Wintersport-Podcast der Sportschau Johannes Lochner: "Francesco soll sich den Pokal nochmal genau anschauen"
Sportschau: Johannes Lochner, bei Olympia in Peking hast du doppelt Silber geholt. Wie war es für dich vor Ort - hattest du im Gefühl, dass diese Spiele so erfolgreich für dich werden könnten?
Johannes Lochner: Wir waren ein halbes Jahr vorher zum Testen da und da habe ich schon gemerkt, dass ich mich sofort zuhause gefühlt habe auf der Bahn. Ich glaube, man hat als Bob-Pilot relativ schnell ein Gefühl für die Bahn, und weil die Trainingszeiten dann auch noch einigermaßen gut waren, war mir schon im Oktober bewusst, dass es auf jeden Fall eine Medaille werden muss.
Sportschau: Wie entscheidend ist es denn für euch, die Bahn vorher zu kennen?
Lochner: Extrem. Du kannst dein Material nur perfekt auf die Bahn abstimmen, wenn du sie vorher auch mal gefahren bist. Die Bahn in China hat einen ganz anderen Charakter gehabt als jene, die wir sonst kennen. Wir haben dann sogar einen Simulator anhand der Architektur der Bahn gebaut, so dass wir zumindest mal ein Grundgefühl hatten. China ist eben auf der anderen Seite der Welt - da kannst du nicht mal eben hinfahren und dir das anschauen.
Sportschau: Die Spiele 2018 in Pyeonchang sind enttäuschend für dich gelaufen. Als Viererbob-Weltmeister bist du angereist, um dann keine Medaille zu holen: Wie hast du dich trotzdem motiviert weiterzumachen?
Lochner: Naja, das war erstmal ziemlich deprimierend und du zweifelst dann schon an dir selbst, weil wir nicht nur amtierende Weltmeister waren, sondern auch Gesamt-Weltcup-Sieger in dem Jahr. Mir war also eigentlich klar, dass ich da rüberfahre und gewinne. Das war meine persönliche Einstellung, und mit der bin ich auch in die Bahn gegangen. Dann war der Druck aber anscheinend doch zu groß, und dann verfährst du es halt. Beim Bobsport musst du, so sagen wir es immer, mit dem Arsch fahren. Du musst auf dein Gefühl hören und den Schlitten laufen lassen. Wenn du etwas zu viel willst und zu verkrampft fährst, dann geht´s halt nicht.
Sportschau: … und das ausgerechnet bei den Olympischen Spielen.
Lochner: … wo es halt nicht passieren soll. Da musste ich lange mit mir hadern, ob ich weitermachen soll oder nicht. Ich habe eigentlich gesagt, ich will einmal zu Olympia, hole mir da eine Medaille ab wie mein Onkel damals. Ich habe ja nebenher Elektrotechnik studiert und wollte eigentlich arbeiten. Dann habe ich mit Freunden, Familien, Sponsoren besprochen, dass es das nicht sein konnte und wir es besser machen wollen in China 2022.
Sportschau: Zitat Johannes Lochner: "Man muss das Ziel immer vor Augen haben."
Lochner: … genau. Es ist in den Randsportarten halt einfach so, dass du alle vier Jahre diesen einen Moment hast und der muss klappen. Deshalb tust du vier Jahre nichts anderes, als für diese Olympia-Medaille zu arbeiten.
Sportschau: Was man dabei nicht vergessen darf: der Bobsport ist unfassbar teuer. Du unterhältst ja quasi ein kleines Unternehmen mit deinen Anschiebern …
Lochner: Ja genau. Das ist ein Fulltime-Job. Du musst alles selbst finanzieren und planen. Das kennt man so aus anderen Sportarten nicht, wo es einen Cheftrainer gibt. Wir organisieren uns selbst, treten mit unserer Mannschaft an und wenn wir uns nicht qualifizieren, dann fahren wir halt nicht.
Sportschau: Was kostet dich eine Saison?
Lochner: Mein Budget liegt ungefähr bei 150-000 Euro. Die müssen auf jeden Fall reinkommen, und dann ist noch nicht viel dran verdient. Mit fünf oder sechs Mann in der Mannschaft, die ganzen Reisen, die Trainingslager, das frisst schon ein großes Loch in den Geldbeutel.
Sportschau: Francesco Friedrich ist 2018 und 2022 Olympiasieger geworden. Er ist also dein schärfster Konkurrent. Ihr seid gleich alt: wünscht man sich, dass der Franz, wie ihr ihn nennt, einfach mal die Kufen an den Nagel hängt und euch den Vortritt lässt?
Lochner: Nein, ich will ihn schon in der Bahn besiegen. Das war auch der Grund, warum ich nach Olympia nochmal weitergemacht habe. Ich sehe meine Chance in St. Moritz bei der Weltmeisterschaft. Da werden wir uns hoffentlich nochmal einmal um Gold duellieren können.
Sportschau: Und das obwohl du gar nicht mehr so richtig wusstest, ob du diese Saison wieder in den Bob steigst. Woher kamen diese Zweifel?
Lochner: Für mich war immer klar, dass das Bobfahren wie ein Hobby für mich ist. Es hat mir Spaß gemacht und deshalb habe ich es gemacht. Das Ziel war nie, damit berühmt zu werden, sondern es hat mir Spaß gemacht, den Kanal runter zu rutschen.
Ich habe kurz vor Olympia in Peking meinen Master in Elektrotechnik fertiggemacht und dann war eigentlich klar, ich fahr jetzt noch zu Olympia und hocke mich dann hinter den Schreibtisch und arbeite. Dann ergab sich das aber im Sommer, dass ich mich entscheiden habe nochmal Bob zu fahren. Erstens wollte ich Francesco Friedrich schlagen und zweitens gibt es jetzt wieder eine Übersee-Saison, wo wir wegen Corona jetzt zwei Jahre nicht waren. Drittens wollte ich ein Haus kaufen und das hat alles nicht so funktioniert und dann habe ich gesagt: "Egal, jetzt machen wir noch eine Saison".
Sportschau: Gibt es zum Abschluss noch etwas, das du Francesco Friedrich noch sagen möchtest?
Lochner: Er soll sich den Weltcup-Pokal nochmal ganz genau anschauen. Im nächsten Jahr steht er nämlich woanders.