Nach Turbulenzen Nach Turbulenzen: Die Volleyballerinnen des SC Potsdam suchen den Weg aus der Krise
Nach einer turbulenten Saison muss der SC Potsdam einen Neuanfang wagen. Finanzielle Verluste und ein Dutzend Abgänge zeichnen einen mühsamen Weg vor, den der Verein mit neuem Zusammenhalt gehen will. Von Jakob Lobach
Auf einen Schlag verdoppelte der SC Potsdam am Freitagmittag seine Kaderstärke. Rund um die Mittagsstunde verkündete der Volleyball-Bundesligist die Verpflichtung von Mittelblockerin Alina Nasin. Ein deutsches Talent, 19 Jahre jung und 1,93 Meter groß – statt bis zuletzt einer Akteurin, hat der SC Potsdam nun immerhin bereits zwei Spielerinnen für die kommende Saison präsentiert.
Mit Zweckoptimismus raus aus der Krise
Was zweieinhalb Monate vor dem Saisonstart nicht nur sehr wenig klingt, sondern auch sehr wenig ist, ist eine Folge von den zuletzt höchst turbulenten Monaten beim SC Potsdam. Von rechtswidrigen Verträgen und einem Steuerhinterziehungs-Verfahren über einen geschassten Sportdirektoren bis hin zu Insolvenz-Gerüchten – der Brandenburger Verein hat seit dem Sommer 2023 viel erlebt. Zuletzt verließen zwölf der 13 Spielerinnen aus der Vorsaison den Klub. Nun muss der größte Sportverein Brandenburgs einen Neuanfang wagen, will den Volleyball zurück in den Fokus rücken und auch seine rund 5.000 anderweitig sportlich aktiven Mitglieder beruhigen. Die Herausforderungen, vor denen besonders die Volleyballerinnen stehen, sind dabei ähnlich groß wie der Zweckoptimismus von deren Verantwortlichen.
Aber von vorne, angefangen mit der Frage, warum der SC Potsdam seine Mitglieder überhaupt beruhigen muss. Im vergangenen Sommer war publik geworden, dass der Verein und seine Tochtergesellschaft "Sport Consult Potsdam GmbH" zahlreiche Verträge ihrer Volleyballerinnen aus den Jahren 2021 und 2022 rechtswidrig gestaltet hatte.
Sozialabgaben waren vermieden worden, Steuern hinterzogen – so der Vorwurf. Es entwickelte sich eine chaotische und sehr undurchsichtige Schlammschlacht und verschiedene Personalwechsel auf der Führungsebene. Kurz darauf wurden Verbindlichkeiten im mittleren sechsstelligen Bereich von der mittlerweile neu gegründeten und ausgegliederten Volleyball-GmbH publik – die Meldung einer möglichen Insolvenz machte die Runde.
Schwierige Finanzlage, aber keine Insolvenz
"Es wird, Stand jetzt, keinen Insolvenzantrag durch den SC Potsdam geben und auch keinen für die Volleyball GmbH", sagte Rico Freimuth zweieinhalb Monate später im rbb24 Inforadio. Seit rund einem halben Jahr ist der 36-Jährige Vorstandsvorsitzer des SC Potsdam, dem Stammverein der für den Volleyball-Profisport zuständigen "SC Potsdam Sport & Marketing GmbH". Dass die seit letztem Sommer aufgrund der neu und mittlerweile korrekt aufgelegten Verträge große Verluste gemacht habe, sei richtig, sagt Freimuth.
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Auf der Webseite des SC Potsdam war Ende April von einem rund 333.000 Euro großen Defizit die Rede. Auch stimme es laut Freimuth, dass die nun von der Volleyball-Bundesliga VBL neu-lizenzierte GmbH ihren Stammverein um finanzielle Hilfe gebeten hat. "Es ist richtig, dass wir aktuell durch eine finanziell schwierige Zeit gehen", sagte er, "ich bin mir aber ziemlich sicher, dass wir aus der sehr schnell auch wieder rauskommen werden". Neues Personal, und neue "Expertise in verschiedenen Bereichen, wie der Finanzbuchhaltung", sollen dabei helfen.
