Leichtathletik-DM Owen Ansah als erster Deutscher unter zehn Sekunden
Owen Ansah hat bei der Leichtathletik-DM in Braunschweig als erster deutscher Sprinter die Zehn-Sekunden-Marke geknackt: 9,99 Sekunden! Diskuswerferin Kristin Pudenz sprang noch auf den Olympia-Zug auf, Speerwerfer Julian Weber überzeugte, sein Disziplinkollege Johannes Vetter erlebte ein Drama.
Der Hamburger Ansah verbesserte am Sonnabend bei hochsommerlichen Temperaturen im stimmungsvollen Eintracht-Stadion den deutschen Rekord von Julian Reus aus dem Jahr 2016 um zwei Hundertstelsekunden. "Ich fühle mich mega", jubelte der 23-Jährige. "Die Konkurrenz war da, ich habe gesagt, ich brauche mal diesen Push. Das war heute ein Muss."
"Er hat's in der Birne und er hat's im Körper. So ein Ding auf die Bahn zu nageln - Hammer!"
— ARD-Leichtathletik-Experte Frank Busemann
Titelfavorit Joshua Hartmann, Rekordhalter über 200 m, stellte in 10,06 Sekunden seine persönliche Bestleistung ein und wurde sehr guter Zweiter. "Ich glaube, Paris kann für uns kommen", sagte der Kölner. "Für uns beide ist alles möglich." Yannick Wolf (München/10,16) belegte Platz drei. Ansah holte nach 2022 seinen zweiten deutschen Meistertitel über die prestigeträchtigen 100 m und knackte zudem die Norm für die Olympischen Spiele in Paris (26. Juli bis 11. August).
Lückenkemper mit "Gänsehaut" zum dritten Titel in Folge
Bei den Frauen sprintete Gina Lückenkemper (Berlin) in 11,04 Sekunden zum erwarteten Erfolg und zum dritten Triumph in Folge, wartet aber in diesem Jahr weiterhin auf eine Zeit unter elf Sekunden. "Ich hätte es gerne etwas schneller gehabt", räumte die Europameisterin von 2022 ein, der Ansahs Rekordlauf eine "Mega-Gänsehaut" bescherte. Rang zwei eroberte die von Verletzungen lange ausgebremste Alexandra Burghardt (Burghausen) vor Lisa-Marie Kwayie (Berlin/beide 11,26).
Weber souverän zum Sieg
Weber feierte einen überlegenen Sieg und wurde nach einer stabilen Serie mit 86,63 m zum vierten Mal in Folge deutscher Meister im Speerwurf. Jeder seiner Versuche hätte deutlich zum Sieg genügt. Silber hinter dem Vize-Europameister aus Mainz sicherte sich Rio-Olympiasieger Thomas Röhler (Jena/76,84), dem es weiterhin "großen Spaß macht", vor dem Leverkusener Max Dehning (75,70).
Der 19-Jährige kam einmal mehr nicht an seinen Wahnsinn-Wurf über 90,20 m vom Februar heran, mit dem er weiterhin die Weltrangliste anführt, feiert aber in Frankreich sein Olympia-Debüt.
Zehnkämpfer Niklas Kaul erzielte für ihn exzellente 75,60 m - Rang vier im Feld der Spezialisten. Nach Saison-Bestleistung in seiner Lieblingsdisziplin verzichtete der EM-Vierte aus Mainz auf die Teilnahme am Endkampf - Olympia-Formcheck gelungen. In Paris zählt der Europameister von 2022 ebenso wie Weber zu den Medaillenkandidaten.
Enttäuschung und Tränen bei Ex-Weltmeister Vetter
Eine herbe Enttäuschung erlebte Johannes Vetter. Der Ex-Weltmeister, der seit zehn Monaten keinen Wettkampf bestritten hatte, warf der angepeilten Olympia-Norm von 85,50 m weit hinterher und brach den Endkampf mit Schulter- und Armschmerzen vorzeitig ab. Die Sommerspiele finden ohne den Offenburger statt, der mit 73,16 m Sechster wurde.
Dem Wurfarm mit zwei gerissenen Bändern im getapten Ellbogengehe gehe es "beschissen", sagte Vetter, dem nach dem Wettkampf die Tränen kamen: "Seit März steht fest, dass ich definitiv am Ellenbogen operiert werden muss. Trotzdem habe ich es heute versucht." Der 31-Jährige hat alle großen Meisterschaften mit den Weltmeisterschaften 2022 und 2023 sowie der Heim-EM 2022 und zuletzt der EM in Rom verpasst.
Diskus: Pudenz wirft sich nach Paris
Für Kristin Pudenz wird der Olympia-Traum dagegen noch wahr. Vier Athletinnen mit erfüllter Norm, aber nur drei Startplätze: In der mit Spannung erwarteten Entscheidung im Diskuswurf der Frauen schnappte sich die Potsdamerin zum sechsten Mal in Folge Gold - und damit sicher die Fahrkarte nach Frankreich. Bei der EM-Nominierung hatte die Olympia-Zweite von Tokio noch das Nachsehen gehabt, nun war sie mit 65,93 die klare Siegerin und vergoss Tränen des Glücks. "Ich bin sehr erleichtert", sagte Pudenz: "Ohne diesen Wurf wäre ich nicht nach Paris gefahren."
