NDR-Sport DFL-Investor: 96-Vorstand und andere Clubs fordern neue Abstimmung
Im Streit um den Investoren-Einstieg bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) mehren sich die Stimmen für eine Wiederholung der Abstimmung. Hintergrund ist das Votum von Hannovers Martin Kind, der offenbar gegen die Weisung des Muttervereins gestimmt hatte. Die DFL reagierte trotz des steigenden Drucks verhalten. Die Fanszene kündigte weitere Proteste an.
Rund um den den Investoren-Streit steigt der Druck auf die DFL-Spitze. Der VfB Stuttgart, Union Berlin, der VfL Osnabrück und nicht zuletzt auch Hannover 96 fordern eine neue Abstimmung.
"Die Abstimmung im Dezember war illegitim."
— Robin Krakau, Vorstand des Muttervereins von Hannover 96
"Wir sind weiterhin der Auffassung, dass die Abstimmung in Dezember illegitim war und in Bezug auf die Stimmabgabe nachvollziehbar wiederholt werden muss. Die Stimme aus Hannover sollte dabei von vorneherein als "Nein" gewertet werden", sagte Robin Krakau, Vorstand des Muttervereins von Hannover 96, dem NDR. Auch Hertha BSC und der Karlsruher SC zeigten sich mittlerweile offen für ein neues Votum.
VfL Osnabrück für Wiederholung "in transparenter Form"
Osnabrück schloss sich in einer Mitteilung vom Donnerstagabend den Forderungen vieler Clubs an und will sich dafür einsetzen, "dass die am 11. Dezember erfolgte Abstimmung in transparenter Form wiederholt wird". Nur so könne eine Legitimierung und Akzeptanz für ein Abstimmungsergebnis und dessen Umsetzung geschaffen werden, heißt es.
DFL gibt Statement ab
Die DFL ging mit einer fast 1.000 Wörter langen Stellungnahme auf die Kritik ein. "Einhergehend mit dem Recht der Mitsprache müssen wir uns alle der Verantwortung stellen, sich intensiv auch mit kritischen Themen auseinanderzusetzen. Nicht jeder Austausch kann garantieren, dass alle Gesprächspartner im Anschluss einer Meinung sind", hieß es in einer Mitteilung vom Donnerstag. Zu den Forderungen nach einer erneuten Abstimmung äußerte sich die DFL in ihrer Mitteilung nicht.
Fan-Organisationen lehnen DFL-Gespräch ab
Das Präsidium des Ligaverbandes lud die Vertreterinnen und Vertretern bundesweiter Fan-Organisationen und der Bündnisse der Fanszenen zu einen Gespräch ein. Das lehnten die Fan-Organisationen direkt ab und forderten ebenfalls eine Wiederholung. Es sei ein Trugschluss zu glauben, dass sich nur ein Bruchteil der Fans gegen den geplanten Investorendeal und vor allem dessen Zustandekommen positioniere.
"Wir - alle bundesweiten Fanorganisationen - fordern die DFL-Führung auf, endlich die Proteste in den deutschen Stadien ernst zu nehmen und in daraus folgender Konsequenz umgehend eine offene und damit transparente Neuabstimmung zum DFL-Investoren-Deal einzuleiten. Je länger die Proteste ignoriert werden, desto geschlossener werden wir für eine Neu-Abstimmung einstehen", schrieben die Gruppierungen: "Alleine, um die konsequente Einhaltung und Achtung von 50+1 unter Beweis zu stellen, ist eine Neu-Abstimmung alternativlos."
DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke zeigte sich enttäuscht über die Dialog-Absagege, hat seine Gesprächsbereitschaft aber erneuert. "Die Absage der eingeladenen Fanvertreter nehmen wir zur Kenntnis, bedauern sie aber, denn Dialogbereitschaft ist immer die Basis für ein demokratisches Miteinander", sagte Watzke, der auch Sprecher des DFL-Präsidiums und Geschäftsführer von Borussia Dortmund ist.
Sportrechtler: Neue Abstimmung möglich
Eine neue Abstimmung ist nach Einschätzung eines Sportrechtlers juristisch möglich. "Vom Grundsatz her könnten sie noch mal eine Abstimmung machen. Es braucht dafür eine Mitgliederversammlung", sagte Paul Lambertz. Eine außerordentliche Mitgliederversammlung könnte etwa das Präsidium aus wichtigem Grunde einberufen, "oder es gibt ein Minderheitenbegehren, wenn zehn Mitglieder der DFL das verlangen. Dann könnte man noch mal darüber abstimmen", so der Sportrechtler.
