Es muss sich etwas drehen im Turnen.

Turnen | Meinung Seid standhaft und solidarisch - sonst ändert sich nichts

Stand: 14.01.2025 08:28 Uhr

Was im Turnen passiert, ist ein Skandal. Damit sich dieses System ändert, brauchen die betroffenen Turnerinnen öffentliche Unterstützung, meint SWR-Sport-Redakteurin Alexandra Waidner.

Wenn ich die Vorwürfe der Leistungsturnerinnen lese, die in den vergangenen Wochen an die Öffentlichkeit gelangt sind, reibe ich mir die Augen: Demütigungen, Beleidigungen, gesundheitliche Gefährdung von Körper und Seele scheinen an der Tagesordnung gewesen zu sein - und das bis heute! Dass Turnen eine harte Sportart ist, ist bekannt. Aber solche Methoden schiebe ich gedanklich in das vergangene Jahrhundert, in Eliteschulen der diktatorischen Systeme. Und doch ist es heute, sind es 2025 in unserer fortschrittlichen Demokratie wieder einmal die Mädchen und Frauen, die sich solche Erniedrigungen gefallen lassen mussten.

Die Opfer-Täter-Umkehr

Und wie reagiert ein Teil der Öffentlichkeit, auch innerhalb des DTB? Gibt es eine klare öffentliche Entschuldigung? Nein. Werden Fehler im System eingeräumt? Nur bedingt. Und die Frauen, die an die Öffentlichkeit gegangen sind? Sind Nestbeschmutzerinnen. Ja, dieses System kennen Frauen nur zu gut: die Umkehr der Täter-Opfer-Rolle. Nicht die sind schuld, die für den Missbrauch verantwortlich sind, sondern die, die ihn öffentlich machen, die auf die Schuldigen zeigen, die Nestbeschmutzerinnen. Da wird Druck aufgebaut, da wird Verschwiegenheit eingefordert - das kann man doch intern lösen, das muss doch nicht an die Öffentlichkeit. Ich sage: NEIN.

Solidarität gefordert

Solche Missstände müssen öffentlich gemacht werden, es muss Druck von außen kommen, damit sich etwas ändert in diesem System. Deshalb habe ich eine große Bitte an die mutigen Turnerinnen, die an die Öffentlichkeit gegangen sind: Bleibt standhaft! Und für die, die sich noch nicht geäußert, vielleicht einfach noch nicht getraut haben: Unterstützt eure Kolleginnen, seid solidarisch. Es ist traurig, dass die Verantwortung wieder einmal bei den Betroffenen liegt, bei denen, die schon so sehr unter diesem verkrusteten System gelitten haben. Aber nur sie können etwas bewirken. Nur sie können das System ändern, nur sie können dafür sorgen, dass Mädchen und Frauen ihren Sport künftig ohne Gefahr für Körper und Seele ausüben können. Aber sie brauchen die Solidarität der Gesellschaft. Sonst spielt das System auf Zeit, lässt Gras über die Sache wachsen und ändern wird sich – nichts.

Sendung am So., 12.1.2025 22:05 Uhr, SWR Sport, SWR