Ermedin Demirovic (li.) und Deniz Undav

Fußball | Bundesliga Sturm oder laues Lüftchen - hat der VfB Stuttgart ein Problem im Angriff?

Stand: 25.02.2025 11:14 Uhr

Der VfB Stuttgart lässt aktuell in der Bundesliga Punkte liegen - weil zu viele große Chancen ausgelassen werden. Die Stürmer der Schwaben sind auf der Suche nach ihrer Form - aber es gibt auch einen Lichtblick.

16.000 nach Hoffenheim mitgereiste Fans des VfB Stuttgart - und 16.000 enttäuschte Mienen nach Abpfiff des 1:1-Remis im baden-württembergischen Duell. Doch nicht nur auf den Rängen herrschte Unzufriedenheit. Die Protagonisten, sprich Spieler und Trainer der Schwaben, haderten deutlich mit den zwei verlorenen Punkten.

Was kein Wunder ist, denn der VfB ließ gleich reihenweise beste Chancen liegen: Nach dem frühen Führungstreffer durch Nick Woltemade (9. Minute) vergaben Atakan Karazor (30.), Woltemade und Stiller (beide 31.), erneut Stiller (59.), Woltemade (70.), Deniz Undav und Woltemade (beide 72.) sowie Undav und Chris Führich (beide 78.) die Chancen auf den zweiten Treffer. Und so stand am Ende eben nur das Unentschieden - weil Gift Orban eine der wenigen Hoffenheimer Gelegenheiten zum Ausgleich nutzte (74.). Und weil TSG-Keeper Luca Philipp ein überragendes Spiel machte.

VfB-Coach Sebastian Hoeneß hadert mit der Chancenverwertung

Dementsprechend fiel auch das Fazit von VfB-Trainer Sebastian Hoeneß aus. "Das Unentschieden fühlt sich wie eine Niederlage an. Wir müssen uns vorwerfen, nicht das zweite Tor erzielt zu haben. Unter dem Strich hatten wir ein dickes Chancenplus", bilanzierte er im Gespräch mit SWR Sport. Bereits in den Tagen vor dem Spiel hatte Hoeneß die zuletzt mangelhafte Effizienz seines Teams vor dem gegnerischen Kasten bemängelt.

Es sind zwar nicht nur die Stürmer für das Toreschießen zuständig - aber es zieht sich durch die letzten Wochen: Der Angriff des VfB Stuttgart performt momentan nicht so, wie er es eigentlich sollte. Dabei ist die "Abteilung Attacke" mit Deniz Undav, Ermedin Demirovic, El Bilal Touré und Nick Woltemade nominell exzellent aufgestellt. Alle vier Stürmer befinden sich aktuell aber in sehr unterschiedlichen Situationen.

Deniz Undav: Gelegentliche Geniestreiche - aber reicht die Fitness?

Der Assist für den Führungstreffer von Woltemade in Hoffenheim gehört offiziell zwar Maximilian Mittelstädt, doch eigentlich leistete Deniz Undav die Vorarbeit. Und zwar indem der Stürmer dem Ball entgegenging, dadurch Gegenspieler Kevin Akpoguma aus dem Zentrum zog, somit eine Lücke für Woltemade riss, um den Ball dann durchzulassen. Ein Geniestreich Undavs, der solche Aktionen immer mal wieder in seinem Repertoire hat.

Der 28-Jährige hat einen hohen Fußball-IQ und versteht es, ein Spiel zu lesen. Auch gegen Augsburg (in zwei Spielen) oder gegen RB Leipzig trug er durch Tore oder punktgenaue Vorarbeiten zu wichtigen Siegen bei. Demgegenüber stehen Aktionen wie beim Gastspiel in Dortmund (2:1), als er nach einem Fehlpass von Waldemar Anton völlig frei vor dem BVB-Tor war, die Aktion aber 'Marke unterirdisch' versemmelte, weil er sich offensichtlich nicht entscheiden konnte, was er mit so viel Freiheit anfangen soll.

