Interview | Sponsoring im Frauen-Fußball "Da sind viele politische Floskeln und tatsächlich Scheinheiligkeit"
Trotz der Rückkehr in die Fußball-Bundesliga fehlt Turbine Potsdam ein Hauptsponsor. Im Interview erklärt Präsident Karsten Ritter-Lang, warum das Sponsoring von Frauen-Fußball-Vereinen bei Unternehmen oft noch keine Rolle spielt.
rbb|24: Hören Sie oft, dass Unternehmen in der Zusammenarbeit mit Frauenfußballvereinen keine Zukunft sehen?
Karsten Ritter-Lang: Nein, gar nicht. Das ist ja ein noch völlig unterrepräsentiertes Thema. Aus einem Bericht von PWC [PricewaterhouseCoopers International, u.a. Unternehmensberatung, Anm. d. Red.] geht zum Beispiel hervor, dass es im Männerfußball im Sponsoringbereich gerade eine Stagnation gibt. Und bei den Frauen soll es in den nächsten Jahren einen Boom geben.
Es wird immer mehr Aufmerksamkeit generiert. Wir merken es auch an den Zuschauerzahlen in den Stadien, die ansteigen. Da passiert eine Menge. Was aber noch nicht passiert, ist dass die Firmen das wahrnehmen und sagen, das kann für uns eine Plattform sein, um unser Produkt zu platzieren. Frauen sind gesundheitsbewusst und vorsorgeorientiert. Aber in diesen Bereichen passiert noch relativ wenig. Auch die Modebranche macht im Sport fast noch gar nichts. Und das, obwohl Frauen im Jahr vier Mal mehr als Männer konsumieren.
Woran liegt es dann, dass sich die Sponsorensuche als so schwierig darstellt?
Weil es noch nicht in den Köpfen der Leute angekommen ist. Turbine hat sich jahrzehntelang nur mit sich selbst beschäftigt. Die Zusammenarbeit mit der AOK [war zehn Jahre lang Hauptsponsor; Anm. d. Red.] war eine relativ bequeme Lösung. Da dachte man, das geht immer so weiter. Wir müssen da breiter denken, wir müssen uns nach außen anders darstellen.
Turbine-Präsident Karsten Ritter-Lang
Also hat der Frauenfußball auch eine Mitverantwortung an der zähen Entwicklung im Sponsoringbereich?
Das allgemeine Thema ist Sichtbarkeit des Frauenfußballs. Da ist vom DFB immer mal was gemacht worden, aber es war eben nie eine richtige Kampagne und eine Nachhaltigkeit dahinter. Google Pixel [Sponsor der Frauen-Bundesliga; Anm. d. Red.] nimmt jetzt zum Beispiel viel Geld in die Hand für Sichtbarkeit. Die machen es richtig. Über Sichtbarkeit generiert man die Fans, die Besucher, die Mitglieder. Und das erzeugt dann wiederum die nächste Wirkung, dass die Firmen dann vielleicht mal anfangen, darüber nachzudenken.
Wenn jemand die Gleichberechtigung wirklich will, dann soll er unsere Kontonummer erfragen.
Mitte August haben Sie zur Unterstützung bei der Suche nach einem Hauptsponsor aufgerufen. Was haben sie zuvor für Erfahrungen gemacht, als sie auf Unternehmen zugegangen sind?
Wir sind der David und nicht der Goliath, dem die Sponsoren zulaufen. Die großen Vereine mit den Männerabteilungen machen ja kaum Eigenakquise. Die arbeiten mit Agenturen zusammen.
Diese Agenturen haben wir auch in der Vergangenheit angesprochen, aber die hatten kein Interesse, mit uns zusammenzuarbeiten. Die Beträge, um die es bei uns geht, sind für die uninteressant. Deswegen müssen wir das alles selbst machen. Das ist ganz mühseliges Klinkenputzen. Wir schreiben Unternehmen an – regional und überregional. Wir schicken 100 E-Mails weg und kriegen sieben Antworten. Davon sind fünf Absagen und zwei sagen: "Wir können uns das vorstellen" und das verläuft dann aber auch im Sande.
