Vor den French Open Struff und Zverev - die deutschen Hoffnungsträger in Paris
Bei den French Open stehen aus deutscher Sicht vor allem Alexander Zverev und Jan-Lennard Struff im Blickpunkt der deutschen Tennisfans. Beide starten mit völlig unterschiedlichen Voraussetzungen ins Turnier.
Beim Turnier in Genf ließ sich Alexander Zverev Senior in der Spielerbox wieder sehen. Als Sonnenschutz nutzte er eine Jacke, die er halb über seinen Kopf gehängt hatte. Aus modischen Gesichtspunkten war die Wahl der Mittel eher zu vernachlässigen. Aber dem 63-Jährigen geht es vor allem um pragmatische Lösungen. Und das war auch stets so, als er seinen hochtalentierten Sohn Alexander Junior in die Weltspitze geführt hat. Ohne Schnörkel, ohne Girlanden.
Tennis als nüchternes Ergebnisspiel. Und wer das Sagen hat, ist auch klar. "Papa ist immer noch der Häuptling", sagte Zverev noch vor ein paar Monaten. Alexander hatte es immer mal wieder mit anderen Tennislehrern versucht. Mit Ex-Weltstar Ivan Lendl etwa. Zuletzt mit Ex-Profi Sergi Brugera. Im Hintergrund zog Alexander Senior aber weiter die Fäden, auch wenn er krankheitsbedingt kürzer treten musste.
Vater Zverev wieder alleiniger Coach
Nun, unmittelbar vor den French Open, trainiert der Vater den Sohn wieder. Das gab Alexander Junior am Samstag (27.05.2023), einen Tag vor Beginn des Grand-Slam-Turniers in Paris bekannt. Ex-French-Open-Sieger Brugera ist Geschichte.
"Er ist nicht mehr mit dabei. Wir haben nach Madrid entschieden, dass wir aufhören. Wir hatten nicht dieselbe Meinung dazu, in welcher Art ich nach der Verletzung Tennis spielen soll", sagte der Junior. Und er begründete damit indirekt, weshalb er nach seinem sieben Monate andauernden, verletzungsbedingten Ausfall wegen eines Bänderrisses in Paris vor einem Jahr noch nicht wieder richtig auf die Beine gekommen ist.
Harris ist weit zurückgefallen
Da trifft es sich ganz gut, dass Alexander Senior nun wieder Zeit, Muße und die Kraft hat, seinen Sohn auf den möglichst erfolgreichen Weg zurückzuführen. Zurück zu den krachenden Schlägen, den humorlosen Punkten, der Gradlinigkeit, mit der Alexander Junior einst (fast) nach ganz vorne stürmte. Gegen den Südafrikaner Lloyd Harris kann Zverev Junior in seiner 1. Runde bei den French Open am Montag (29.05.2023) direkt zeigen, dass er von seinem Vater neue Impulse bekommen hat.
Aktuell ist Harris lediglich die Nummer 306 der Weltrangliste. Doch unterschätzen sollte Alexander Junior den 26-Jährigen nicht. Noch vor zwei Jahren war Harris die 31 der Weltrangliste, litt unter einer schweren Handgelenksverletzung, musste lange pausieren und fiel weit zurück. Aber auch darauf wird Papa Zverev den Sohnemann sicherlich hinweisen.
Harte Auslosung für Struff
Die Szenen, die sich beim 2:2 von Borussia Dortmund gegen den 1. FSV Mainz 05 rund um Jan-Lennard Struff, der am Samstag bereits in Paris weilte, abgespielt haben müssen, werden wohl nicht so schnell in die Öffentlichkeit dringen. Schließlich ist der derzeit beste deutsche Tennisprofi (Platz 26 in der Weltrangliste und damit eine Position vor Alexander Zverev) seit seiner Kindheit eingefleischter BVB-Fan. Der vergangene Samstag dürfte sich deshalb als rabenschwarzer (Sport-)Tag in das Leben vieler BVB-Fans und in das des 33-Jährigen einbrennen.
Allerdings ist Struff ja selbst Profisportler und hat im Laufe seiner langen Karriere gelernt, mit derlei Pleiten umzugehen - auch wenn diese ihn in Mark und Bein getroffen haben dürfte. Er selbst stand zuletzt ja schließlich auch in einem Finale, im Endspiel vom Madrid. Der größte Erfolg seiner Zeit auf den internationalen Tennisplätzen. Beim 1.000er Turnier - eine Kategorie unter den Grand Slams -unterlag er auf der roten Asche Carlos Alcaraz knapp in drei Sätzen. Aber im Gegensatz zu den Dortmundern kann Struff aus dieser Pleite viele positive Aspekte ziehen.
Kein Geld rauspulvern
Er hat bewiesen, dass man sich auch in höherem Alter noch auf allerhöchstes Niveau heraufarbeiten kann. Auch nach langen, mehrmonatigen Verletzungen, weswegen er im vergangenen Jahr auf die Teilnahme in Paris verzichten musste.
580.000 Euro Preisgeld hat Struff für diesen Erfolg bekommen, die höchste Prämie, die er bislang ausbezahlt bekommen hat. "Ich bin nicht darauf gepolt, das Geld rauszupulvern. Ich kaufe mir auch nichts von den Preisgeldern. Mir geht’s finanziell schon gut, und ich lebe bescheiden", sagte Struff.
Bestes Tennis seines Lebens?
Und die nächsten größeren Erfolgsprämien könnten bald folgen. In Paris wird der gebürtige Warsteiner nun von manch einem Experten als "Geheimfavorit" gehandelt. Nicht zu unrecht, schließlich spielt er derzeit wohl das beste Tennis seines Lebens: Seine Volleys sind zwingend und gefährlich, sein Grundlinienspiel ist überaus solide. Seine Aufschläge sind durchdringend und finden häufiger ihr Ziel als in der Vergangenheit. "Wir arbeiten sehr, sehr viel an meiner Aufschlagquote", sagte Struff unlängst. Im Gegensatz zu Zverev hat Struff sein Trainerteam um Carsten Arriens seit längerer Zeit gefunden.
In Paris muss Struff gegen den talentierten, 21 Jahre alten Jiri Lehecka antreten. Beide kennen sich gut, haben in Großhesselohe gemeinsam in der Bundesliga gespielt. Der Tscheche ist derzeit die Nummer 40 der Welt. Glück mit seiner Auslosung hatte Struff sicherlich nicht in diesem Jahr in Paris.
Struff und auch Zverev wissen zudem, dass sie die großen Hoffnungen der deutschen Tennisfans in Paris sind. Was die Aufgabe für beide nicht gerade leichter macht.