Offensichtlich ist: Aktuell ist Undav maximal partiell zu Topleistungen fähig. Er fiel den kompletten November und Dezember mit einer Muskelverletzung aus, anschließend fehlte der Nationalspieler auch noch in Teilen der kurzen Winter-Vorbereitung. Danach wurde er sofort gebraucht - und das spürt man. Sein Fitness-Niveau scheint nicht auf höchstem Level zu sein, manchmal wirkt der 28-Jährige kraftlos und pumpt regelrecht.

Seine Bilanz in dieser Saison ist mit zehn Toren und drei Assists in 27 Pflichtspielen in Ordnung, aber Undav hat deutlich Luft nach oben. Mut macht indes das Hoffenheim-Spiel: Neben dem cleveren Verhalten vor dem Stuttgarter Führungstor bereitete er zwei weitere Großchancen vor, kam selbst zu zwei Gelegenheiten und war deutlich stärker ins Spiel eingebunden als zuletzt. Nur die Tore fehlen derzeit.....

Ermedin Demirovic: Das Fremdeln wird nicht weniger

Ermedin Demirovic wurde im Sommer als Nachfolger von Serhou Guirassy (ging zum BVB) vom FC Augsburg an den Neckar gelotst. Die größtmöglichen Fußstapfen für den Bosnier - er sollte den Mann ersetzen, der in der Vorsaison mit 28 Toren in 28 Spielen einen neuen Vereinsrekord aufgestellt hatte. So war zumindest bei Teilen der Fans die Erwartungshaltung. Doch beide sind unterschiedliche Spielertypen.

Guirassy ließ sich oft bis ins Mittelfeld fallen, forderte die Bälle und verteilte sie, initiierte so viele Angriffe, von denen er nicht wenige selbst abschloss. Demirovic reicht insbesondere mit dem Rücken zum Tor, im Bälle festmachen etwa, nicht an Guirassy heran. Dementsprechend hat er weniger Einfluss auf den Spielaufbau. Auch technisch ist Demirovic schwächer, seine Bewegungen sehen im Vergleich zum geschmeidigen Guirassy fast ungelenk aus.

Demirovic tat und tut sich schwer. Zeitweise wirkte er gut integriert und angekommen, dann wieder wie ein Fremdkörper. Dennoch stimmte seine Quote bis zur Winterpause. Er mischte in allen 15 Bundesligaspielen mit, erzielte sieben Tore und bereitete einen weiteren Treffer vor. Im DFB-Pokal gelangen ihm in drei Partien drei Scorerpunkte, auch in der Champions League netzte er einmal ein. Doch nach der Winterpause kam nur ein weiteres Tor hinzu - Demirovic traf beim 4:0 gegen Freiburg. Spielerisch fremdelt der Stürmer, der im Sommer 21 Millionen Euro Ablöse gekostet hat, weiterhin.

Nach dem Ausscheiden aus der Champions League und dem Ende der Englischen Wochen scheint Demirovic etwas an Stellenwert eingebüßt zu haben. In vier der letzten fünf Bundesligaspiele saß der Angreifer zu Beginn nur auf der Bank. Klar: Weniger Spiele bedeuten weniger Rotation in der Aufstellung. Demirovic wirkt aktuell, als wolle er seinen Durchbruch erzwingen - aber er wirkt dadurch ebenso verkrampft wie gehemmt. Ihm fehlen Erfolgserlebnisse. Die Chancen dazu wird er weiter bekommen, denn immerhin ist Demirov eines: ein Dauerbrenner. Inklusive Supercup verpasste er in dieser Spielzeit noch kein einziges Pflichtspiel.

El Bilal Touré: Ein Faktor im Saisonendspurt?

El Bilal Touré war gerade dabei, sich in Stuttgart so richtig zu akklimatisieren, als er sich bei einem Länderspieleinsatz für Mali Mitte November den Mittelfuß gebrochen hatte. Von einem "monatelangen Ausfall" war im Anschluss die Rede, aber der Heilungsverlauf scheint gut gewesen zu sein: Touré trainiert bereits wieder partiell mit der Mannschaft.

