2036 oder 2040 Wie es um eine Berliner Bewerbung für 2036 oder 2040 steht
Berlin ist in den Startlöchern einer Olympia-Bewerbung. Die Voraussetzungen sind gut, aber Ökonom Wolfgang Maennig zweifelt am Rückhalt der Bevölkerung. Seine Lösung gegen die Angst vor Kostenexplosion: eine private Finanzierung. Von Shea Westhoff
- Für Berliner Olympia-Bewerbung wäre ein Großteil der Sportstätten bereits vorhanden
- Herausforderung im Bewerbungsprozess ist Rückhalt in der Bevölkerung
- Angst vor Kostenexplosion wegen Sanierungs- und Stadtentwicklungsplänen
- Ökonom Wolfgang Maennig schlägt Debatte über private Finanzierung vor
Die Olympischen Sommerspiele in Berlin, warum eigentlich nicht? Geht es nach dem Präsidenten des Landessportbundes Berlin (LSB), Thomas Härtel, ist die Hauptstadt bereits gut ausgestattet, zumindest was die sportliche Infrastruktur angeht.
In Berlin würde man "Pi mal Daumen rund 75 Prozent der Sportstätten bereits haben, die für die Durchführung der olympischen und paralympischen Spiele notwendig sind", sagt der Spitzen-Interessenvertreter des Berliner Sports am Telefon zu rbb|24.de.
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Berlin hat schon zahlreiche Sportstätten
Und wie Härtel die bereits bestehenden Anlagen so aufzählt, die für die Olympischen Spiele in Frage kämen, kommt da tatsächlich einiges zusammen:
Natürlich das Olympiastadion (das erst für die zurückliegende Fußball-Europameisterschaft nochmals modernisiert wurde) als hochkarätige Leichtathletikarena; der angrenzende Olympiapark, der aktuell von diversen Sportarten als Trainingsstätte genutzt wird; die Uber-Arena, wo bis zu 14.500 Zuschauer die olympischen Volleyball-, Basketball- und Handballpartien verfolgen könnten; dazu nennt er die Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark; die Max-Schmeling-Halle; das Velodrom für die Bahnrad-Wettkämpfe; und die Multisportanlage Sportforum Hohenschönhausen.
In Grünau könnte man am Dahme-Abschnitt eine Triathlon-Strecke sowie Freiwasserschwimmen anbieten. Härtel nennt zudem den Beetzsee in West-Brandenburg sowie das Segelrevier in Warnemünde als denkbare Partner-Veranstaltungsorte für den Wassersport.
"Und nicht zu vergessen vor allen Dingen auch die Messe Berlin, die auch bei den Special Olympic World Games eine wichtige Veranstaltungsstätte war. Dort können auch eine ganze Reihe von Events stattfinden, von Tischtennis, über Ringen, Judo, Gewichtheben, Boxen und so weiter", sagt Härtel.
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Die Rahmenbedingungen sind gut, eigentlich
Es klingt fast so, als könnten die Olympischen Spiele gleich morgen in Berlin starten. Dass es bei den Sportstätten allerdings teils erheblichen Sanierungsbedarf gibt – mal ganz abgesehen davon, dass sich dieser Bedarf in den kommenden 12 oder 16 Jahren noch verschärfen dürfte – das sieht auch Härtel.
Doch durch Olympia erhofft er sich eine Initialzündung. Denn was die bisherigen Versuche angeht, Sportstätten zu ertüchtigen, betont er: "Wir doktern an vielen Stellen herum von Jahr zu Jahr, von Haushalt zu Haushalt." Seine Erfahrung sei: "Wenn man eine gemeinsame Vision hat, auf die man sich einigt in der Stadt, auch in der Politik, auch parteiübergreifend, dann haben wir mehr Schwung auch für die notwendige Sanierung." Die Vision, von der Härtel spricht, sind die Olympischen Spiele in Berlin.
