
Neubelebung des Steglitzer Kreisel Neubelebung des Steglitzer Kreisel: Eine Rollerdisco für die Skandal-Immobilie
Seit Jahren ist es ein Schandfleck in bester Lage: der Steglitzer Kreisel. Seit Kurzem wird das Erdgeschoss für Sport- und Kulturveranstaltungen zwischengenutzt. Der Projektleiter hofft, über den Sommer hinaus weitermachen zu können. Von Fabian Friedmann
Manchmal braucht es einfach jemanden mit einer Vision. Wo früher im Steglitzer Kreisel Rucksäcke und Outdoor-Kleidung an Trekking-Freaks verkauft wurden, wird mittlerweile geboxt, zu Disco-Musik auf Rollschuhen getanzt und Kunst ausgestellt.
Verantwortlich für das neue Leben in dem maroden Hochhauskomplex in Berlin-Steglitz sind Rebbek Wehner und Moritz Senff, Gründer von "Zeit ist knapp" oder "Zentrum für internationale Künste" (ZIK), wie sie sich auch nennen. Nach jahrelangem Leerstand hat das Unternehmen seit Dezember 2024 dem ehemaligen Globetrotter-Laden im Erdgeschoss des Hochhauses mit Sport- und Kulturangeboten neues Leben eingehaucht. "Und davon profitieren alle", sagt Moritz Senff, der zuvor mit seinem Partner schon die Ex-Filiale eines Textil-Discounters im Schloss-Straßen-Center kulturell bespielt hatte.

Eigentümer wollte die Zwischennutzung
Über die Geschichte des Kreisels ließen sich ganze Bücher füllen. Seit dem Baustart 1968 jagte ein Skandal den nächsten: Verdopplung der Baukosten, Pleite des Trägers, Senatoren-Rücktritt, Asbest-Verseuchung, Weiterverkäufe, Baustillstand und Investoren-Drama. Seit zehn Jahren steht das 120 Meter große Hochhaus leer. Mittlerweile gehört es "Consus Real Estate", einer Tochterfirma des Immobilien-Riesen "Adler Group". Aber wie kam es zur Zusammenarbeit zwischen dem Eigentümer und dem Projekt "Zeit ist knapp"?
"Der Eigentümer kam auf uns zu, aber man muss ganz klar sagen, dass es sich hier um eine sehr gute Zusammenarbeit auf vielen Ebenen handelt", sagt Senff. Involviert waren unter anderem die Bauaufsicht, die Wirtschaftsförderung Berlins, die Bezirksbürgermeisterin und der Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung in Steglitz-Zehlendorf. Und der Aufwand sei hoch, meint Senff, denn man müsse sich mit vielen Themen, wie etwa den Nutzungsänderungen, herumschlagen.
"Die Adler Group war besonders offen, mit uns zu verhandeln", sagt Senff. Grund sei vermutlich das negative Image des laufenden Bauprojekts gewesen." Der Steglitzer Kreisel genießt durch den sehr langwierigen Bauprozess nicht den besten Ruf, und auch das unmittelbare Umfeld am Bahnhof Rathaus Steglitz ist durch weitere Baumaßnahmen einfach nicht schön", erklärt ein Sprecher des Bezirks Steglitz-Zehlendorf. Es sei laut Senff auch für den Investor gut, wenn man sieht, dass sie mit dem Bezirk etwas zum Positiven verändern wollten.
Der Bezirk selbst sieht "diese Art der Zwischennutzung sehr positiv". "Von Anwohnern im Umfeld höre ich durchweg positive Stimmen", heißt es von einem Sprecher des Bezirks, der ergänzt: "Durch die Zwischennutzung entsteht wieder Leben an einem Ort, was für alle sichtbar ist."
Kaum Mehrkosten durch Zwischennutzung
Das Konzept ist so einfach wie effektiv: Besitzer von leerstehenden Immobilien können sich bei "Zeit ist knapp" für eine Zwischennutzung ihres Gebäudes bewerben. Ziel ist es, temporären Leerstand zu nutzen und kulturell zu beleben.
Dabei verursacht das Team von Moritz Senff kaum Mehrkosten. Denn die Energiekosten bleiben weitgehend konstant, da sie ohnehin für das Gebäude anfallen, weil geheizt und gelüftet werden muss, damit sich etwa kein Schimmel in den Räumen bildet. Senff betont: "Wir verbrauchen nicht viel mehr Strom als zur vollen Leerstandzeit."
Vielfältiges sportliches und kulturelles Angebot
Das aktuelle Angebot im Kreisel ist vielfältig: Neben Kunstaustellungen, Workshops und einer Rollerdisco werden auch Yoga- und Salsa-Tanzkurse angeboten. Dazu gibt es jeden Freitag und Samstag ein öffentliches Boxtraining der Gangway e.V., ein Projekt zur Gewaltprävention von Jugendlichen. "Es gibt Kids, die jedes Wochenende extra aus Brandenburg herkommen, um hier zu trainieren", sagt Senff, dem dieses Projekt besonders am Herzen liegt. Soziale Vereine wie "Gangway" müssen keine Miete bezahlen. Senff und sein Team verdienen an ihnen nichts.
Andere Projekte finanzieren sich zum größten Teil selbst, für die Räumlichkeiten wird für sie nur eine geringe Entschädigung fällig. Der Eintritt - etwa zur Rollerdisco oder zu den Tanzkursen - ist grundsätzlich frei, Besucher können aber spenden. "Wir leben sehr von den Communities, die sich ehrenamtlich einbringen und ihre Projekte vorschlagen", sagt Senff.
Aber auch temporäre Veranstaltungen oder Events wie ein Kiez-Flohmarkt, Konzerte und Jam-Sessions sollen künftig regelmäßig in dem Gebäude stattfinden. Die Angebote werden bislang gut angenommen. Zur offiziellen Eröffnungsparty am 27. Februar strömten zahlreiche Besucher in das Gebäude.
Mietvertrag endet im Sommer, Zukunft des Kreisels offen
Ende Juli 2025 endet der Mietvertrag für die Zwischennutzung. Ob das Erdgeschoss, das längst hätte abgerissen werden sollen, darüber hinaus von "Zeit ist knapp" zwischengenutzt werden kann, ist noch nicht entschieden. Gespräche mit dem Eigentümer soll es bald geben. "Noch haben wir nichts Schwarz auf Weiß", sagt Moritz Senff. Aber die Chancen stünden nicht schlecht, denn "Politik, Eigentümer und Community möchten den Mehrwert haben". Leerstand habe es lange genug gegeben.
Der Eigentümer wollte ursprünglich bereits im Jahr 2022 Eigentumswohnungen in dem Gebäude fertiggestellt haben. Ob es dazu zeitnah kommt, scheint derzeit mehr als ungewiss. Denn trotz einer Vertragsstrafe im Jahr 2022 ist nach wie vor kein großer Baufortschritt erkennbar.
Einer Verlängerung der Nutzung für kulturelle Angebote über Juli 2025 hinaus steht der Bezirk positiv gegenüber: "Ob das 'ZiK Team' länger im Fuß des Kreisels bleibt, hängt von zwei Faktoren ab. Erstens muss Adler dies wollen und zweitens muss das ZiK hieran Interesse haben, da die temporäre Nutzung solcher Räume das Konzept selber beschreibt. Wir als Bezirk stehen einer längeren Nutzung auf jeden Fall nicht im Weg."
Sendung: DER TAG, 27.02.2025, 18 Uhr