Der 23-Jährige, ausgeliehen von Atalanta Bergamo, könnte somit im Saisonendspurt noch einmal ein wichtiger Faktor werden. Er bringt etwas mit, was seinen Kollegen im Angriff - zumindest auf höchstem Niveau - abgeht: Geschwindigkeit. Touré deutete seine Qualitäten bereits an, etwa beim 1:0-Auswärterfolg in der Champions League bei Juventus Turin. Oder beim 2:1 in der Bundesliga gegen Holstein Kiel. Trainer Sebastian Hoeneß würde sich über eine zusätzliche Alternative im Sturm jedenfalls freuen.

Nick Woltemade: Der "Mini-Ibrahimovic" als Lichtblick im Sturm

Nick Woltemade indes war als Angreifer Nummer vier in die Saison gegangen. Ablösefrei vom SV Werder Bremen an den Neckar gewechselt, sollte der 23-Jährige vor allem eines: lernen. Seinen damaligen Stellenwert beschreibt auch die Tatsache, dass er - auch aufgrund von UEFA-Regularien - nicht für die Gruppenphase der Champions League gemeldet wurde. Woltemade bewies aber eine rasante Lernkurve, adaptierte rasch das Spielsystem des VfB und wird durch die tägliche Arbeit mit Trainer Hoeneß immer besser.

Woltemade über Hoeneß: "Hab viel mit ihm geredet"

21 Pflichtspiele, elf Tore und zwei Assists, im Schnitt ist er alle 103 Minuten an einem VfB-Treffer beteiligt. Eine herausragende Bilanz. Der 1,98-Meter-Mann beeindruckt trotz seiner Größe mit seiner Technik. Er ist sehr gut darin, den Ball unter Druck auf engstem Raum anzunehmen, ihn zu sichern, abzuschirmen und sich zu behaupten. Zudem spielt Woltemade eine Art "schwimmenden Stürmer", oder, wie es im modernen Fußball-Slang heißt: er gibt den "fluiden Angreifer".

Beides meint, dass sich der 23-Jährige aus dem Angriffszentrum auch gerne einmal in den Zehnerraum oder auf die Flügel fallen lässt, was ihn für die gegnerischen Abwehrspieler schwer greifbar und unberechenbar macht. Gleichzeitig entwickelt sich Woltemades Gespür dafür, wann er in die Tiefe gehen muss, deutlich. Zudem hat der Offensivspieler eine gute Übersicht und ist ein Faktor im Kombinationsspiel.

Woltemade, ob seiner Größe schon als "Mini-Ibrahimovic" betitelt (in Anlehnung an die schwedische Sturm-Legende), hat sich so gut entwickelt, dass die Stuttgarter Verantwortlichen dem Vernehmen nach darauf verzichtet haben, aufgrund von Tourés Verletzung in der Winter-Transferperiode im Sturm noch einmal nachzulegen. Ein Vertrauensvorschuss, der belohnt wurde. Woltemade liefert beständig - und ist damit aktuell der Lichtblick im VfB-Angriff.

Fazit: Es fehlt ein Mittelstürmer klassischer Prägung

Demirovic ist kein direkter Guirassy-Nachfolger und tut sich schwer. Ob der Bosnier zum 'Hoeneß-Ball' passt, darüber wird die weitere Saison entscheiden. Aktuell hat er etwas das Nachsehen. Undav kann ein Unterschiedsspieler sein, wenn er die körperliche Fitness und das nötige Selbstvertrauen hat. Gut denkbar, dass er sich zumindest die breite Brust über gelungene Aktionen holt, die nötige Kondition sollte ohne Englische Wochen auch bald erreicht sein.

Woltemade ist derzeit der Hoffnungsträger und am besten in Form von allen vier Angreifern, Touré kann im letzten Drittel der Saison ein Faktor werden. Aktuell fehlt dem VfB Stuttgart aber ein Mittelstürmer klassischer Prägung, der den Ball einfach mal trocken und humorlos reinknallt.

Sendung am So., 23.2.2025 21:45 Uhr, SWR Sport, SWR