Iga Swiatek

Doping im Tennis Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Stand: 29.11.2024 13:09 Uhr

Iga Swiatek ist positiv auf Trimetazidin getestet worden. Sie hat der Tennis-Anti-Doping-Behörde glaubhaft versichern können, nicht wissentlich gedopt zu haben. Für das Tennis ist diese zweite große Doping-Nachricht innerhalb weniger Monate jedoch eine Katastrophe.

Von Andreas Thies

Der 12. August markierte den Beginn der heißen Phase der US-amerikanischen Hartplatzsaison. Die Topprofis bereiteten sich nach Olympia auf das letzte der vier Grand-Slam-Turniere, die US Open, vor. Das Turnier in Cincinnati, zwei Wochen vor Start in New York, bietet dafür die besten Voraussetzungen. Auch Iga Swiatek war am Start. Sie galt als eine der Favoritinnen, doch im Halbfinale war gegen die heutige Nummer eins der Weltrangliste, Aryna Sabalenka, Schluss.

Was Swiatek zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Ihr Dopingtest an besagtem 12. August würde positiv ausfallen. In der Urinprobe der dominanten Spielerin der vergangenen Jahre wurde das verbotene Mittel Trimetazidin nachgewiesen.

Ein Arzneimittel, das eigentlich zur Behandlung von Angina pectoris genutzt wird, wegen seiner Fähigkeit, die Energie- und Sauerstoffversorgung der Muskelzellen zu gewährleisten, aber auch als Doping eingestuft wird. Der Eiskunstläuferin Kamila Walijewa wurde bei Olympia 2022 die Einnahme dieser Substanz nachgewiesen. Daraufhin wurde sie nachträglich für vier Jahre gesperrt.

Die Reaktionen auf diese Nachricht auch aus dem Kreis der Kollegen kam schnell. Denis Shapovalov zum Beispiel äußerte sich auf X, vormals Twitter, abschätzig. Auch Eva Lys, eine der besten deutschen Spielerinnen, äußerte ihre Kritik: "Ich glaube langsam, dass nicht jeder die gleiche Behandlung bekommt."

Positiver Test wegen kontaminiertem Medikament?

In einer 58 Punkte umfassenden Zusammenfassung erklärte die International Tennis Integrity Agency (ITIA), die über die Dopingtests im Tennis wacht, wie der positive Test bei Swiatek zustande gekommen ist. Am 12. September war Swiatek von der ITIA vorläufig gesperrt worden, ohne dass die Öffentlichkeit davon jedoch erfuhr. Zwei Wochen später erhielt die ITIA ein Schreiben von Swiateks Anwälten mit der Erklärung, dass das Trimetazidin aus Sicht Swiateks durch ein Melatonin-Medikament in ihren Körper gelangt war, welches sie gegen ihre Schlafstörungen genommen habe.

Bei Abgabe ihres positiven Tests am 12. August musste Swiatek auch angeben, ob und wenn ja welche Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel sie in den vergangenen zwei Wochen zu sich genommen habe. Insgesamt 14 listete Swiatek auf. Sie habe vergessen, besagtes Medikament aufzuführen, da dieses nicht auf ihrer persönlichen Liste stehe, die sie immer in das Doping-Kontrollblatt kopiere. Zum Zeitpunkt der Dopingkontrolle sei sie müde und unaufmerksam gewesen.

Nach Analyse des Medikaments durch ein Labor in Salt Lake City stellte die ITIA fest, dass Trimetazidin auch in den anderen Tabletten dieser Packung nachgewiesen werden konnte. Das Mittel gegen die Schlafstörungen ist in Polen in Apotheken frei erhältlich. In den Dopingproben während Olympia am 1. und 2. August, sowie bei der Dopingprobe am 27. August während der US Open wurde Trimetazidin nicht in ihrem Urin nachgewiesen.

Dies ist auch der Grund, warum die Sperre gegen Swiatek mit nur einem Monat gering ausfiel. Die Erklärung der ITIA lässt vermuten, dass es sich hier wirklich um ein kontaminiertes Medikament handelte, das für den positiven Test sorgte.

Katastrophales Bild für den Tennis-Sport

Dennoch gibt das Tennis im Moment ein katastrophales Bild ab. Innerhalb weniger Wochen sind zwei der absoluten Topstars, einer die aktuelle Nummer 1 im Herrentennis, die andere, die Dominatorin der vergangenen Jahre im Damentennis und jetzige Nummer zwei der Welt, positiv auf Doping getestet worden. Beide beteuern ihre Unschuld und geben an, schluderig gewesen zu sein bei der Einnahme eines Medikaments (Swiatek) oder beschuldigen wie im Fall Sinner das eigene Team, bei der Massage nach einem Match nicht aufgepasst zu haben.

