All Blacks gegen Springboks Die Spielstarken und die Hässlichen im Rugby-WM-Finale
Neuseeland hatte einen Spaziergang, Südafrika eine hart umkämpfte Schlammschlacht mit Last-Minute-Entscheidung. Was am Ende der nützlichere Weg ins Finale der Rugby-WM war, wird sich erst am Samstag (28.10.2023 / 21 Uhr) im Pariser Stade de France zeigen.
Eins steht aber schon fest. Nach sage und schreibe 51 Tagen wird diese episch lange Weltmeisterschaft am Samstag noch vor Mitternacht einen neuen Rekordchampion haben. Die "All Blacks" aus Neuseeland und die "Springboks" aus Südafrika haben in ihrer stolzen Rugby-Geschichte bisher drei Titel eingefahren, vier Mal den "Webb Ellis Cup" (oder zumindest die Nachbildung davon) hat bislang noch keine Nation im Trophäenschrank.
Es geht um einen 38 Zentimeter hohen Henkelpott aus vergoldetem Silber, angefertigt von der traditionsreichen Gold- und Silberschmiede Garrard & Co. in London. Den Namen verdankt diese Trophäe William "Bill" Webb Ellis, der als Erfinder des Rugbyspiels gilt.
Beide waren nicht bei den Favoriten
Neuseeland hat den "Bill", wie ihn die Spieler manchmal ein bisschen spöttisch nennen, in den Jahren 1987, 2011 und 2015 gewonnen. Südafrika 1995, 2007 und 2019, ist also Titelverteidiger. Vor diesem Turnier 2023 galten beide nicht mehr als Favorit, höher gehandelt wurden Irland und Gastgeber Frankreich.
Doch die Franzosen scheiterten im Viertelfinale an Südafrika, ähnlich knapp wie im Halbfinale die Engländer. Die führten sogar bis drei Minuten vor dem Ende, ehe Handré Pollards Straftritt zum 16:15 die Partie bei Weltuntergangswetter doch noch in Richtung Südafrika drehte.
"Genauso hässlich wie letzte Woche"
Die Analyse von Südafrikas Kapitän Siya Kolisi ging anschließend um die Welt, weil sie herrlich selbstkritisch, ehrlich und doch extrem stolz klang: "Es war richtig hässlich, aber daraus sind Champions gemacht. All die harte Arbeit hat sich ausgezahlt. Hochachtung vor England, aber auch vor meinem Team. Es war genauso hässlich wie letzte Woche, aber wir haben einen Weg gefunden und uns zurückgekämpft."
Südafrikas Zauberfuß Pollard schaut erst zurück und dann voraus: "Wir haben gekämpft und niemals aufgegeben. Das ist, wofür wir als Team und als Nation stehen. Aber jetzt brauchen wir für das Finale einen guten Plan."
Wehe, wenn man Neuseeland spielen lässt...
Der könnte darin liegen, die spielstarken Neuseeländer in ein ebenso zähes Ringen zu verwickeln wie zuvor Frankreich und England. Was sie mit zuviel Raum und zu wenig körperlicher Gegenwehr anstellen können, bewiesen die "All Blacks" in ihrem Halbfinale gegen Argentinien, das sie mit 44:6 gewannen - es wird Südafrika eine Warnung sein.
Einer der Schlüsselspieler ist in Gala-Form: Will Jordan erzielte in dieser Partie seine Versuche sechs bis acht der laufenden WM und stellte damit den Turnierrekord ein.
Trainer stand schon vor dem Rauswurf
Zugetraut wurde diese Leistung den All Blacks nicht mal in der eigenen Heimat. Coach Ian Foster stand nach sechs Pleiten in acht Testspielen zwischen November 2021 und August 2022 schon kurz vor dem Rauswurf. Der 58-Jährige behielt seinen Job, wird aber nun nach der WM zurücktreten.
Was Foster sensationell gut hinbekommen hat, ist die Steigerung im Turnierverlauf. Das Eröffnungsspiel am 8. September hatten die Neuseeländer noch mit 13:27 verloren, jetzt zerlegten sie Argentinien nach allen Regeln der Rugbykunst in ihre Einzelteile.
Es wird windig und nass
Von ihren Möglichkeiten her betrachtet, gehen die All Blacks deshalb sicher als Favorit in den Showdown. Doch in dem Moment, wo es Südafrika gelingt, aus der Nummer wieder eine hässliche Schlammschlacht zu machen, heißt das alles gar nichts mehr. Was dafür spricht: Um 21 Uhr sind am Samstag in Paris Böen von über 60 Stundenkilometern und strömender Regen vorhergesagt.