Zuletzt heftige Fan-Proteste in den Stadien
Die Proteste der Fanszene gegen einen DFL-Investor hatten am vergangenen Wochenende in den Bundesliga-Stadien einen neuen Höhepunkt gefunden. Zuletzt hatte es in zahlreichen Stadien Proteste der Fanszene gegeben. Die Zweitliga-Partie zwischen Hertha BSC und dem HSV (1:2) stand wegen anhaltender Proteste sogar kurz vor dem Abbruch.
Aus den aktiven Fanszenen gibt es seit Monaten Proteste gegen die DFL-Pläne, die sich zuletzt verschärften. Für eine prozentuale Beteiligung an den TV-Erlösen soll ein Finanzinvestor der DFL eine Milliarde Euro zahlen. Bei der finalen Abstimmung der 36 Proficlubs für den milliardenschweren Deal im Dezember war die notwendige Zweidrittelmehrheit mit der kleinstmöglichen Menge an "Ja"-Stimmen zusammengekommen. 24 Vereine stimmten dafür, zehn dagegen und zwei Clubs enthielten sich.
96-Mehrheitsgesellschafter Martin Kind hatte sich mit Verweis auf die geheime Abstimmung geweigert zu verraten, ob er mit "Ja" oder "Nein" gestimmt hatte.
Rostocks Marien kritisiert Kind
Kritik daran hatte vor wenigen Tagen auch Hansa Rostocks Vorstandschef Robert Marien geübt: "Wenn mir meine Mitgliederversammlung oder mein Aufsichtsrat eine Weisung geben - unabhängig davon, welche Meinung ich habe - dann kann ich meine Meinung vorher einbringen, habe mich dann aber dem demokratischen Meinungsbild des Muttervereins anzuschließen", sagte Marien. "Das ist für mich der Inbegriff von 50+1. Und der wurde gegebenenfalls nicht umgesetzt. Zumindest gibt es Fragezeichen."
50+1-Regelung ausgehebelt?
Das sieht auch Hannovers Krakau so: "Das Bundeskartellamt guckt sich aktuell auch sehr genau die jüngeren Entwicklungen hinsichtlich der Anwendung der 50+1-Regel durch die DFL an." Die 50+1-Regel soll im deutschen Profifußball sicherstellen, dass immer der Mutterverein und nicht die Kapitalseite den entscheidenden Einfluss behält.
Bereits im Dezember hatte das Fanbündnis "Unsere Kurve" das DFL-Votum kritisiert. "Das Zustandekommen des Beschlusses erschüttert den deutschen Fußball in seinen Grundfesten, der 50+1-Regel", so die Vereinigung mit Blick auf das Abstimmungsverhalten von 96-Clubinvestor Kind. Es gebe deshalb nur "eine korrekte Handlungsoption: eine Wiederholung der Abstimmung, und zwar nicht mehr geheim", führte das Bündnis aus. Für eine geheime Abstimmung sei kein "redlicher Grund vorhanden".
96-Mehrheitsgesellschafter Kind verwies auf die DFL: "Darüber muss das Präsidium und die Geschäftsführung entscheiden. Und das muss sich mit allen Szenarien auseinandersetzen. Ob der Deal kippen könnte, weiß ich nicht." Er glaube nicht, dass die Gegner des Deals die Mehrheit in den Stadien ausmachen.
Watzke verweist auf "Rote Linie" für Investor
Viele Fans stemmen sich gegen die Kommerzialisierung des Fußballs und befürchten die Einflussnahme eines Investors. Die DFL, die aktuell mit zwei potenziellen Partnern verhandelt, betont jedoch, dass der Investor lediglich an den Lizenzerlösen aus dem Verkauf der Medienrechte beteiligt werde und es keinen Anteilsverkauf der DFL gebe. Es sei in jedem Fall so, "dass beide Partner garantieren, dass sie komplett in den von uns festgelegten Roten Linien bleiben", erklärte Watzke.
Dieses Thema im Programm:
NDR 2 Sport | 07.02.2024 | 23:03 Uhr