Und da ist zuletzt einiges ins Rollen gekommen. Nachdem im Herbst des letzten Jahres die Berliner Landesregierung ihr Interesse an einer Austragung in Form einer Bereitschaftserklärung schriftlich hinterlegte, unterstützt seit gut einer Woche nun auch die Bundesregierung die Bewerbung für die Sommerspiele – wobei sie in der Erklärung das Jahr 2040 angibt, während bislang auch noch das Jahr 2036 zur Debatte stand, also 100 Jahre nach den durch Nazi-Propaganda missbrauchten Spielen von Berlin.
Die Rahmenbedingungen einer Bewerbung für die olympischen Sommerspiele sind gut.
IOC prüft Rückhalt in der Bevölkerung
Für Wolfgang Maennig hingegen stellt sich die Frage gar nicht, ob Deutschland, ob Berlin fähig wäre, die Olympischen Spiele auszutragen. "Natürlich könnte Berlin das", sagt der Ökonom und Olympiasieger im Ruder-Achter von Soeul (1988). Die entscheidende Frage wäre allerdings eine andere: Will die Bevölkerung die Spiele auch? Und da hat der gebürtige Berliner Zweifel. "Ich sehe dafür derzeit keine Mehrheit", sagt er und ergänzt: "Solange wir nicht wollen, können wir auch nicht."
Maennig, Experte in Wirtschaftsfragen rund um die Olympischen Spiele, gibt Einblicke in den Auswahlprozess von Gastgeberstädten: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) beauftrage Umfragen in den Bewerberstädten und wolle dort "mindestens 60 bis 66 % Zustimmung" haben. "Ich glaube, die haben wir zurzeit nicht", sagt Maennig.
Und damit zum eigentlichen Problem: "Mein Eindruck ist, dass die Menschen mit Olympia Milliardenausgaben assoziieren, und zwar auch für sie als Steuerzahler."
Große Sanierungsversprechen kontraproduktiv
Diese Vorbehalte gibt es nicht ohne Grund. Immerhin werden mit einer Austragung oft auch riesige Sanierungsversprechen verknüpft. "Die Idee, dass man mit einer Olympia-Austragung immer auch Stadtentwicklung betreiben kann, dass man alle Versäumnisse nachholt oder vorarbeitet für die nächsten 20 Jahre: neue Flughäfen, neue Bahnhöfe, Autobahnanschlüsse, Wohnungsbau. Dieser Wahnsinn, das hat Olympia in den Ruf gebracht, dass es Milliarden kostet."
Die reine Organisation der Olympischen Spiele würde lediglich ungefähr vier Milliarden Euro kosten, welche durch Olympiaeinnahmen voll gedeckt sind. Größer sind bislang die Kosten der Infrastruktur gewesen, welche die Öffentliche Hand tragen musste.
Maennigs Vorschlag: "Wir müssen über eine private Finanzierung der Olympischen Spiele reden." Wenn die Rolling Stones auftreten oder Taylor Swift, würde sich auch niemand beschweren, einfach aus dem Grund, weil die Auftritte sich privat finanzieren. Weder in Atlanta (1996) noch in Los Angeles (1984) hatte die öffentliche Hand etwas für die Kosten für die Olympischen Spiele hinzutun müssen.
Und: Es müsse darum gehen, weg vom Gedanken der Giga-Spiele zu kommen, wie sie etwa Tokio (2021), Rio (2016) oder London (2012) noch betrieben hätten. "Paris ist da auf dem richtigen Weg, dort hat man nur zwei Hallen neu gebaut", sagt Maennig.
Bewerbung nur mit breiter Allianz
Ob eine solche entschlackte Olympia-Bewerbung bei den Berlinern Anklang findet? Klar ist, dass die Politiker – Absichtserklärung hin oder her – ohne die breite Zustimmung in der Bevölkerung keine Olympia-Bewerbung ins Rennen schicken wird.
Auch LSB-Chef Thomas Härtel sagt, "dass wir noch keine breite Allianz haben. Wir arbeiten daran. Die brauchen wir, wenn wir uns erfolgreich bewerben wollen."
Sendung: rbb24 Inforadio, 01.08.2024, 09:15 Uhr