Tennis-Tennie Coco Gauff "Summer of Coco" im US-Open-Finale
Sie ist noch ein Teenager. Doch Coco Gauff trägt bereits die Hoffnungen der großen Tennis-Nation USA auf ihren zierlichen Schultern. Nun steht sie erstmals im US-Open-Finale - und könnte dort ihren Sommer krönen.
Der Sommer 2023 ist in den USA kein außergewöhnlicher. Im Frauen-Tennis hingegen gilt er als "Summer of Coco". Gemeint ist Cori Dionne Gauff, von allen nur "Coco" genannt. Die 19-Jährige aus Florida ist die überragende Spielerin dieser Jahreszeit - und steht nach einem 6:4, 7:5-Halbfinalsieg gegen die Tschechin Karolina Muchova erstmals im Endspiel der US Open.
Sie habe die US Open sehr oft im TV gesehen. Deshalb bedeute es ihr nun "so viel", hier im Finale zu stehen, sagte Gauff im Sieger-Interview auf dem Platz. Ja, sie würde das gerne feiern, aber der Job sei eben noch nicht erledigt, betonte Gauff.
Gauff in New York - Jubel, Herzen, Liebe
Als beim Matchball die Rückhand von Muchova einige Zentimeter hinter der Grundlinie aufkam, riss Gauff ihren Mund weit auf. Mit ihr jubelten mehr als 23.000 Fans im Arthur Ashe Stadium.
Gauff hielt ihren rechten Zeigefinger ans rechte Ohr, um dem Publikum zu signalisieren: "Ich kann euch nicht hören." Anschließend formte sie mit beiden Daumen und Zeigefingern ein Herz.
Es ist Liebe, was sich in diesen Tagen zwischen ihr und den Fans beim letzten Grand Slam-Turnier des Jahres abspielt. Seitdem Serena Williams vor einem Jahr ihre außergewöhnliche Karriere beendet hat, suchen sie in Amerika nach einem neuen Tennis-Liebling. Es scheint, als hätten sie ihn in Coco Gauff gefunden.
Amerikas jüngste US-Open-Finalistin seit Serena Williams
"Bei einigen Punkten war es so laut, da hatte ich Angst um meine Ohren", lobte Gauff nach ihrem Halbfinal-Erfolg die Fans. Sie im Endspiel, das sei "verrückt", meinte die Nummer sechs der Setzliste. In einem so jungen Alter wie Gauff hatte seit Serena Williams 2001 keine US-Amerikanerin mehr in einem US-Open-Finale gespielt.
Und wer hätte daran vor zwei Monaten geglaubt? Ach was. Wer hätte damals dieser Coco Gauff wohl allen ernstes zugetraut, überhaupt ein Match dieser US Open zu gewinnen? Sie war schließlich gerade in der ersten Runde in Wimbledon gegen die Qualifikantin Sofia Kenin ausgeschieden.
Durchbruch 2019 in Wimbledon
Vor vier Jahren war Gauff in Wimbledon noch die große Sensation, hatte 2019 im Alter von 15 Jahren und drei Monaten als jüngste Spielerin der Turniergeschichte das Hauptfeld erreicht. Dort besiegte sie in der ersten Runde die fünfmalige Wimbledon-Gewinnerin Venus Williams in zwei Sätzen - und schaffte es sogar bis ins Achtelfinale.
Amerika schaute gespannt und begeistert zugleich zu. Ihre vier Wimbledon-Partien brachten "ESPN" an den jeweiligen Tagen der ersten Turnierwoche die besten Einschaltquoten. Und nun saß sie Anfang Juli 2023 allein in der Umkleide in Wimbledon, weinte und wusste nicht mehr weiter.
Berater Brad Gilbert als Glücksgriff
Gauff flog zum Turnier nach Washington. In der US-Hauptstadt gehörte erstmals Brad Gilbert zu ihrem Team. Gilbert, der einst Andre Agassi zu sechs Grand Slam-Titeln geführt hatte, war als Berater dabei, sollte den spanischen Trainer Pere Riba unterstützen. Es war der Anfang zum "Summer of Coco".
Brad Gilbert, Berater von Coco Gauff
Gauff gewann Washington und feierte somit ihren größten Erfolg der bisherigen Karriere. Die Frau, die zuvor einfach nicht gegen Top-Spielerinnen gewinnen konnte, besiegte in Belinda Bencic, Liudmila Samsonova und Maria Sakkara plötzlich nacheinander drei Profis aus den Top 20.
Sieg gegen Swiatek mental wichtig
Die Niederlage im Viertelfinale von Toronto gegen ihre Doppel-Partnerin Jessica Pegula ist bis jetzt die einzige Niederlage des Sommers auf nordamerikanischen Plätzen. Denn in Cincinnati ging ihre Formkurve bei der Generalprobe zu den US Open steil nach oben. Im Halbfinale besiegte Gauff sogar Branchenprimus Iga Swiatek.
Nach ihrem Finaltriumph in Cincinnati gegen Karolina Muchova schrieb die "USA Today", dass Gauff "die Favoritin für die US Open sein könnte." Sechs Siege später spielt Gauff am Samstag gegen Aryna Sabalenka um ihren dritten Turniersieg innerhalb von 40 Tagen. "Das Wichtigste, was ich diesen Sommer gelernt habe, ist, dass ich nicht mein allerbestes Tennis spielen muss, um zu gewinnen", sagt Gauff.
Coco Gauff im Halbfinale der US Open.
Von der Draufschlägerin zur Problemlöserin
Diese Erkenntnis ist ein Zeugnis der Arbeit von Brad Gilbert. Agassi bezeichnete ihn einst als "besten Trainer aller Zeiten." Gauff hebt hervor, dass Gilbert ihr gezeigt habe, unabhängig vom Ausgang eines Matches Spaß zu haben. Und er habe ihr klar gemacht, selbst in schweren Momenten, "das Elend des Tennis mit offenen Armen anzunehmen."
Chris Evert, ehemalige Weltklassespielerin und jetzige "ESPN"-Kommentatorin, bescheinigte Gauff nach dem Halbfinalsieg gegen Muchova, eine "Problem-Löserin" geworden zu sein. Vor nicht allzu langer Zeit, so Evert, habe Gauff nur eine Spielweise gehabt: "hit, hit, hit." Soll heißen, sie habe lediglich draufgeschlagen.
Zweites Grand Slam-Finale für Gauff, erster Titel?
Das US-Open-Finale wird das zweite Grand-Slam-Endspiel für Gauff. Im Vorjahr hatte sie um den Turniersieg bei den French Open gespielt, war aber gegen Iga Swiatek beim 1:6, 3:6 überfordert.
Ihr Selbstvertrauen sei nun aber riesig, sagt Gauff - bei einer Bilanz von mittlerweile 17:1-Siegen ist das jedoch kein Wunder. Brad Gilbert wird wieder in ihrer Box sitzen. Es spricht vieles in diesem Endspiel für Coco Gauff, die ihren sensationellen Sommer mit einem Sieg krönen könnte.