Final-MVP Nikola Jokic Der NBA-Superstar der anderen Art
Als zuverlässiger Lieferant von Punkten, Pässen und Rebounds führt Nikola Jokic die Denver Nuggets zum ersten NBA-Titel - als wäre seine Karriere nicht schon erstaunlich genug.
Als die Fans der Denver Nuggets den ersten NBA-Titel feierten und die Basketballer auf der Bühne mit dem Pokal in der Mitte "We are the champions" schmetterten, stand Nikola Jokic am Rand der Gruppe. Mit seiner kleinen Tochter Ognjena auf den Schultern und fast als einziger noch im weißen Trikot statt dem schwarzen Meister-T-Shirt wirkte der 28 Jahre alte Serbe in der letzten Reihe beinahe schon verlegen.
Wenig ist dem besten Spieler seiner Mannschaft so unangenehm, wie im Mittelpunkt zu stehen. Als wertvollster Spieler (MVP) der Finalserie bekam er am Montagabend (12.06.2023/Ortszeit) aber größtmögliche Aufmerksamkeit - und der Rummel um ihn dürfte nach seinem ersten NBA-Titel erstmal kaum weniger werden.
Jokic hebt Teamleistung hervor
"Es war ein großartiger Einsatz des Teams", sagte Jokic nach dem entscheidenden 94:89 gegen die Miami Heat. "Es gibt so viele Faktoren. Ich bin einfach glücklich. Es fühlt sich gut an. Der Job ist erledigt, wir können jetzt nach Hause gehen."
Mit dem notwendigen vierten Sieg im fünften Spiel der Serie machten die Nuggets alles klar. Jokic hatte mit 28 Punkten und 16 Rebounds einmal mehr den größten Anteil. "Wir lieben ihn", sagte sein Trainer Michael Malone. Mit seiner bodenständigen, fairen und humorvollen Art ist Jokic ligaweit geschätzt.
Erneut MVP der Finals
Mit einem Schnitt von 30,2 Punkten, 14 Rebounds und 7,2 Vorlagen überragte Jokic gegen die Heat wie zuvor schon die ganzen NBA-Playoffs hindurch. Der Titel als wertvollster Spieler der Finals war dementsprechend keine Überraschung. Niemand verbuchte in den Playoffs mehr Punkte, Vorlagen oder Rebounds als der Nuggets-Center, der 2021 und 2022 bereits zum wertvollsten Spieler der Hauptrunde gewählt worden war.
Für die Sport-Fans in Serbien, die mitten in der Nacht mitfieberten, war es keine zwei Tage nach dem Rekordsieg von Tennis-Profi Novak Djokovic bei den French Open der nächste Grund zum Feiern. Spätestens jetzt dürfte Jokic zu einer Ikone in seiner Heimat aufgestiegen sein.
Wenig Tempo, viel Ertrag
Dabei wirkt er mitunter wie der langsamste beste Spieler der Welt. Womöglich aber ist er genau deswegen aktuell besser als alle anderen - weil er es wie nur wenige schafft, diesem Hochgeschwindigkeitssport sein eigenes Tempo aufzuzwingen. Luka Doncic von den Dallas Mavericks kann das ebenfalls, Superstar LeBron James (Los Angeles Lakers) auch. In den vergangenen Monaten aber hatte niemand solch eine Kontrolle über den Rhythmus so vieler Partien wie die Nummer 15 im Trikot der Nuggets.
Jokic war nie wirklich schnell. Weil es dazu Fotos von ihm als übergewichtigem Jungen gibt und er auch zu Beginn seiner NBA-Karriere alles andere als austrainiert wirkte, haftete ihm lange ein Stigma an: zu viele Kilos und zu wenig Athletik. "Sie haben ihn als pummeligen Teenager beschrieben. Aber damit haben sie ihn unterschätzt", sagte Nuggets-Besitzer Stanley Kroenke bei der umjubelten Siegerehrung.
Fit wie nie
Noch immer ist der heute 28-Jährige von definierten Oberarmen wie denen von NBA-Star Giannis Antetokounmpo weit entfernt. Doch die Experten sind sich einig: So fit wie in dieser mit dem Titel gekrönten Saison war Jokic noch nie. Anthony Davis, Rudy Gobert, Bam Adebayo - alle seine Gegenspieler hatte Jokic in diesen Playoffs durch Ausdauer und nicht enden wollende Energie im Griff.
Wenn er will, kann Jokic durchaus über den ganzen Platz sprinten, auch im letzten Viertel - er muss nur einen Sinn darin erkennen. Ansonsten kommandiert er den Ball eben so übers Feld, wie er es für richtig hält. Gegenmittel gibt es kaum: Jokic ist 2,11 Meter groß, etwa 130 Kilogramm schwer, hat das Ballgefühl eines Aufbauspielers und dazu Wurfgefahr von jenseits der Drei-Punkte-Linie ebenso wie dicht am Korb.
Dazu kommt ein äußerst präzises Passspiel. Als die Nuggets auf dem Weg zum Titel im ersten Viertel aus einem 0:5 ein 12:5 machten, versuchte Jokic nicht einmal, selbst zu werfen. Seine Pässe aber brachten seine Mitspieler in die notwendige Position.
75 Prozent Trefferquote
Bevor das Konfetti von der Hallendecke geschossen wurde und die große Party in Denver begann, hatte Jokic schließlich 16 Mal auf den Korb geworfen. Zwölf der Versuche gingen rein. Eine Wurfquote von 75 Prozent bei mehr als 40 Minuten auf dem Feld? In dieser Liga abnormal. "Man kann das nicht wirklich in einen Kontext setzen", sagte Teamkollege Michael Porter Jr. "Die Leute verstehen nicht, wie gut er als Basketballer ist."
Durch den Titel wissen es aber nun zumindest einige mehr. Auch wenn Jokic das selbst wohl gar nicht so recht ist.