
Haushaltskürzungen Sport in Berlin: Zwischen Sparmaßnahmen und Olympia-Träumen
Bei den Einsparungen durch den Berliner Senat ist der Sport vergleichsweise glimpflich davongekommen. Für eine funktionsfähige Sport-Infrastruktur bräuchte es aber eher mehr Geld. Was heißt das für die Zukunft - etwa Olympia 2036? Von Shea Westhoff
- Sportvereine und -verbände sind von Haushaltskürzungen bislang verschont geblieben
- Größte Sparmaßnahmen im Sport betreffen Berliner Bäderbetriebe und Sporthallen-Sanierungsprogramm
- Sanierungsstau für Sportinfrastruktur beläuft sich bereits auf eine Milliarde Euro
- Vertreter der Initiative Sportmetropole Berlin, Kaweh Niroomand, fordert im Hinblick auf eine Olympia-Bewerbung bessere Rahmenbedingungen für Nachwuchsförderung
So klingt Gelassenheit: "Wir haben den Eindruck, dass die Politik versteht, was der Sport für die Gesellschaft tut. Wir sind zuversichtlich, dass wir von größeren Kürzungen verschont bleiben." So äußerte sich der Direktor des Landesportbundes Berlin, Friedhard Teuffel, zu Beginn voriger Woche.
Umwälzende finanzieller Einschnitte des Senats haben ein Beben in nahezu allen kulturellen, wissenschaftlichen und mobilitätsbezogenen Bereichen der Hauptstadt nach sich gezogen. Betroffene demonstrieren gegen die "Kürzungspolitik" des Senats. Der Sport hingegen scheint, möglicherweise im Fahrwasser des Prestige-Projekts "Olympische Spiele", mit dem Schrecken davongekommen zu sein. Oder?
Boomender Sport braucht entsprechende Infrastruktur
Zumindest sind Vereine und Verbände von den drei Milliarden Euro betragenden Sparmaßnahmen für 2025 nicht unmittelbar betroffen. Doch das könnte ein trügerischer Frieden für Sportbegeisterte in Berlin sein.
Von diesen gibt es so viele wie nie zuvor: Eine Rekordzahl von insgesamt 781.295 Mitgliedschaften zählten die Berliner Sportvereine zum Stichtag 1. Januar 2024. Die neuesten Mitgliederzahlen werden in wenigen Wochen veröffentlicht. Erwartet wird ein weiterer Rekord. Eine Stadt im Fitness-Fieber.
Um dieser explodierenden Nachfrage gerecht zu werden, ist ein umfassendes Angebot an intakten Hallen, Sportplätzen und Schwimmbädern erforderlich. Doch an dieser Sport-Infrastruktur hapert es in der Hauptstadt gewaltig. "Dafür bräuchten wir eigentlich deutlich mehr Geld", sagt Teuffel. Auf rund eine Milliarde Euro belaufe sich der Sanierungsstau.
Konkret bedeutet das: Die Bezirke oder das Land müssen notwendige Reparaturen und Renovierungen an Sportstätten aufschieben, weil das Geld nicht reicht. Dadurch kann sich der Zustand der betroffenen Objekte weiter verschlechtern und die anfallenden Kosten für die erforderlichen Maßnahmen steigen.
24 Millionen Euro stellte das Land Berlin im vergangenen Jahr für die Sanierung von bezirksverwalteten Sportstätten zur Verfügung. Fürs laufende Jahr ist die gleiche Summe geplant, nachdem der eigentlich auf 30 Millionen Euro gestiegene Fördertopf aus Sparzwängen um sechs Millionen Euro gekappt wurde. Das deckt offenbar bei Weitem nicht die anfallenden Kosten. "Diese 24 Millionen Euro bedeuten einen Tropfen auf den heißen Stein, wenn wir uns den Zustand der Berliner Sportinfrastruktur anschauen", so Teuffel.

