventuell etwas die Länge fehlt. Trotzdem wird Theis erneut in der NBA unterkommen. Wenn das nicht der Fall ist, bekommt er sein Gehalt übrigens ausgezahlt.
Wenn alle Stricke reißen, könnte Daniel Theis auch zurück nach Europa kommen. Sollte das bis zum 26. Februar passieren, könnte er sogar noch in der besten europäischen Liga - der Euroleague - spielen.
Hätte theoretisch auch Franz Wagner getradet werden können – oder sitzt er mit seinem Mega-Vertrag bei den Orlando Magic fest im Sattel?
In der Theorie klar, er hat keine "No-trade clause" in seinem Vertrag. Allerdings ist er ein sogenannter "Franchise Player" bei den Orlando Magic. Das heißt, er ist nicht nur das Gesicht des Klubs, sondern ein Leistungsträger und angehender Superstar für die Magic. In der Kaderplanung gehört Franz Wagner auf jeden Fall langfristig zu den Stützen des Team. Allerdings: Der Trade von Luka Doncic - dem Gesicht und legetimen Nachfolger von Dirk Nowitzki bei den Dallas Mavericks - zu den Lakers hat gezeigt: Alles ist möglich, nichts ist sicher.