Dennoch haben die Verfehlungen und Verluste der Vorjahre – auch für die Volleyballerinnen des SC Potsdam – die Weichen für die kurz- und mittelfristige Zukunft gestellt. "Nach dem Chaos merke ich eine neue Dynamik", sagte Eugen Benzel am Donnerstag im Gespräch mit rbb|24. Benzel ist der Geschäftsführer der noch jungen "SC Potsdam Sport & Marketing GmbH" und berichtet von einem offeneren Verhältnis zum Stammverein: "Wir arbeiten noch enger zusammen, kommunizieren täglich und es ist ganz, ganz wichtig, dass wir diesen Austausch haben." Man sei sich dabei auch inhaltlich einig, sehe die aktuelle Situation "als eine Art Neuanfang".
Konkurrenzfähigkeit statt Titelkampf
Die – unter Auflagen – erteilte Lizenz der VBL lässt dabei den Umkehrschluss zu, dass die GmbH des SC Potsdam mindestens 50 Prozent des Etats für die die kommende Saison nachweislich bereits gedeckt hat. Bis zum September müssen es mindestens 80 Prozent sein. Um das zu stemmen, werben Verein und GmbH aktuell intensiv um alte und neue Sponsoren und Partner. Um wie viel Prozent das Budget der Vorsaison zur neuen Spielzeit sinken wird, gibt der Verein nicht an. "Aber die Mannschaft wird finanziellen natürlich eine andere Größenordnung haben als letzte Saison", kündigte Eugen Benzel an.
13 Potsdamerin beim Champions-League-Spiel in Lodz. Einzig Danielle Harbin (5.v.l.) bleibt in Potsdam. | Bild: IMAGO/Newspix
In anderen Worten: Die Volleyballerinnen des SC Potsdam müssen sparen. Weder in der Spitze noch in der Breite wird das neue Team die Qualität der Vorsaison haben. Brenzel spricht von einer "guten Mischung aus Erfahrung und jungen Spielerinnen", einer starken Starting Six, die durch talentierte Spielerinnen ergänzt werden soll. Die Folge: Statt der Meisterschaft, spricht man beim SC Potsdam aktuell von "Konkurrenzfähigkeit". Die sei das Wichtigste und aus seiner Sicht absehbar, sagt Benzel und ergänzt: "Wohin uns das dann führt, werden wir sehen."
Städtische Förderung dank internationalen Wettbewerbs
Die Antwort steht und fällt mit der aktuell laufenden Kaderplanung. Einige Spielerinnen hätte man zwar noch nicht vorgestellt, aber bereits verpflichtet sagt Benzel. Darunter sei – neben Alina Nasin – eine weiter Spielerin, "die wir – ähnlich wie Anastasia Cekulaev – über die kommenden Jahre bei uns aufbauen wollen." Ohnehin soll (und muss) der Neuanfang mit einem Fokus auf das Ausbilden eigener (und günstigerer) Talente einhergehen. Erfahrene Verstärkung wird der SC Potsdam dennoch brauchen – die Champions League als Lockmittel fällt dabei weg. Immerhin: Trotz der aktuellen Krise wird der Klub kommende Saison im drittklassigen "Challenge Cup" europäisch spielen. Nicht zuletzt, um weiterhin eine an das internationale Geschäft geknüpfte Förderung von Stadt und Land ausgezahlt zu bekommen.
Für das Gros der letztjährigen Potsdamerinnen war besagter "Challenge Cup" offensichtlich kein Grund für eine Vertragsverlängerung. Die Lawine von Abgängen, die man durchaus als Flucht aus dem Potsdamer Chaos vergangener Monate interpretieren kann, hätte man natürlich gerne vermieden, sagte Eugen Benzel. Gleichzeitig versucht der Geschäftsführer, darin auch etwas Positives zu erkennen. Er sprach von "Begehrlichkeiten anderer Vereine mit dem nötigen Kleingeld" nach dem Meisterschafts-Halbfinale und dem Pokalfinale der Vorsaison sowie dem zuletzt gemachten Namen in Europa. Bleibt die Frage, wie viel von alledem sich der SC Potsdam auch in den nächsten Jahren auf die zuletzt stürmisch wehende Fahne schreiben kann.
Sendung: rbb24 Inforadio, 25.06.2024