Bäder traf es besonders hart
Vor gut zwei Jahren wiesen fast ein Viertel aller Sportflächen schwerwiegende Schäden auf oder waren unbrauchbar, wie aus einer parlamentarischen Anfrage der FDP hervorging.
55 Sporthallen seien derzeit aufgrund baulicher Mängel komplett geschlossen, sagt Klara Schedlich, sportpolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus. "Das bedeutet, manche Schulen können in der eigenen Turnhalle keinen Sportunterricht anbieten." Die geplanten Einsparungen seien bei der Hallen-Not in Berlin nicht angemessen, kritisiert Schedlich. Auch Vereine würden unter dem Mangel an Turnhallen-Mangel leiden.
Ihr zweiter zentraler Kritikpunkt betrifft die Kürzungen bei den Berliner Bäderbetrieben. Diese fielen laut Schedlich drastisch aus: Festgelegt wurden zwei Millionen Euro weniger für Sanierung und Instandhaltung sowie zwei Millionen weniger für Investitionen. Und die 13 Millionen Euro für Rücklagen wurden ebenfalls gestrichen. Macht ein Minus von 17 Millionen Euro.
Derzeit prüfen die Bäderbetriebe, inwieweit ihre geplanten Projekte den neuen finanziellen Bedingungen angepasst werden können, wie aus einer Antwort der Sportsenatsverwaltung hervorgeht. Und inwieweit auf teure Projekte zugunsten "kostengünstigerer und aufwandsärmerer Projektvorhaben (...) verzichtet werden kann". Die angepasste Planung soll Ende März vorliegen.

Hallensituation "peinlich für Sportmetropole"
Schedlich kritisiert die Reihenfolge: "Bei den Bädern wurde einfach auf Verdacht gekürzt. Und im Nachhinein soll eine Priorisierung vorgenommen und geschaut werden, welche der ursprünglichen Bauvorhaben tatsächlich ganz dringend gebraucht werden. Anders herum wäre es logischer gewesen: erst die Analyse der Prioritäten, dann eine entsprechende Kürzung auf dieser Basis."
Generell sieht es die Vize-Fraktionschefin der Grünen im Bereich Infrastruktur so: "Schon jetzt müssen zahlreiche Vereine ihre Angebote einschränken, weil die Infrastruktur so schlecht ist. Und das ist für eine Stadt, die sich Sportmetropole nennt, natürlich ziemlich peinlich."
Sondervermögen Sportstätten?
Dass man über Berlin von "Sportmetropole" spricht, hat auch mit einem Mann zu tun: Kaweh Niroomand. Der Präsident der BR Volleys ist Mitbegründer einer gleichnamigen Initiative, die Berlin als zentralen Standort des Spitzensports in der Welt etablieren will. Vor Kurzem hat der 72-Jährige das Bundesverdienstkreuz erhalten, für seinen jahrzehntelangen Einsatz im Sport, wie beispielsweise der Gründung eines Berlin-weiten Volleyball-Nachwuchsprogramms, dem beispielsweise Volleys-Profi Djifa Amedegnato (Zuspieler) entstammt. Wenn einer wie Niroomand nun sagt: "Wir können uns nicht weiterentwickeln, weil wir Kinder abweisen müssen, weil wir keine Hallen, keine Trainingszeiten und nicht ausreichend Trainer haben" - dann könnte es für den Sport in der Hauptstadt Anlass zur Sorge geben. Vor diesen Problemen stünden ebenso die Fußballer, Handballer, Basketballer, alle Sportarten, so Niroomand weiter.