Es gelang beiden, ihre Fälle unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit der ITIA aufzuarbeiten. Sowohl Sinner als auch Swiatek haben es geschafft, dass die Dopingvorwürfe nicht in die Öffentlichkeit gelangt sind, sondern erst veröffentlicht wurden, als das Strafmaß feststand. Im Falle Sinner hatte der Beschuldigte allerdings die Rechnung ohne die Welt-Doping-Agentur WADA gemacht. Die legte Einspruch gegen den Freispruch Sinners durch die ITIA ein. Nun muss der Internationale Sportgerichtshof entscheiden. Ein Urteil wird in der ersten Jahreshälfte 2025 erwartet. Ob die WADA auch bei Swiatek Einspruch erheben wird, steht zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest.

WTA: Swiateks Dopingfall ein "unglücklicher Vorfall"

Die WTA, der Weltverband des Frauen-Tennis, hat Swiatek in einem Statement ihre "volle Unterstützung in dieser schwierigen Zeit" zugesagt. So heißt es dort: "Iga hat immer ein starkes Engagement gezeigt, wenn es um Fair Play und die Aufrechterhaltung eines sauberen Sports geht."

Die WTA bezeichnete den positiven Dopingtest Swiateks als "unglücklichen Vorfall". Schließlich hat auch die WTA viel zu verlieren. Durch die Pandemie und die eingebrochenen Einnahmen gerade in China kann es sich der Verband nicht leisten, eines seiner großen Zugpferde wegen einer Dopingsperre zu verlieren.

Iga hat immer ein starkes Engagement gezeigt, wenn es um Fair Play und die Aufrechterhaltung eines sauberen Sports geht.
WTA

Sowohl die International Tennis Integrity Agency als auch die Verbände WTA und ATP lassen im Moment den Eindruck zu, als würde im Tennis mit zweierlei Maß gemessen – so war Tara Moore, britische Doppelspezialistin, im Mai 2022 vorsorglich gesperrt worden. In ihrem Fall dauerte die Untersuchung, ob sie wissentlich gedopt habe oder nicht, ganze 19 Monate. Eine Zeit, in der Moore ihr im Doppel nicht gerade üppig verdientes Geld dafür nutzen musste, den eigenen Ruf wiederherzustellen und gegen die Sperre anzukämpfen.

Fall Bartunkova: Gleiches Vergehen, längere Sperre

Nur wenige Wochen vor der Strafverkündung im Fall Swiatek wurde Nikola Bartunkova, eine hoffnungsvolle tschechische Nachwuchsspielerin, für ein halbes Jahr gesperrt. Auch bei ihr war Trimetazidin in der Urinprobe gefunden worden. Bei der Tschechin wies die Tennis-Anti-Doping-Behörde ebenfalls darauf hin, dass das Mittel ohne ihr Wissen oder Zutun in den Körper gelangt war.

Dass die Sperre bei Bartunkova für ein vermeintlich gleiches Vergehen ein halbes Jahr, bei Swiatek jedoch lediglich einen Monat betrug, ist nur den detaillierten Begründungen der ITIA zur Verkündung des Strafmaßes zu entnehmen. Dort heißt es, dass das Strafmaß von zwei Jahren Dopingsperre bis zu 100 Prozent verringert werden kann, wenn es dem Athleten gelingt, zu beweisen, dass kein eigenes Verschulden oder Fahrlässigkeit zur Einnahme des Dopingmittels geführt habe.

Dies fördert jedoch nicht das Vertrauen in eine Behörde, die auf ihrer Website behauptet, dass ihr Anti-Doping-Programm dafür sorgen soll, "dass man Vertrauen in einen Sport unter gleichen Voraussetzungen haben kann". Transparenz sieht anders aus.

Iga Swiatek wandte sich am Donnerstag, dem Tag der Veröffentlichung des Urteils, mit einem Instagram-Video an ihre Follower. Auf Polnisch mit englischen Untertiteln erklärte sie, dass die vergangenen zweieinhalb Monate die schwierigsten in ihrer Karriere gewesen seien. Sie könne nach Absitzen einer "symbolischen Sperre", von deren Gesamtlänge jetzt noch eine Woche ansteht, die neue Saison mit einer "weißen Weste" beginnen. Die Sperre wird am 4. Dezember abgelaufen sein. Die Diskussionen um einen sauberen Tennissport und positive Dopingproben von zwei seiner prominentesten Akteure werden allerdings auch im neuen Jahr weitergehen.