Interview | Alba-Kapitänin Lena Gohlisch Interview | Alba Berlins Lena Gohlisch zwischen Eurocup, Titelträumen und Stress im "Nebenjob"
In der Bundesliga ungeschlagen, beim Eurocup-Debüt noch sieglos – Alba Berlins Frauen wandeln zwischen zwei Basketball-Welten. Ein Interview mit Kapitänin Lena Gohlisch über die europäische Premiere, Titelträume und eine Pause in ihrer Arztpraxis.
rbb|24: Lena Gohlisch, mit Alba Berlin sind Sie seit dem Wochenende in einer Länderspielpause – da denke ich eher an ein paar freie Tage inklusive Ausschlafen als an ein Interview um 8:30 Uhr. Warum also telefonieren wir so früh am Morgen miteinander?
Lena Gohlisch (lacht): Ich arbeite ja neben dem Basketball noch als Ärztin. Und da mein Urlaub diese Saison dreitägige Reisen zu Eurocup-Spielen sind, arbeite ich heute ganz normal in der Praxis. Und wir trainieren auch noch bis Mittwoch, dann haben wir vier Tage frei.
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Und wie nutzen Sie diese seltene Pause innerhalb der Saison?
Ich glaube, wir verteilen uns in alle Himmelsrichtungen und ein paar von uns fliegen in die Sonne. Bei mir geht es nicht ganz so weit weg, weil ich noch bis Freitag arbeite. Danach wartet aber ein bisschen Wellness.
Sie nehmen also als Ärztin Urlaub, um in Europa Basketball zu spielen. Und wenn sie davon mal eine Pause bekommen, arbeiten Sie als Ärztin. Nehmen Sie das für ihre erste Saison im Eurocup gerne in Kauf?
Auf jeden Fall! Der Eurocup war für mich auch mit ausschlaggebend, noch weiterzuspielen. Das ist für uns alle etwas Besonderes und für mich supercool. Ich komme aus Berlin, bin mit Alba den Weg aus der zweiten Liga mitgegangen und jetzt spielen wir europäisch – auch, wenn es bislang noch nicht ganz so gelaufen ist, wie wir uns das vorgestellt haben.
Diese stetige Alba-Entwicklung, die Sie ansprechen, kulminierte vergangene Saison im Gewinn der ersten Deutschen Meisterschaft. Gab es anschließend – einhergehend mit der ersten Eurocup-Teilnahme – weitere strukturelle Veränderungen?
Am einfachsten kann ich das an meinem eigenen Beispiel erklären: Ich hatte die letzten Jahre eine sehr extreme Doppelbelastung. In den letzten Playoffs habe ich gemerkt, dass es sehr schwierig wird, wenn man alle zwei Tage spielt. Jetzt habe ich mit dem Eurocup sogar eine Dreifachbelastung, sodass wir ein anderes Modell finden mussten.
Und wie sieht dieses Modell – mal abgesehen von ihrem geopferten Urlaub – diese Saison aus?
Der Deal ist, dass ich noch bis Ende Januar in der Praxis arbeite und den Fokus danach bis zum Saisonende ganz klar auf den Basketball lege. Da hat Alba alles versucht, eine Lösung zu finden, die mir in Richtung Playoffs ein paar mehr Regenerationszeiten beschert und auch sportlich Sinn macht.
Tiefer Dreier auf europäischem Parkett: Lena Gohlisch im Spiel gegen Ramla. | Bild: IMAGO/camera4+
Teil der Lösung ist vermutlich auch ein Gehalt, dass es Ihnen erlaubt, die Arbeit als Ärztin zumindest für eine Zeit lang ruhen zu lassen?
Genau, das Finanzielle ist ein Teil der Lösung. Auch neu ist zum Beispiel, dass Alba uns diese Saison angeboten hat, dass wir Autos gestellt bekommen können. Das haben zwar nicht alle Spielerinnen in Anspruch genommen, aber wir kommen dieses Jahr step-by-step an die Sachen heran, die bei den Männern schon normal sind. Gerade weil wir diesen neuen Rhythmus mit Spielen unter der Woche haben, versucht Alba uns viel abzunehmen, damit alle ihren Fokus - so gut es geht - auf den Basketball legen können.
In vier Eurocup-Spielen gab es bislang vier Niederlagen für Ihre Mannschaft. War das im Vorfeld zu erwarten bzw. zu befürchten?
Wir konnten tatsächlich vorher schwer einschätzen, wie das Niveau ist, weil außer Emily [Kiser, Neuzugang aus Griechenland, Anm.d.Red.] niemand von uns vorher im Eurocup gespielt hat. Direkt nach den Spielen war da schon immer viel Enttäuschung, weil wir nicht auf dem Level waren, was wir von uns selbst erwarten. Ich glaube aber, dass man auch super viel Positives mitnehmen kann, wenn man sich die Spiele anguckt.
Was genau macht Spiele im Eurocup denn anders und schwieriger als die in der Bundesliga?
In den ersten Spielen war ein bisschen Nervosität dabei und wir mussten uns erstmal an das physische Niveau gewöhnen. Gerade offensiv müssen wir da noch konstanter werden, weil wir viele Ups-and-Downs haben. Und wir arbeiten daran, defensiv die nächsten Schritte zu machen. In der deutschen Liga können wir selbst dominante Spielerinnen oft mit unseren sehr guten Verteidigerinnen im Eins-gegen-Eins stoppen. Im Eurocup gibt es Spielerinnen, bei denen das nicht funktioniert.
Ein weiterer Unterschied sind die Ergebnisse: In der Bundesliga sind Sie nach sechs Spielen ungeschlagen Tabellenführer. Besser hätte es bislang kaum laufen können, oder?
Prinzipiell können wir super zufrieden sein – auch wenn wir manchmal ein bisschen enttäuscht waren, wie wir gespielt haben. Gefühlt hat vier Wochen lang immer irgendjemand gefehlt, ob unser Point Guard oder im Post. Deswegen war der offensive Flow zwischendurch mal ein bisschen weg. Es ist sehr positiv, wie wir das als Team kompensiert haben – zumal wir jetzt in der Rolle des Gejagten sind, was ja auch noch neu für uns ist.
Ist es so deutlich spürbar, dass die anderen Bundesliga-Teams Ihre Mannschaft besonders gerne schlagen wollen?
Auf jeden Fall. Jedes Team ist natürlich super motiviert und die meisten kommen auch mit wenig Druck zu uns. Es sagen auch immer alle, dass sie besonders gerne in der Sömmeringhalle spielen, selbst wenn sie alle Fans gegen sich haben. Es ist eine Atmosphäre, die im deutschen Basketball sehr besonders ist und natürlich auch dahin pushen kann, dass man sagt: "Okay, jetzt holen wir uns den Sieg in Berlin."
Wobei das ein schwieriges Unterfangen ist. Letzte Saison waren 17 Siege in 18 Heimspielen ein Schlüssel auf ihrem Weg zum Titel. Wie zuversichtlich sind Sie, was dessen Verteidigung in dieser Saison angeht?
Wir wollen den Titel natürlich verteidigen, etwas anderes zu behaupten wäre quatsch. Wir wissen trotzdem, dass es nicht einfach wird. Unsere Rolle ist neu, Keltern [Vizemeister der Vorsaison, Anm. d. Red.] hat ein sehr gutes Team und andere haben sich jetzt nochmal verstärkt. Aber wenn du einmal dieses Gefühl hattest – Finale in der Sömmeringhalle, Spiel fünf, Deutscher Meister werden – dann willst du das natürlich wieder haben.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Jakob Lobach, rbb Sport.