Niroomand kann verstehen, dass die knappen Mittel nicht für alle reichen, und er sieht auch, dass der Sport bei den Kürzungen im Vergleich glimpflich davongekommen ist. Doch auch sein eigenes Projekt, die "Initiative Sportmetropole", wurde um 100.000 Euro gekürzt. Dabei hätten Bund und Länder die Möglichkeit, auch für den Sport ein Sondervermögen aufzusetzen, wie es in anderen Bereichen getan werde, meint Niroomand. "Aber niemand denkt daran, was ein 'Sondervermögen Sportstättensanierungsprogramm’ leisten könnte: in Sachen Integration, in Sachen Miteinander, in Sachen Werteschaffen. Und am Ende auch in Sachen Medaillen und Erfolgen, die man mit der Hand festhalten kann. Darüber redet keiner."
Die deutsche Medaillen-Flaute hat sich zunehmend zu einem Reizthema in der Bundesrepublik entwickelt. Immer weniger Edelmetall bringen deutsche Athletinnen und Athleten von olympischen Spielen und anderen großen internationalen Wettkämpfen mit nach Hause. Nicht nur an Stammtischen wird das allzu schnell einem übersensiblen Zeitgeist zugeschrieben, in dem es in Grundschulen bei Bundesjugendspielen keine deutliche Leistungsbeurteilung mehr gibt und der jungen Generation überhaupt die Leistungskultur abgehe. "Quatsch", sagt nach Niroomand: "Wenn wir Leistung wollen, müssen wir die Grundlagen dafür schaffen. Misserfolge liegen garantiert nicht an mangelnder Leistungsbereitschaft oder der Moral des Nachwuchses."
Sport-Boom durch Olympia droht zu verpuffen
Und plötzlich erhalten auch die vergleichsweise überschaubaren Haushaltskürzungen im Sport eine olympische Tragweite. Denn Berlin will die Olympischen Spiele ja sogar selbst ausrichten, entweder 2040 oder, geht es nach dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner, sogar bereits 2036.
Welchen Bewerber der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) letztlich ins Rennen schickt, darüber soll Ende des Jahres entschieden werden. Man lehnt sich aber wohl nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man sagt: Alles andere als eine Berliner Bewerbung käme einer faustdicken Überraschung gleich.
Und natürlich würden dann auch die notwendigen Stadien, Hallen, Schwimmbäder entsprechend saniert, entsprechende Quartiere würden errichtet. Der Bund würde helfen.
Folgt man allerdings den Gedanken Niroomands, haben die Spiele noch einen zweiten wünschenswerten Effekt, der sich Jahre im Voraus abspielt: Olympische Spiele werden nämlich nicht nur geprägt von den Wettkämpfen, von der Show drumherum und im besten Falle vom Zuschauerboom. Sondern auch von der Vorfreude und dem Run auf die Sportangebote lange im Vorhinein. Niroomand nennt das Phänomen "Sogwirkung" von Olympia. "Eltern denken vielleicht: 'Unsere Tochter könnte in zehn Jahren bei den Olympischen Spielen auflaufen! Dann bringen wir sie jetzt in den Sportverein'."
Diese Wirkung würde jedoch mit der aktuell mangelhaften Breitensport-Infrastruktur völlig verpuffen.

Der Status Quo kommt Kürzung gleich
Eltern, die ihr Kind wegen einer Olympia-Teilnahme in einen Verein stecken - das mag plakativ klingen. Aber solche gesellschaftlichen Dynamiken erscheinen plausibel. Nur: "So eine Sogwirkung auf die Stadt, auf die Bevölkerung, die erfordert einen Ausbau der bestehenden Struktur, damit wir genug Hallen haben", sagt Niroomand.
Und damit zurück zu den Einsparungen des Senats. Die Kürzungen im Sport hielten sich in Grenzen. Doch LSB-Direktor Friedhard Teuffel sagt: "Wenn wir ehrlich sind, ist eine Beibehaltung des Status Quo schon deshalb eine Kürzung, weil der Sport gerade wächst, weil immer mehr Menschen in die Vereine strömen."
Und über die genauen Haushaltskürzungen im Sport für 2026/2027 wurde noch nicht mal gesprochen.