Triumph im 110. Derby SG Flensburg-Handewitt deklassiert THW Kiel
Handball-Bundesligist SG Flensburg-Handewitt hat in dieser Saison auch das zweite Derby gegen den THW Kiel für sich entschieden - und wie! Das Team von der deutsch-dänischen Grenze kam dank einer ganz starken Vorstellung zu einem souveränen 33:26 (13:10) beim deutschen Rekordmeister Kiel.
Es war so deutlich anders als im Hinspiel. Anfang September war es in Flensburg ein Krimi, den Emil Jakobsen erst in der Schlusssekunde mit 28:27 für die SG entschied. Am Sonnabend war das 110. Landesderby schon eine Viertelstunde vor dem Ende weit von einer ähnlichen Dramatik entfernt. Das Team von SG-Trainer Nicolej Krickau war einfach zu dominant - es hatte etwas von einer Vorführung. Für die SG war es in der Bundesliga der höchste Auswärtssieg in Kiel. Bisher war es in dem Wettbewerb ein 29:25 (10. Mai 2018) gewesen.
"Es war fast das perfekte Spiel in der Abwehr."
— SG-Kapitän Johannes Golla
"Wir wollten den Kielern zeigen, dass es gegen uns heute keinen Spaß machen würde", sagte der überragende SG-Kapitän Johannes Golla, mit neun Treffern auch erfolgreichster Spieler der Partie, im Interview mit der ARD. "Es hat alles zusammengepasst, wir haben uns an den Plan gehalten." Letzteres freute natürlich Krickau ganz besonders: "Wir haben hier ein Erlebnis bekommen und sind total zufrieden." THW-Kreisläufer Patrick Wiencek brachte es auf den Punkt: "Flensburg war einfach besser als wir und hat verdient hier gewonnen."
Während Flensburg durch diesen hochverdienten Erfolg am 26. Spieltag seine Chance auf den zweiten Tabellenplatz und damit auf die Champions-League-Qualifikation wahrte, ist diese für den THW dahin. Das sah auch Trainer Filip Jicha so: "Es wäre respektlos gegenüber den anderen Mannschaften, die Unglaubliches leisten. Magdeburg und Berlin gehen vorne ihren eigenen Weg", sagte er. Zudem habe man jetzt drei Minuspunkte mehr auf dem Konto als Flensburg. Die SG ist Dritter mit 39:11 Zählern, Kiel ist mit jetzt 34:14 Punkten hinter Melsungen auf Rang fünf abgerutscht.
"Das ist für mich ein brutal trauriger Tag."
— THW-Trainer Filip Jicha
Die "Zebras" können sich nun komplett auf die aktuelle Saison in der "Königsklasse" konzentrieren. Dort stehen sie im Viertelfinale. Die Darbietung am Sonnabend dürfte aber nicht viel Hoffnung auf einen Triumph in jenem Wettbewerb lassen.
Torwart Kevin Möller sofort der Rückhalt der SG
Krickau hatte vor der Partie im Interview mit dem NDR gesagt, dass er für sein Team "Vorteile auf der Torhüterposition" sehe. Für den Verlauf von Hälfte eins war dies in jedem Fall zutreffend - SG-Keeper Kevin Möller stach sein Kieler Pendant Tomas Mrkva deutlich aus. Wiencek scheiterte genauso am Dänen wie auch Nikola Bilyk, der in der Offensive auf der Mitte begann, oder auch wie Elias Ellefsen á Skipagotu und der schwedische Rechtsaußen Niclas Ekberg, der im Sommer den THW nach dann zwölf Jahren verlassen wird und für den demzufolge sein 39. Derby auch das letzte war.
Hinzu kamen noch zwei Aluminumtreffer durch Eric Johansson und einen von Ekberg am Tor vorbeigesetzten Dreher. Kurzum: Es waren aus Sicht der Gastgeber deutlich zu viele Fahrkarten, und bei eigener Überzahl (Zeitstrafe für Johannes Golla, 14.) gelang kein Treffer.
"Ich habe die Auszeit genommen, um euch ein bisschen zu beruhigen."
— THW-Trainer Filip Jicha
So war es nur allzu verständlich, dass Jicha wenig später die grüne Karte auf dem Zeitnehmertisch ablegte. Sein Team befand sich zu dem Zeitpunkt mit 4:7 im Hintertreffen. "Ich habe die Auszeit genommen, um euch ein bisschen zu beruhigen. Ihr spielt gut, aber ihr macht die Dinger nicht rein", ließ der Tscheche seine Spieler wissen.
