NBA-Draft Wembanyama - Lotteriegewinn für die Spurs?
Victor Wembanyama ist in den USA angekommen. Um Frankreichs Ausnahmetalent gab es den größten Hype seit LeBron James, die San Antonio Spurs erhoffen sich in der NBA mit ihm eine Rückkehr zu alten Erfolgen.
Wenn nicht noch irgendetwas Verrücktes passiert - und es müssten schon UFOs über dem Pentagon gesichtet werden - dann wird Victor Wembanyama sich am Donnerstagabend (22.06.2023) kurz nach 20 Uhr amerikanischer Ostküstenzeit, beim NBA-Draft den San Antonio Spurs anschließen. Und einer der längsten Prologe der US-Sportgeschichte geht zu Ende.
Dass Wembanyama, das Super-Talent aus Frankreich in die NBA wechseln wird, stand schon längst fest. Dass er in San Antonio landet auch, seit die Spurs bei der Draft-Lottery im Mai den Nummer-eins-Pick und damit das große Los gezogen hatten. Vor kurzem hat "ESPN" sogar einen Reporter in Paris ins schicke Viertel Neuilly losgeschickt, wo Wembanyama zu Hause ist. Die Marktfrau kam zu Wort, die ihn immer mit frischem Obst versorgt, Mangos und Trauben hat er am liebsten. Sein Lieblingsmetzger Imad, bei dem er mittags oft Hühnchen isst, zeigte sich besorgt: So ein gutes Fleisch wie hier werde "Wemby" in den USA wohl nicht bekommen.
"Wemby"-Hype in den USA
Dieses Problem wird sich wohl klären lassen, im Barbecue-verliebten Texas. Viel spannender dürfte aber eine andere Frage sein: Wie wird ein 19 Jahre altes Talent, das als größte Basketball-Sensation der vergangenen zwei Jahrzehnte gilt, mit dem großen Hype um seine Person klarkommen? Seine bevorstehende Ankunft in der NBA wurde in den US-Medien schon vorab zum historischen Ereignis ausgerufen. Ähnlich gute Voraussetzungen hätten nur Kareem Abdul-Jabbar oder LeBron James mitgebracht, hieß es auf den Sportkanälen. Also die beiden Spieler, die später zu den größten Scorern der NBA-Geschichte wurden.
Die Spiele von Wembanyamas Pariser Klub Metropolitans 92 waren in der vergangenen Saison als Stream in der NBA-App zu sehen. Bei einer Showveranstaltung in Las Vegas gegen eine G-League-Auswahl machte Wembanyama 73 Punkte, in insgesamt 70 Minuten auf dem Parkett. LeBron James nannte das Wunderkind, das neben seiner enormen Größe von 2,20 Metern auch extrem beweglich ist und Distanzwürfe in Serie versenkt, einen "Alien".
Spurs mit Coach Popovich - beste Adresse für Wembanyama
Wenn sich die NBA mit ihrer gigantischen Marketing-Maschinerie auf einen 19 Jahre alten, bislang relativ behüteten Spieler aus dem Ausland stürzt, dann kann einem das schon etwas Angst machen. Doch wenn man sich andererseits einen Klub aussuchen könnte, der am besten dafür geschaffen wäre, ein Jahrhundert-Talent wie Wembanyama behutsam aufzubauen, dann sind das wohl die San Antonio Spurs.
Die Spurs haben Trainerlegende Gregg Popovich an der Seitenlinie. Popovich, fünfmal Meister mit den Texanern, hat wie kein zweiter NBA-Headcoach Erfahrung darin, Top-Talente zu NBA-Stars zu entwickeln: Angefangen bei David Robinson und Tim Duncan, San Antonios legendären "Twin Towers", ihrerzeit ebenfalls als Nummer-eins-Pick im Draft ausgewählt. Aber auch Talente aus dem Ausland, die nicht das US-System durchlaufen hatten, wie Manu Ginobili und Tony Parker, die bei den Spurs ebenfalls zu Weltstars und NBA-Champions wurden. Ginobili begrüßte die Nachricht vom Nummer-eins-Pick bei der Lottery, der den Zuschlag für Wembanyama bedeutete, bei Twitter mit einem fetten "Yesssssss" und dem Hashtag "GoSpursGo".
Spurs-Legenden Duncan, Ginobili, Parker als Mentoren
Ginobili gehört zu den Spurs-Legenden, die dabei helfen sollen, den wohl größten Rohdiamanten des Basketballs an die besonderen Herausforderungen in der NBA heranzuführen. Auch der Franzose Tony Parker, schon allein wegen seiner Herkunft ein wichtiger Ansprechpartner für Wembanyama, und Tim Duncan sollen den jungen Franzosen unterstützen. Als Mentor, womöglich auch als Schutzschirm gegenüber den schon jetzt überschnappenden US-Medien.
Der 2016 zurückgetretene Duncan hatte eigentlich schon mit dem Basketball abgeschlossen. Die Aussicht, mit Wembanyama zu arbeiten, gemeinsam mit Coach Popovich, soll ihn nun doch wieder zurück in die Trainingshalle gelockt haben, hieß es aus San Antonio. Unter Popovich reifte Duncan vor allem zu einem Mastermind in der Defensive, von Duncans Erfahrung soll nun auch auch der junge Center aus Frankreich mit seiner enormen Arm-Spannweite von über 2,40 Metern profitieren.
Sorge um Verletzungen beim 2,20-Meter-Riesen
Defensiv starke "Big Men" waren schon in der Vergangenheit ein Markenzeichen von San Antonios Meister-Mannschaften. Diese Tradition soll nun Wembanyama fortführen: Ein neuer Anker bei den Spurs, die mit dem Jungstar wieder an alte Erfolge anknüpfen wollen: "Ich hoffe, dass wir mit ihm wieder zurück nach oben kommen", sagte Tony Parker gegenüber französischen Medien. "Aber das Wichtigste für ihn ist: Ich hoffe, dass er gesund bleibt."
Damit sprach Parker einen neuralgischen Punkt an: Gerade besonders groß gewachsene Spieler gelten als verletzungsanfällig, vor allem im strapaziösen NBA-Betrieb mit 82 Spielen innerhalb von sechs Monaten. Wembanyama hatte bei den Metropolitans in Paris einen persönlichen Fitness-Coach, Guillaume Alquier, der ihn auf den Wechsel in die NBA vorbereitete und auch die körperliche Entwicklung genau im Auge behielt: nicht zuviel Muskelmasse aufbauen, um die Gelenke zu schonen, aber auch, um nicht an Beweglichkeit einzubüßen.
Spurs-Coach Popovich wiederum gilt als ein Trainer, der seit jeher auf das richtige "Load Management" achtet, auf die bewusste Dosierung von Einsätzen und Spielzeit. Es wird erwartet, dass er auch Wembanyama die Zeit gibt, die er braucht. Schließich ist der neue Hoffnungsträger gerade einmal 19. Da bleiben ihm und den Spurs genug Zeit für Titel.