Überraschungscoup in der Handball-Bundesliga TSV Hannover-Burgdorf - mit unbändigem Willen zum "Sahnetag"
Handball-Bundesligist TSV Hannover-Burgdorf hat am Sonntag etwas geschafft, was vielen anderen Clubs zuvor nicht gelingen wollte - den SC Magdeburg zu bezwingen. Es war ein magischer Spätnachmittag in der TSV-Arena, mit ganz viel Dramatik und Emotionen. Dabei schien die Lage schon aussichtslos zu sein.
Als sechs Minuten nach Wiederbeginn die erste Aufholjagd fehlgeschlagen und aus dem Vier-Tore-Rückstand zur Pause einer mit sechs Treffern geworden war, dürfte wohl nahezu jeder unter den 9.900 Zuschauern in der TSV-Arena folgende Gedanken gehabt haben: "Hannover-Burgdorf wird nicht aufgeben, aber am Ende wird es gegen den SCM einfach nicht reichen. Magdeburg ist einfach zu gut. Die sind ja nicht umsonst zuvor wettbewerbsübergreifend 30 Partien lang ohne Niederlage geblieben."
Sie sollten sich gewaltig täuschen. Direkt nach dem 16:22 beorderte TSV-Trainer Christian Prokop den Dänen Simon Gade für Dario Quenstedt ins Tor, und von dem 27-Jährigen ging durch zwei starke Paraden zum Einstand sofort eine Aufbruchstimmung aus. Gade hielt dieses Niveau - er ließ in den restlichen gut 24 Minuten nur fünf Bälle ins Netz passieren.
Hannover-Burgdorf siegt per Kempa-Trick
Insgesamt drei Spieler waren es, die aus einer fantastischen TSV-Mannschaft noch ein wenig herausragten. Neben Gade waren dies TSV-Kapitän Marius Steinhauser, der mit zehn Treffern der beste Torschütze im ganzen Spiel war, und Rückraumspieler Uladzislau Kulesh. Der belarussische 2,06-Meter-Hüne entschied letztlich die Partie zugunsten der Niedersachsen.
Er traf in der Schlussminute zunächst zum 27:26 und nach dem Ausgleich des Mageburgers Felix Claar fünf Sekunden vor der Schlusssirene auch zum frenetisch gefeierten 28:27-Siegtor - per Kempa-Trick auf Zuspiel von Branko Vujovic.
"Wir haben so eine gute Truppe."
— TSV-Kapitän Marius Steinhauser
"Der Glaube war einfach enorm da", sagte Steinhauser dem NDR. Und dies auch, nachdem Chancen vergeben worden seien. "Das ist dann das Wichtigste für eine Mannschaft, dass du den Glauben behältst, dir weiter Chancen erspielst - und dann ist das auch eine emotionale Sache."
Wie wahr! Die Zuschauerinnen und Zuschauer erlebten einen unglaublichen Kampf des Prokop-Teams. Oftmals wird dann gerne von magischen Abenden gesprochen, am Sonntag war es ein magischer Spätnachmittag. "Wir haben so eine gute Truppe", schwärmte Steinhauser. "Wir hatten einen Sahnetag und vor allem den Willen, alles in die Waagschale zu werfen. Jeder hat sich zerrissen für den anderen. Dann braucht man natürlich das Quäntchen Glück, einen geilen Torhüter hinten drin und eine gute Abwehr." Und klar, räumte Steinhauser ein, die Erfolgsserie der Magdeburger sei schon beeinruckend gewesen. "Aber eine solche Serie ist ja auch irgendwann dazu da, dass man sie reißt."
Bonuspunkte im Kampf um Europapokal-Rang
Der Sieg der "Recken" hat vielfältige Auswirkungen. Er hat der TSV zwei Bonuspunkte im Kampf um die Qualifikation für den Europapokal verschafft, er hat auch dem Tabellendritten SG Flensburg-Handewitt Nordhilfe im Kampf um die Champions-League-Qualifikation geleistet, da der Rückstand auf den SCM nun "nur" noch vier Punkte beträgt. Und er wird auch das Aussehen des Magdeburger Trainers Bennet Wiegert verändern.
"Recken" rasieren SCM-Trainer Wiegert
Dieser hatte sich seit September des vergangenen Jahres, seit Beginn der Erfolgsserie, nicht mehr rasiert - mit der Folge, dass er in den vergangenen Wochen doch gewisse Ähnlichkeiten mit dem Räuber Hotzenplotz aufwies. Der SCM-Trainer hatte schon vor der Partie in Hannover gesagt, dass ihm der Hype darum zu groß geworden sei. "Ich hätte ihn eigentlich schon eher abgenommen, wenn mein verdammter Aberglaube mich nicht manchmal besiegen würde", sagte Wiegert bei DYN.
"Es fühlt sich ganz, ganz schrecklich an."
— SCM-Trainer Bennet Wiegert
Nach der Partie vermittelte er den Eindruck, dass er den Bart liebend gerne noch hätte wuchern lassen. "Die Niederlage fühlt sich natürlich ganz, ganz schrecklich an, weil wir es einfach nicht gewohnt waren. Dass dieser Moment kommen würde, war uns natürlich bewusst", sagte er und mit dem Verweis auf den zwischenzeitlichen Sechs-Tore-Vorsprung seines Teams: "Das soll jetzt nicht respektlos gegenüber der TSV Hannover-Burgdorf klingen, denn sie hat fantastisch und aufopferungsvoll gekämpft, aber das hätte heute nicht sein müssen."
TSV schon am Dienstag in der European League gefordert
Für die "Recken" bleibt nicht viel Zeit, um den Triumph ausgiebig genießen zu können. Am Dienstag geht es in der European League. Dort steht um 20.45 Uhr die Partie bei den Rhein-Neckar Löwen auf dem Programm. Hannover-Burgdorf hat durch ein 32:38 gegen HBC Nantes die Topposition in der Gruppe I eingebüßt. Nur der Sieger qualifiziert sich direkt für das Viertelfinale, die Zweit- und Drittplatzierten gehen um Ostern herum in eine Play-off-Runde.
Steinhauser zieht sowohl aus der Niederlage gegen Nantes als auch aus dem Sieg gegen Magdeburg viel Motivation für das Duell mit dem Bundesligakonkurrenten. "Wir haben auch in der European League eine gute Ausgangsposition, auch wenn wir da zuletzt gegen Nantes etwas geschwächelt haben", sagte der Rechtsaußen und fügte mit einem Lächeln hinzu: "Da müssen wir jetzt ein bisschen etwas gutmachen."
Dieses Thema im Programm:
NDR 2 Sport | 18.02.2024 | 23:03 Uhr