Nach Osnabrück-Pleite HSV-Trainer Baumgart will alles hinterfragen
Der HSV steht nach der ebenso verdienten wie blamablen 1:2-Pleite gegen 2.-Liga-Schlusslicht VfL Osnabrück vor unruhigen Zeiten. Der neue Coach Steffen Baumgart wirkte nach dem blutleeren Auftritt seines Teams desillusioniert und kündigte an, Dinge nun grundsätzlich hinterfragen zu wollen.
Die Momente, in denen es am Sonntagnachmittag Szenenapplaus von den Rängen im Volksparkstadion für gelungene HSV-Aktionen gab, sie waren sehr selten. Nur ein paar Mal in dem fußballerisch unansehnlichen Nordduell wurden gewonnene Zweikämpfe oder gelungene Pässe (davon gab es sehr wenige) von den Fans des Aufstiegsanwärters besonders heftig beklatscht. Noah Katterbach gehörte zu den wenigen Hamburger Spielern, die einen solchen Sonderapplaus erhielten. Der für den angeschlagenen Miro Muheim in die Startelf gerückte Linksverteidiger verdiente sich die Zuneigung der Anhängerschaft durch viele Ballgewinne sowie eine sehr hohe Laufbereitschaft.
Dafür gab es anschließend ein Sonderlob von dem Mann, der ihn zu gemeinsamen Zeiten beim 1. FC Köln kaum berücksichtigt hatte: Steffen Baumgart. "Noah hat es sehr gut gemacht. Er hat das gezeigt, was ich am meisten sehen möchte: viel Herz", sagte der Trainer über den 22-Jährigen, der im Winter mangels sportlicher Perspektive bei seinem Jugendclub zum HSV gewechselt war. Seinerzeit hieß der Coach noch Tim Walter. Nach dessen Rauswurf und der Verpflichtung von Baumgart schien Katterbach auch bei den Hanseaten schlechte Karten zu haben.
Die Betonung liegt nun jedoch auf "schien". Denn nachdem der frühere Junioren-Nationalspieler gegen Osnabrück der einzige Lichtblick beim Aufstiegsanwärter war, dürfte er auch am kommenden Freitag (18.30 Uhr, im Livecenter bei NDR.de) in der Partie bei Fortuna Düsseldorf gesetzt sein.
Baumgart vermisst "viel Leidenschaft und viel Herz"
Zur Wahrheit in der Personalie Katterbach gehört allerdings auch, dass der Defensivspezialist im Duell mit dem VfL keine Leistung auf Weltklasse-Niveau zeigte, sondern einfach nur ein sehr odentliches Zweitliga-Spiel machte. Gutes Zweikampfverhalten sowie viel Einsatz- und Laufbereitschaft reichten aus, um aus einer Mannschaft herauszuragen, die mit Ausnahme einer kurzen Phase zu Beginn des zweiten Abschnitts nicht so richtig in die Pötte kam, wie man an der Elbe sagt. Mit weitaus drastischeren Worten fasste Baumgart - als Rostocker auch ein Kind des Nordens - die Darbietung seines Teams zusammen.
"Es geht einfach darum, wenn du gegen eine Mannschaft wie Osnabrück spielst, die um die Existenz kämpft, dann musst du das auch tun. Und das haben wir nicht getan. Mir hat viel Leidenschaft gefehlt. Mir hat viel Herz gefehlt. Das habe ich den Jungs auch gesagt. Und wenn du diesen ganz großen Schritt machen willst, dann reicht es nicht, nur optisch gut auszusehen - was wir teilweise gar nicht haben", sagte der 52-Jährige.
Trainer kündigt schonungslose Analyse an
Mit dieser Aussage, die nichts anders als eine schonungslose Abrechnung war, wurde klar, dass die "Wir bleiben bei uns"-Zeiten beim HSV vorbei sind. Hatte Baumgarts Vorgänger Walter auch nach Minusleistungen der Hamburger fast immer die schützende Hand über die Mannschaft gelegt und versucht, eine "Mia san Mia"-Mentalität zu implementieren, wird nun unter der Regie des gelernten Kfz-Mechanikers Baumgart Klartext gesprochen. Und das nicht nur wie nach dem Osnabrück-Spiel geschehen in Pressekonferenzen.
"Wir gehen nicht nur in die Analyse rein, sondern ins Hinterfragen", kündigte der Trainer an. Heißt: Ab sofort wird jeder Stein im Volkspark umgedreht. Denn: "Es hat ja Gründe, warum der Verein schon so lange in dieser Liga spielt", wie Baumgart unmittelbar nach dem Abpfiff im NDR Interview sagte.
Aufstieg? "Nur mit Fußballspielen wird das nichts"
Konkreter wurde der 52-Jährige nicht. Dass der Trainer ein Mentalitätsproblem bei seiner Mannschaft ausgemacht hat, ist nach seinen deutlichen Aussagen jedoch klar. Kein neues Symptom beim früheren Bundesliga-"Dino". Auch in den Vorjahren leistete sich das Team gegen individuell weitaus schlechter besetzte Gegner immer wieder Aussetzer und verspielte so fünfmal in Folge den Aufstieg. Nun will Baumgart dafür sorgen, dass der HSV nicht bei sich bleibt - um es mit den Worten seines Vorgängers zu sagen.
"Wir haben noch zehn Spiele und die Jungs alles in der eigenen Hand. Aber nur mit Fußballspielen wird das nichts, sondern mit harter Arbeit, mit Zweikampfverhalten und einer Mentalität, die auch allen draußen zeigt, dass du aufsteigen willst", sagte der Trainer. Sich selbst nahm der frühere Stürmer übrigens ausdrücklich ebenfalls in die Verantwortung. "Was mir fehlt, ist eine gewisse Klarheit im Spiel. Es ist nun meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir das hinbekommen."
Am Freitag in Düsseldorf wird sich zeigen, ob Baumgart dem Team die Werte vermitteln kann, die gegen Osnabrück eigentlich nur ein Spieler verkörperte: Noah Katterbach.
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Sportclub | 03.03.2024 | 22:50 Uhr