Zu einem Bruch der Flensburger Spielfreude führte diese Unterbrechung aber nicht. Die SG bot eine starke Vorstellung. Jim Gottfridsson zog auf der Spielmacherposition gekonnt die Fäden und wurde als Ideengeber immer wieder auch von den Dänen Mads Mensah Larsen und Simon Pytlick unterstützt. Letztgenannter leitete etwa mit einem starken hohen Anspiel einen herausragenden Treffer per Kempa-Trick aus spitzem Winkel von Linksaußen Emil Jakobsen ein (17.).
Flensburg führt kurz vor der Pause mit fünf Toren Differenz
Kiel kam, auch weil sich Mrkva steigerte, durch Wiencek zwar auf 7:8 heran (19.), doch danach lief für die Kieler gegen eine exzellente Gäste-Abwehr um Kapitän Golla im Mittelblock nur noch ganz wenig. So setzte sich das Krickau-Team wieder ab - und zwar noch deutlicher als zuvor. Boris Zivkovic brachte die SG in der 29. Minute erstmals mit fünf Toren in Führung (13:8). Aber: Kiel verkürzte durch Karl Wallinius und Steffen Weinhold noch auf 10:13 zur Pause.
SG-Torwart Möller war beim Gang in die Kabine nur zur Hälfte zufrieden: "Wir müssen uns vorne steigern. 13 Tore - da ist noch viel Potenzial. Und hinten müssen wir so weitermachen. Drei Tore können schnell weg sein."
Kiel gleicht aus, aber wird schnell wieder distanziert
Wie recht er damit haben sollte. Nach gerade einmal 91 gespielten Sekunden im zweiten Durchgang hieß es 13:13. Kurz darauf wurde es kurios. Nachdem die Kieler einmal mehr an Möller gescheitert waren, fand sich kein Feldspieler, der mit Mrkva zurücktauschen mochte, um den Platz zwischen den Pfosten zu besetzen. Gottfridsson wirkte etwas erstaunt, hob den Ball aber lässig ins leere Tor - Flensburg führte wieder mit 16:14 (35.).
"Dass wir da mental stark geblieben sind, war wahrscheinlich unsere allergrößte Leistung", sagte Golla nach der Partie. Wenig später waren es drei Tore Vorsprung (19:16, 37.), dann auch schon bald mit dem 22:17 wieder die fünf Treffer. "Wir haben dann das Spiel komplett aus der Hand gegeben", sagte Jicha, der nach dem erneuten Rückstand in der Höhe eine Auszeit genommen hatte.
THW Kiel - SG Flensburg-Handewitt 26:33 (10:13)
Tore THW Kiel: Wiencek 4, Överby 4, Bilyk 3, Dahmke 3, E. Ellefsen a Skipagotu 3, Ekberg 2, M. Landin 2/1, Duvnjak 1, Johansson 1, Reinkind 1, Wallinius 1, Weinhold 1
Tore SG Flensburg-Handewitt: Golla 9, Gottfridsson 5, J. Hansen 5, Pytlick 4, Zivkovic 4, Larsen 2, E. M. Jakobsen 1, Jörgensen 1, L. K. Möller 1, Pedersen 1
Zuschauer: 10.285 (ausverkauft)
Strafminuten: 10 / 6
Aber: Flensburg blieb enorm fokussiert, strahlte große Selbstsicherheit aus. Golla, der hinten abräumte und vorne traf, sorgte mit zwei Treffern in schneller Abfolge mit dem 25:19 für die erste Sechs-Tore-Führung. Pytlicks großartiges Tor per Unterarmwurf zum 27:20 (48.) war schon eine Vorentscheidung.
Beim Stand von 21:29 (50.) nahm Jicha eine weitere Auszeit, um einen Appell an sein Team zu richten. "Wir müssen da zupacken, das geht um unsere Ehre, Männer", sagte er. Doch viel besser wurde es nicht mehr, weil Flensburg einfach nichts gestattete. Am Ende war es für die SG der höchste Bundesliga-Auswärtssieg in Kiel überhaupt. "Alles in allem waren wir wahrscheinlich in jeder Statistik unterlegen", sagte THW-Linksaußen Rune Dahmke.
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Schleswig-Holstein Magazin | 23.03.2024 | 19:30 Uhr