Schachspieler Vincent Keymer

Schach in Weissenhaus Keymer spielt weltmeisterlich und siegt

Stand: 14.02.2025 17:22 Uhr

Ein historischer Moment für Schach-Deutschland: Vincent Keymer hat am Freitag überraschend das erste Turnier der Freestyle Chess Grand Slam Tour in Weissenhaus an der Ostsee gewonnen. Er hat gezeigt, warum er einmal Weltmeister werden könnte.

Von Niklas Schenk

War das tatsächlich der "Boris-Becker-Moment" für das deutsche Schach? Vincent Keymer, jüngster deutscher Großmeister aller Zeiten, hat das Freestyle-Turnier auf Gut Weissenhaus an der Ostsee gewonnen - und damit vor allem gezeigt, warum er seit jeher als Schach-Wunderkind gilt.

Wenn einer irgendwann der erste deutsche Schach-Weltmeister seit Emanuel Lasker werden könnte, dann er. Dieser Ruf eilte Keymer schon als kleiner Junge aus Saulheim bei Mainz voraus. Erst recht, als er im April 2018 sensationell das Grenke Chess Open in Karlsruhe gewann. Als 13-jähriger Junge vor 49 Großmeistern.

Erst Abitur, dann Profi

Sein Aufstieg danach: Stetig, mit vereinzelten Highlights, vor allem der Vize-Weltmeisterschaft im Schnellschach 2022. Aber nicht ganz so rasant wie bei den indischen Talenten Rameshbabu Praggnanandhaa oder Dommaraju Gukesh. Die schon als Kinder die Schule abbrachen und alles aufs Schach setzten, während Keymer 2022 erst noch sein Abitur machte, bevor er Profi wurde.

2024 wirkte es so, als ob Keymer von den anderen Youngstern abgehängt werden könnte. Während sein 19 Jahre alter Konkurrent Gukesh Weltmeister wurde, blieben die großen Ergebnisse bei Keymer aus. Viele wunderten sich, dass er als Sekundant ausgerechnet seinem indischen Konkurrenten half, Weltmeister zu werden.

Keymer in Weissenhaus ohne Schwächen

Und dann dieser Knall Anfang 2025. In Weissenhaus wirkte Keymer wie ein Spieler ohne Schwächen: nervenstark, geduldig, in den richtigen Momenten aber aggressiv und getragen von seinem hervorragenden Spielverständnis. Keymer rechnet gut, hat aber auch eine gute Intuition für die Stellung am Brett. Im Freestyle Schach, wo die Aufstellung der Startfiguren ausgelost wird, eine gute Kombination.

"Das ist einer der größten, wenn nicht sogar der größte Erfolg meiner Karriere."
— Vincent Keymer

Dass der Wildcard-Teilnehmer an der Ostsee nach einer durchwachsenen Vorrunde so durchstartete, lag wohl auch am Franzosen Alireza Firouzja. Der gewann die Vorrunde und durfte sich deswegen seinen Viertelfinalgegner aussuchen.

Er wählte Keymer - und stachelte den 20-Jährigen damit noch mehr an. Beflügelt von seinem Sieg gegen Firouzja besiegte Keymer im Halbfinale dann auch endlich Magnus Carlsen, die Nummer eins der Welt - die Überfigur im Schach, gegen die Keymer zuvor mehrfach knapp einen Sieg verpasst hatte. Am Ende belegte der Norweger Rang drei in Weissenhaus.

Im Finale gegen den Amerikaner Fabiano Caruana, lange Zeit die Nummer zwei der Welt, reichte Keymer nach einem Sieg am Donnerstag in der ersten Partie einen Tag später ein Unentschieden. Mit dem Nachteil der schwarzen Figuren einigte er sich am Freitag nach knapp drei Stunden mit seinem Gegner auf ein Remis.

Wäre Caruana nicht in der Zeit eines Magnus Carlsen geboren worden, wäre er wohl ziemlich sicher selbst Weltmeister geworden. So chancenlos wie in der ersten Partie gegen Keymer hat man ihn selten gesehen.

200.000 Dollar Siegprämie

Neben dem stattlichen Preisgeld von 200.000 Dollar erhält der Mainzer 25 Punkte im Ranking, der Gesamtsieger der Freestyle-Serie bekommt nach der letzten Station in Kapstadt (5. bis 12. Dezember) zusätzliche 150.000 Dollar.

Keymers Sieg in Weissenhaus bringt ihm viel Freiheit für seine weitere Karriere. Seine Eltern sind Musiker, sein Vater ist auch sein Manager. In den Sozialen Medien ist Keymer immer noch kaum aktiv, Öffentlichkeitsarbeit war den Keymers immer nicht so wichtig. Das mag dazu beigetragen haben, dass sich ihr Sohn lange schwertat, Sponsoren zu finden. Obwohl er immer dann, wenn er öffentlich auftrat, alle mit seiner Eloquenz und Intelligenz begeisterte, etwa im Aktuellen Sportstudio.

Die Entwicklung Keymers gibt ihnen aber recht. Immer dann, wenn andere ungeduldig auf den nächsten Schritt warteten, nahm sich Keymer Zeit. Und wirkt nun bereit, um die klassische Weltmeisterschaft zu kämpfen.

Die ist bei aller Begeisterung für das neue Freestyle-Format nämlich immer noch sein Hauptziel. Er will sich für das nächste Kandidatenturnier qualifizieren. Gewinnt er dort, dürfte er 2026 Weltmeister Gukesh herausfordern.

Man traut es ihm nun zu. An der Ostsee hat Keymer jedenfalls wie ein Weltmeister gespielt.

Dieses Thema im Programm:
Schleswig-Holstein Magazin | 14.02.2025 | 19:30 Uhr