Die Meister von Freitag und Sonnabend
- 100 m M: Owen Ansah (Hamburg) - 9,99 Sek.
- 100 m F: Gina Lückenkemper (Berlin) - 11,04 Sek.
- 110 m Hürden: 1. Manuel Mordi (Hamburg) - 13,54 Sek.
- 100 m Hürden: Ricarda Lobe (Mannheim) - 12,89 Sek.
- 5.000 m F: Hanna Klein (Tübingen) - 15:11,83 Min.
- 5.000 m M: Florian Bremm (Höchstadt) - 13:38,43 Min.
- 3.000 m Hindernis M: Frederik Ruppert (Tübingen) - 8:16,98 Min.
- Weitsprung M: Simon Batz (Mannheim) - 8,04 m
- Dreisprung F: Kira Wittmann (Hannover) - 13,47 m
- Hochsprung M: Tobias Potye (München) - 2,18 m
- Stabhochsprung F: Anjuli Knäsche (Leinfelden-Echterdingen) - 4,50 m
- Speerwurf M: Julian Weber (Mainz) - 86,63 m
- Diskuswurf F: Kristin Pudenz (Potsdam) - 65,93 m;
- Kugelstoßen M: Eric Maihöfer (Sindelfingen) - 19,78 m
- Hammerwurf F: Samantha Borutta (Frankfurt) - 68,44 m
- 4x400 m U20 F: Neuköllner Sportfreunde - 3:45,79 Min.
- 4x400 m U20 M: Team Sachsen-Anhalt - 3:16,78 Min.
Auch die Jahresbeste Marike Steinacker (Leverkusen), die zuletzt bei den kontinentalen Titelkämpfen als Zwölfte enttäuschte, überzeugte als Zweite mit 64,49 m und hat gute Karten. Die EM-Sechste Shanice Craft (Halle) oder die EM-Fünfte Claudine Vita (Neubrandenburg), wer bekommt das dritte Ticket? Craft wurde mit 62,22 m Dritte vor Vita, die nur 60,43 m verbuchte - vielleicht ein kleiner Fingerzeig.
Weitspringer Batz kann für Paris planen
Für Paris planen kann Simon Batz. Der Weitspringer von der MTG Mannheim flog mit etwas zuviel Rückenwind auf 8,04 m. Nach enttäuschenden 7,65 m in Rom und EM-Platz neun will er es nun bei den Spielen besser machen, die er über das Ranking erreichen wird. "Das ist unfassbar, das ist der Traum von jedem Sportler", jubelte der 21-Jährige.
Hochsprung: Potyes Knie hält
Hochspringer Tobias Potye hatte den Richtwert schon vor Braunschweig geknackt, nach einer Operation an der Patellasehne aber seinen EM-Start absagen müssen. Bei seiner erfolgreichen Titelverteidigung in einer einsamen Entscheidung hielt das Knie, die Konkurrenz aber nicht mit. 2,18 m überquerte er, bei 2,23 m war dann auch für den Münchner Schluss. "Ich wollte den Titel verteidigen, aber auch etwas höher springen. Die Hitze hat mich etwas gelähmt und alleine war es auch schwer, sich zu pushen", erklärte der WM-Fünfte, der noch ein paar Wochen Zeit hat, um in bessere Form zu kommen.
Zeitplan Sonntag
- 10:30 F Speerwurf Frauen
- 10:35 F 3x800 Frauen
- 10:40 F Hochsprung Frauen
- 11:10 F 3x1.000 m Männer
- 11:50 F 4x100 m Frauen
- 12:05 F Dreisprung Männer
- 12:10 F 4x100 m Männer
- 12:25 F Hammerwurf Männer
- 12:55 F Stabhochsprung Männer
- 13:10 F 800 m Frauen
- 13:20 F 800 m Männer
- 14:10 HF 200 m Frauen
- 14:15 F Kugelstoßen Frauen
- 14:25 HF 200 m Männer
- 14:50 F 400 m Hürden Frauen
- 15:05 F 400 m Hürden Männer
- 15:15 F Weitsprung Frauen
- 15:20 F Diskuswurf Männer
- 15:30 F 400 m Frauen
- 15:40 F 400 m Männer
- 15:45 F 1.500 m Frauen
- 15:55 F 1.500 m Männer
- 16:05 F 3.000 m Hindernis Frauen
- 16:25 F 200 m Frauen
- 16:45 F 200 m Männer
Ruppert bricht 39 Jahre alten Meisterschaftsrekord
In Abwesenheit des EM-Dritten Karl Bebendorf, der mit Blick auf Olympia auf einen DM-Einzelstart verzichtete, erfüllte sich der Tübinger Frederik Ruppert in Meisterschaftsrekord von 8:16,98 Minuten den Traum vom nationalen Titelgewinn. Die Direktnorm fehlt dem EM-Vierten noch, doch die Olympia-Qualifikation dürfte ihm sicher sein.
Der Nominierungszeitraum endet mit der DM. Im Anschluss schlägt der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) seine Olympiakandidaten vor, die Nominierung obliegt dann formell dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Am Sonntag berichtet das ZDF ab 10.30 Uhr im Livestream aus Braunschweig.
Dieses Thema im Programm:
Sport aktuell | 29.06.2024 | 20:25 Uhr