Hat sich nach ihrem Aufruf daran etwas geändert?
Nicht wesentlich. Wir hatten im letzten Jahr eine GoFundMe-Kampagne, die ein Mitglied von uns aus der Not heraus ins Leben gerufen hat. Die kam aber zum Erliegen, als wir den Sponsor Crazybuzzer vorgestellt haben. Wir denken jetzt darüber nach, diese Kampagne, die ja noch existiert, wieder verstärkt zu bewerben.
Sie haben mal gesagt, dass die viel gepredigte Gleichberechtigung von Frauen nicht gelebt wird. Was machen Sie da für Erfahrungen?
Da sind in meiner Wahrnehmung viele politische Floskeln und tatsächlich Scheinheiligkeit dabei. Wenn jemand die Gleichberechtigung wirklich will, dann soll er unsere Kontonummer erfragen und dann können wir unsere Spielerinnen richtig gut bezahlen.
Sie sind auch jetzt nicht schlecht gestellt bei uns. Wir sind sehr darauf bedacht, dass wir fair bezahlen. Das wäre aber gelebte Realität. Wenn jemand will, dass die Frauen für sportliche Höchstleistung ordentlich bezahlt werden. Wenn ich dann immer nur Sprüche höre wie: Wir müssen hier was tun, und da müssen die Frauen was tun, dann sind das alles politische Floskeln, die im Raum stehen, aber nicht mit Leben gefüllt werden.
Konkret nach Geld gefragt: Wie viel brauchen Sie denn von einem potentiellen Hauptsponsor?
Ich kann keine Details nennen, aber bei großen Sponsoren sprechen wir über sechsstellige Bereiche. Also nicht über Millionensponsoren. Wenn jemand ein, oder zwei Millionen hat, die er nicht braucht, hätte ich dafür natürlich Verwendung. Aber insgesamt ist das im Vergleich zum Männerfußball noch ein deutlicher Unterschied.
Die Saison hat bereits begonnen. Was passiert, wenn sich weiterhin kein Hauptsponsor findet?
Wir sind proaktiv unterwegs und führen Gespräche. Wir haben im Augenblick nichts Konkretes, aber wir treffen immer wieder auf offene Ohren. Das sind Prozesse, die brauchen Zeit. Viele Unternehmen machen jetzt im Herbst ihre Budgetplanung fürs nächste Jahr. Da warten wir auch noch, was dann kommt. Wir müssen irgendwie gucken, dass wir Leute finden. Ob das jetzt ein Hauptsponsor ist oder zehn kleine, ist egal. Ich freue mich auch über jede kleine Firma, die mit 1.000 Euro um die Ecke kommt. Die Sponsoren erhalten ja auch etwas dafür.
Wir schicken 100 E-Mails weg und kriegen sieben Antworten. Davon sind fünf Absagen.
Was sind Ihre Argumente für ein Sponsoring bei Turbine Potsdam? Was sagen Sie den Unternehmen?
Wir reden schon über Bewahrung von Tradition. Wir sind in der ewigen Bestenliste des Frauen-Fußballs immernoch auf Platz eins. Wir haben sehr familiäre Strukturen. Die Nahbarkeit der Spielerinnen, die Fans - das spüren Firmen ja auch. Damit kann man natürlich Dinge transportieren und Produkte platzieren. Das wird gesehen. Ich habe eine Vision. Ich bin der festen Überzeugung, dass ein reiner Frauenfußballverein mit so einer Struktur, wie wir sie haben, ein Alleinstellungsmerkmal hat, das auch den Firmen helfen kann. Turbine ist etwas Besonderes und das muss erhalten werden.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Antonia Hennigs, rbb|24 Sport. Das Interview ist eine redigierte und gekürzte Fassung.
Sendung: rbb24 Inforadio, 31.08.24, 9:30 Uhr