American Football American Football: Wie die "Flusskrebse" Football in Cottbus aus der Nische holen wollen
Nach mehr als einem Jahrzehnt sind die Footballer der Cottbus Crayfish zurück in der 2. Liga. Erklärtes Ziel der Mannschaft ist der Klassenerhalt. Und: den Dornröschenschlaf des American Football in der Region zu beenden. Von Thomas Juschus
Die letzten Tage vor dem ersten Kickoff in der German Football League 2 (GFL2) hatten und haben es für Björn Wöhrle, dem Teammanager der Cottbus Crayfish, nochmal richtig in sich. Zum sogenannten "Season-Opener", der Saisoneröffnung, am Samstag (1. Juni) im Sportzentrum Cottbus gegen die Oldenburg Knights (Kickoff: 16 Uhr) soll schließlich alles möglichst perfekt laufen.
Live-Stream, Catering, Spielfeld – an vielen Stellen muss der 50-Jährige mit seinem Team an ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern letzte Hand anlegen, nebenbei in den lokalen Medien und auf Social Media kräftig die Werbetrommel rühren.
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Der erste hauptamtlicher Mitarbeiter
2011 und 2012 gehörte der 1993 gegründete Verein, der den Krebs aus dem Cottbuser Stadtwappen in seinem Namen trägt, zwar schon einmal für zwei Jahre der zweithöchsten deutschen Spielklasse an, seitdem hat sich aber der Sport hierzulande enorm entwickelt und erlebt in Deutschland seit einigen Jahren einen regelrechten Boom.
Den hat auch der Einstieg des Fernsehsenders RTL in die Übertragungen der US-Profiliga NFL weiter befeuert. "Die GFL1 ist inzwischen sehr professionell aufgestellt. Die GFL2 zieht jetzt nach und versucht, die Lücke zu schließen. Die Lizenzbedingungen zu erfüllen, war schon deutlich schwieriger und aufwändiger als noch in der Regionalliga. Das ist ehrenamtlich nicht mehr zu stemmen", erklärt Björn Wöhrle.
Logische Konsequenz: Der 50-Jährige ist im ca. 160 Mitglieder zählenden Verein seit kurzem der erste hauptamtliche Mitarbeiter der Cottbuser "Flusskrebse". Und kümmert sich um fast alles – und hat zudem auch noch Zeit und Muße, in der Offense Line auf dem Feld zu stehen.
Die fast perfekte Saison
Nach zweiten Plätzen in der Regionalliga 2021 und 2022 spielten die Cottbus Crayfish im vergangenen Jahr eine fast perfekte Saison. Mit elf Siegen bei nur einer Niederlage stieg der Klub als Meister der Regionalliga Ost zum zweiten Mal nach 2011 direkt in die GFL2 auf.
"Wir hatten aber, nachdem die Mannschaft die sportliche Hürde genommen hatte, zunächst vereinsintern noch einige Diskussionen, ob der Verein organisatorisch und wirtschaftlich in der Lage ist, die GFL2 zu stemmen", sagt Wöhrle. "Nachdem wir aber zuvor zweimal Vizemeister waren, haben wir gesagt: Lasst es uns versuchen!", erklärt Wöhrle.
Football punktet mit familiärer Atmosphäre
Trotz seiner über 30-jährigen Geschichte und so mancher Erfolge ist American Football in Cottbus in einer Nische und von der Popularität der Fußballer des FC Energie und der Handballer des LHC – beide sind gerade in die 3. Liga aufgestiegen – ein gutes Stück entfernt. Rund 500 Zuschauer besuchten 2023 im Schnitt die Regionalliga-Spiele.
"Football ist immer noch eine unbekannte Nummer in Cottbus", hat Björn Wöhrle bei vielen seiner Akquise-Gespräche in der Region festgestellt. Immerhin sei es gelungen, zwei neue überregionale Sponsoren zu gewinnen, die dabei helfen, einen Etat von 60.000 Euro für die erste GFL2-Saison zu stemmen.
