Tischtennis-Weltmeisterschaft Entzündete Schulter verhindert Timo Bolls WM-Teilnahme
Ab dem 20. Mai versammelt sich die Tischtennis-Weltelite im südafrikanischen Durban, zur ersten Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent. Einer der Top-Stars aber fehlt: Timo Boll.
Schon seit Jahresbeginn quält sich der Rekord-Europameister mit massiven Schulterproblemen, hat bereits seit zweieinhalb Monaten kein Match mehr bestritten. Seine WM-Absage - unausweichlich. Es könnte eine Absage werden, deren Folgen bis zu Olympia in Paris reichen.
Seit Ende Februar keinen Schläger in der Hand
Es war ein Anblick, der ganz viel darüber erzählte, wie es Timo Boll über viele Wochen ging: Finale der Tischtennis-Champions-League Anfang April. Anstatt sein Team Borussia Düsseldorf im Kampf um Europas Vereinskrone an der Platte zu unterstützen, sitzt der 42-Jährige nur auf der Bank, ist zur Tatenlosigkeit verurteilt. Nicht einmal richtig klatschen kann er nach erfolgreichen Ballwechseln seiner Mannschaftskollegen, weil die linke Schulter zu sehr schmerzt.
Eine Entzündung, die Timo Boll schon länger verfolgt. "Die Problematik war auch 2022 schon da, zu Jahresbeginn wurde sie immer größer. Timo hat sich von Spiel zu Spiel gequält", erklärt Bundestrainer Jörg Roßkopf, seit vielen Jahren ein ganz enger Vertrauter des ehemaligen Weltranglisten-Ersten.
Bolls bislang letztes Wettkampf-Match war Ende Februar. Seitdem hat er praktisch überhaupt keinen Schläger mehr in der Hand gehabt. "Wenn Timo seinen Schlagarm nach rechts bewegt, tat es sofort weh. Warum, das ist alles ein Rätsel. Immerhin hat man bei der letzten MRT-Untersuchung keine Entzündung mehr sehen können. Das gibt uns Hoffnung", sagt Roßkopf.
Keine WM ohne Training
Entsprechend ist eine Teilnahme bei der am 20. Mai beginnenden Weltmeisterschaft überhaupt keine Option, wie Boll heute (09.05.2023) selbst mitteilte. "Eine WM ist eine zu große Veranstaltung, als dass man dort praktisch ohne Training und Vorbereitung antreten könnte, zudem wäre es auch nicht fair gegenüber meinen Kollegen, die sich die Teilnahme verdient haben und denen ich viel Glück und Erfolg wünsche." Statt Boll wird Abwehrspezialist Ruwen Filus den letzten Startplatz beim Jahres-Highlight in Durban erhalten. Bereits zuvor nominiert waren Einzel-Europameister Dang Qiu, Dimitrij Ovtcharov, Patrick Franziska und Benedikt Duda.
Es ist überhaupt erst das zweite Mal, dass Timo Boll seit seiner WM-Premiere 1997 eine Einzel-Weltmeisterschaft verpassen wird. An die vorerst letzte hat der deutsche Rekordmeister besondere Erinnerungen. November 2021 in Houston/Texas. Auch da macht der eigene Körper Timo Boll heftig zu schaffen. Mit einer Bauchmuskelzerrung quält er sich durch das Turnier. Aus spielerischer Sicht aber ist seine Form perfekt. Trotz der Schmerzen erreicht der Deutsche das WM-Halbfinale, gewinnt die Bronze-Medaille. Einer der Höhepunkte in Bolls an Erfolgen so reichen Karriere.
Problem: Verfallende Weltranglistenpunkte
Diese Medaille und die damit verbundenen Weltranglisten-Punkte sorgen dafür, dass Timo Boll in der aktuellen Weltrangliste immerhin noch Rang 18 belegt. Doch nach der WM verfallen diese 700 Zähler. Der Odenwälder dürfte damit im Ranking zurückfallen auf eine Platzierung zwischen 35 und 40. So weit unten stand er seit mehr als 20 Jahren nicht mehr.
Das bringt Probleme mit sich, weil der Deutsche dadurch auch seine automatische Startberechtigung für die ganz großen Turniere einbüßt, so teilweise auf Wildcards hoffen muss, um dort dabei zu sein. "Wir rechnen damit, dass Timo im Sommer, wegen der dann verfallenden Punkte, sogar noch weiter zurückfallen wird", hat der Bundestrainer das alles schon einmal durchgerechnet.
Entsprechend muss Boll dann teilweise vielleicht sogar den Umweg über die Qualifikation gehen, um sich die Teilnahme im Hauptfeld zu sichern. "Das könnte eine schwere Zeit für Timo werden. Die Spieler, mit denen er es da zu tun haben würde, die kennt er gar nicht aus direkten Duellen. Aber da muss er durch. Das kann sicherlich auch ein neuer Anreiz sein", blickt Jörg Roßkopf voraus.
Der Bundestrainer kann sich genau in seinen Top-Spieler hineinversetzen. Er ist selbst in seiner Karriere mal ein komplettes Jahr lang wegen einer Schulterverletzung ausgefallen. Und trotzdem stark danach zurückgekommen.
Comeback geplant bei den European Games
Das will auch Timo Boll. Wenn die Schulter seines Schlagarms es zulässt, soll der 42-Jährige sein Comeback bei den European Games in Krakau ab dem 21. Juni feiern. Langfristiger Orientierungspunkt aber ist Paris 2024. "Es war immer klar, dass ich in meinem Alter Prioritäten setzen muss. Und mein Ziel sind die Olympischen Spiele. Dort möchte ich topfit sein und bestmöglich angreifen", blickt der Linkshänder schon jetzt weiter in seine Zukunft. Es wäre Timo Bolls siebte Olympia-Teilnahme.
Zuerst einmal aber muss die Schulter vollständig ausheilen. Verschiedene Therapieformen wurden ausprobiert, und nach langem Warten scheint eine anzuschlagen. "Innerhalb der vergangenen drei bis vier Tage hat sich sein Zustand deutlich verbessert. Wir haben die Hoffnung, dass die Verletzung bald endlich ausgestanden ist", versucht sich Roßkopf in Optimismus.
Was die Olympia-Teilnahme des Routiniers 2024 angeht, sowieso. "Wenn man einem Timo Boll da nicht die Tür auflässt, wem denn dann?" Allerdings dürfen im Einzel-Wettbewerb von Paris, aufgrund einer neuen Regel des Weltverbandes, nur die beiden jeweils in der Weltrangliste bestplatzierten Spieler eines jeden Landes starten. Und davon ist Boll nach der langen Wettkampfpause so weit entfernt, wie noch nie in seiner langen Karriere.