Nach der Derbyniederlage Hertha BSC und die Bobic-Bruchlandung
Das verlorene Stadtderby zeigt, wie wenig Qualität in Fredi Bobics Hertha-Kader steckt. Der Sport-Geschäftsführer musste noch am Abend gehen.
Dank der Erfindung der Videoanzeigetafel haben Fußballvereine zahllose Möglichkeiten, ihre Fans vor Anpfiff auf das Spiel vorzubereiten. Hertha BSC wählte vor dem Stadtduell in der Fußball-Bundesliga gegen den 1. FC Union eine naheliegende: Auf den Anzeigetafeln im Olympiastadion lief ein Film mit vergangenen blau-weißen Derbytreffern.
Das Ende des Motivationsvideos ist rückblickend unfreiwillig komisch: Es zeigte den Brasilianer Ronny, wie er 2013 beim Torjubel auf die Nase fiel. Eine Bruchlandung, die Fredi Bobic problemlos toppt: Obwohl die Verpflichtung als Geschäftsführer Sport nach Bobics Zeit bei Eintracht Frankfurt ein Coup war, hat der Verein ihn nach anderthalb Hertha-Jahren gefeuert. Die fünfte Derbypleite in seiner Zeit brachte das Fass zum Überlaufen.
Hertha wurde unter Bobic schlechter
Einer knappen Mitteilung des Vereins ist zu entnehmen, dass es sich um eine einstimmige Entscheidung des Präsidiums und des Aufsichtsrats handelte. Mehr Erklärung will der Verein am Sonntag auf einer Pressekonferenz liefern. Es ist wohl keine Spekulation, anzunehmen, dass der schwache Hertha-Kader einer der Gründe für das Ende des nun Ex-Geschäftsführer Sport Bobic ist.
Insbesondere im Vergleich mit Union wird klar, dass Bobics ständiger Verweis auf Herthas miese Finanzlage keine Ausrede für seine teilweise nicht bundesligatauglichen Einkäufe ist. Der Union-Etat bewegt sich seit dem ersten Bundesligaaufstieg vor dreieinhalb Jahren in der unteren Hälfte der Liga. Doch sportlich sind die Eisernen spitze. Während sich Union kontinuierlich verbessert, wurde Hertha unter Bobic immer schlechter. Offenbar zu schlecht für den Neu-Präsidenten Kay Bernstein, der bisher stets die konstruktive Zusammenarbeit betonte, obwohl Bobic lieber dessen Gegenkandidaten Frank Steffel im Amt gesehen hätte.
Union hat mehr Qualität
Am Samstag scheiterte Hertha nicht am fehlenden Willen der Spieler. Sie gaben alles, was sie hatten. Von Anfang an stürzte sich die Schwarz-Elf in die Duelle, presste Union hoch an und sorgte damit für einige Verunsicherung bei den Eisernen. Bis zur 40. Minute gewann Hertha 65 Prozent der Zweikämpfe – ein Spitzenwert. Ein Tor gab es trotzdem nicht, es ergab sich noch nicht mal eine Chance. Stattdessen traf Union, 1:0 in der 40. Minute. "Kurz vor der Halbzeit kam der Standard, da war der Spielverlauf dann für Union", erklärte Sandro Schwarz etwas oberflächlich. Denn anhand dieses Tores lassen sich einige der Unterschiede zwischen Hertha und Union aufzeigen.
Während Hertha BSC in dieser Saison unglaublichen Aufwand betreiben muss, um Torchancen zu erspielen, reicht den Unionern im Zweifelsfall einer ihrer hervorragenden Standardsituationen, um das Spiel an such zu reißen. Der ehemalige Underdog Union kann sich mittlerweile sogar auf individuelle Klasse verlassen: Innenverteidiger und Sommerneuzugang Danilho Doekhi traf mit seinem vierten Bundesliga-Torabschluss zum vierten Mal per Kopf. "Wir haben Standards viel trainiert, das ist eine Waffe von uns", erklärte Doekhi, der ablösefrei zu Union wechselte. Qualität, die Hertha fehlt. Verantwortlich dafür sind Fredi Bobic und sein Kaderplaner Dirk Dufner.
Hertha zeigt gute Kampfleistung
Auch Hertha trainiere viele Standards, beteuerte Sandro Schwarz. Aber das Ergebnis ist offensiv und defensiv deutlich schlechter als beim Stadtrivalen Union. Wenn es also nicht an der fehlenden Übung liegt, stellt sich schnell die Frage nach der Qualität der Mannschaft. Herthas erster Torabschluss war ein Distanzschuss in der 33. Minute. Trotzdem lobte Sandro Schwarz nach dem Spiel die Offensivbemühungen seiner Mannschaft.
Es scheint, als habe er sich die Frage nach der Qualität der Mannschaft angesichts von nur 20 Toren in 18 Spielen bereits selbst beantwortet. Seine Erwartungen an die von Bobic verpflichteten Spieler sind niedrig. Dabei mangelt es dem Trainer nicht an Verbesserungsideen. 15 erfolglose Flanken schlug seine Mannschaft gegen Union. Mittelstürmer Wilfried Kanga wartete im Strafraum oft ganz allein auf den Ball. "Im 4-3-3 müssen die Achter bei Flanken den Strafraum besetzen", forderte Schwarz deshalb. Ob die Spieler seine Wünsche umsetzen können, ist fraglich.
Union reicht mäßige Leistung gegen Hertha
Mut macht da nur, dass auch die Unioner streckenweise Probleme hatten, die Wünsche ihres Trainers umzusetzen. Die Schwierigkeiten seiner Mannschaft hätten mit Herthas gutem Pressing zu tun gehabt, lobt Union-Coach Urs Fischer den Gegner. Allerdings findet der Schweizer auch, seine Mannschaft habe verkrampft gewirkt. Tatsächlich fehlte den Eisernen bis zur Halbzeitpause, was sie sonst auszeichnet. Die Unioner gewannen weder zweite Bälle noch Zweikämpfe und wirkten von Herthas harter Gangart etwas eingeschüchtert.
Gegen Herthas Offensive konnten sie sich das zu Fischers Glück erlauben. Union ist Hertha enteilt. Auch eine mäßige Leistung reichte im Januar 2023, um den Stadtrivalen zu schlagen und damit nach einer vermeintlich ruhigen Phase im Verein zurück ins Chaos zu stürzen. Bobic hatte zahlreiche Abteilungen des Vereins nach seinen Vorstellungen umgekrempelt - was aus den Mitarbeitern wird, die er geholt hat, ist unklar. Zudem wird die Entlassung des Zuständigen Bobic kurz vor Ende der Transferphase eher nicht dazu führen, dass Herthas Kader in dieser Saison noch besser wird.
Sendung: rbb24 Inforadio, 28.01.2023, 20:15 Uhr