Und es gibt sogar noch etwas Luft nach oben. "Wir müssen jedes Mal Überzeugungsarbeit leisten. Wir können aber fast immer mit der familienfreundlichen Atmosphäre beim American Football punkten. Die Fans machen aus jedem Spiel ein Fest – und bei uns gibt es keine Ausschreitungen", sagt Wöhrle, der in dieser Saison den Zuschauerschnitt in der semi-professionellen GFL2 gern auf 1.000 Besucher pro Spiel verdoppeln würde.
Helfen würden dabei natürlich weitere sportliche Erfolge, dafür hält Jörg Steudtner als Vereinschef und Head Coach in Personalunion die Fäden in der Hand. Seit März befindet sich sein rund 50-köpfiges Team in der intensiven Vorbereitung. "Es gibt diese Saison nur ein Ziel – das ist der Klassenerhalt", sagt Steudtner, der ein Mann der ersten Stunde für American Football in Cottbus ist. Zum Auftakt gegen Oldenburg komme es darauf an, zu zeigen, "dass wir in der Liga mithalten können – bei Geschwindigkeit, Taktik und Erfahrung. Das wird eine Herausforderung, aber wir sind gut aufgestellt", sagt der 50-Jährige.
Acht neue Import-Spieler, darunter vier US-Boys
Im Crayfish-Kader stehen überwiegend Spieler aus der Region: etwa aus Cottbus, Spremberg und Senftenberg. Aber um die sportlichen Ziele zu erreichen, wurden vor der Saison zahlreiche Spieler gescoutet und letztlich acht "Import-Footballer" unter Vertrag genommen.
Die Schlüsselrolle kommt dabei Tionne Harris zu. Der 24-jährige US-Amerikaner, der aus Missouri stammt und seit seinem fünften Lebensjahr American Football spielt, ist als sogenannter Quarterback (Spielmacher) der designierte Kopf der Mannschaft. Ebenfalls aus den USA sind Payton Schott (23 Jahre / Wide Receiver), Robbie Williamson jr. (26 / Cornerback) und Marco Olivas (23 / Linebacker).
Die US-Boys haben alle eine mehr oder minder erfolgreiche College-Karriere hinter sich, den ganz großen Wurf – den Sprung in die NFL – aber verpasst. "Hier können sie ihren Sport weiter machen, Europa kennenlernen und ein bisschen Geld verdienen", erklärt Wöhrle. Ebenfalls für 2024 neu im Kader sind die beiden Briten Otis Newbury (23 / Wide Receiver) sowie 150-Kilo-Hüne Maxwell Vanhorne (22 / Offense Line), der Pole Tymoteusz Zienewicz (20 / Running Back) und der Däne Steven Andersen (23 / Defense Back).
Voraussetzungen stimmen
Teammanager Wöhrle wünscht sich für die Rückkehr in die GFL2 ebenfalls den Klassenerhalt für die Cottbuser. "Wir wissen nicht, wo wir stehen – sehen uns aber mit drei, vier Mannschaften auf Augenhöhe", so Wöhrle, der dabei vor allem Quarterback Tionne Harris & Co. setzt. "Die Importe sind die ausschlaggebenden Spieler beim Erreichen der sportlichen Ziele – ohne sie würden wir nicht weit kommen", sagt Wöhrle.
Er vertraut dabei auch auf die Expertise von Head Coach Jörg Steudtner. "Jörg ist eine American-Football-Legende, über Cottbus hinaus. Er bringt sehr, sehr viel sportliche Kompetenz mit und hat bislang immer ein sehr gutes Händchen beim Scouting gehabt." Die Voraussetzungen für das Projekt Klassenerhalt scheinen also zu stimmen – und damit auch, American Football in Cottbus einen weiteren Schritt aus der Nische zu holen.