
Datenanalyse Darum ist Harry Kane der (fast) perfekte Elfmeterschütze
Auf eines kann sich Bayern München verlassen: Wenn Mittelstürmer Harry Kane zum Elfmeter antritt, dann trifft der Engländer auch. Noch nie haben dem 31-Jährigen beim Rekordmeister vom Punkt die Nerven versagt. In all seinen Spielen hat er zuletzt 30 Strafstöße in Folge verwandelt. Und das ist kein Zufall.
Wenn José Mourinho öffentlich von Liebe spricht, dann wird der geneigte Fußball-Fan hellhörig. Kürzlich sprach der so exzentrische Trainer von Liebe - in Bezug auf Kane: "Es gibt etwas, was ich an Harry liebe: Wenn er in das Spiel geht, weiß er schon, wie er einen Elfmeter schießen wird, wenn es einen gibt", erklärte der Portugiese dem Portal "Soccer Training IQ" und fügte hinzu: "Es ist auch nicht so, dass er sich im letzten Moment umentscheidet, wohin er den Ball schießt. Harry entscheidet das schon ein paar Tage vor dem Spiel. Und dann übt er in den drei, vier Tagen vor dem Spiel eben diesen Schuss."
Mourinho kennt Kane aus gemeinsamen Tagen bei Tottenham Hotspur, wo er von 2019 bis 2021 Chefcoach war. Doch auch bei den Bayern hat Kane längst seine Klasse vom Punkt gezeigt. Seit mehr als zwei Jahren hat er keinen Strafstoß mehr verschossen. Den bis dato letzten Fehlschuss leistete er sich im WM-Viertelfinale 2022 in Katar gegen Frankreich. Und da hielt auch nicht etwa Torhüter Hugo Lloris den Ball: Kane schoss drüber, verpasste so den möglichen Ausgleich zum 2:2, England schied aus und der Schütze war untröstlich.
Seine Vorbereitung dürfte seitdem nur noch akribischer geworden sein: Die 30 folgenden Elfmeter hat er jedenfalls alle im Tor versenkt. Oft heißt es, Elfmeterschießen sei ein Glücksspiel. Kanes Erfolgsquote aber ist alles andere als ein Zufall, sondern das Ergebnis eines harten Trainings und eines klaren Planes, wie die Daten von Global Soccer Network (GSN) zeigen.
Erfolgreich durch harte Trainingsarbeit
In der Geschichte der Fußball-Bundesliga gab es bisher 5.252 Elfmeter - 4.071 wurden verwandelt, 1.181 verschossen. Das entspricht einer Trefferquote von 77,5 Prozent. Im DFB-Pokal liegt sie bei rund 73,7 Prozent. Werte, über die Kane, dessen Quote eben schon seit Jahren bei 100 Prozent liegt, nur lachen könnte. Sein Trainingseifer zeigt allerdings, mit wie viel Demut er sich immer wieder dieser die Nerven strapazierenden Aufgabe stellt.
Am 7. Februar gab der Mittelstürmer eine besondere Probe seiner Kunst ab: Beim 3:0-Heimsieg gegen Werder Bremen erzielte er gleich zwei Elfmetertore. "Er macht das einfach zu gut", sagte Torhüter Michael Zetterer, der beide Male hinter sich greifen musste. Und Bayern-Trainer Vincent Kompany erklärte: "Harry trainiert das sehr oft. Jeden Tag. Mehr kannst du nicht machen."
Strategie "maximal kontrolliert und auf Wiederholbarkeit optimiert"
Aber wie verwandelt Kane seine Elfmeter überhaupt so sicher? Den ersten Elfer gegen Werder jagte er mit 112 km/h unten links ins Eck. Beim zweiten Anlauf legte er einen kurzen Verzögerungsschritt ein und traf ebenfalls unten links. Seit dem folgenschweren Fehlschuss verwandelte Kane insgesamt zehn Elfmeter mit einem Schuss an diese Stelle des Tores, wie die Grafik zu seiner Trefferverteilung zeigt. Schlecht für die gegnerischen Torhüter - 18-mal schoss er den Ball auch woanders ins Netz.
Laut GSN steht Kane meist 6,5 bis 7 Meter vom Ball entfernt, manchmal leicht seitlich versetzt, wenn er zum Schuss anläuft und braucht dann sieben oder acht Schritte, bis er schießt. Sein Anlauf-Stil wird als konstant beschrieben. Anders als viele andere Fußballer tippelt er nicht vor dem Schuss, legt aber häufig einen letzten kurzen Verzögerungsschritt ein.

Die Trefferverteilung von Harry Kanes jüngsten 30 Elfmetern
Er ist einer der wenigen Spieler, die weder beim Anlauf-Rhythmus noch bei der Schrittlänge groß variieren. Sein Stil sei "maximal kontrolliert und auf Wiederholbarkeit optimiert". Damit gehört er zu den sichersten Elfmeterschützen Europas.
Dem Torwart bleiben nur 0,35 Sekunden zur Reaktion
Ein weiterer Erfolgsfaktor: Kane schießt nicht nur gezielt, sondern auch mit sehr viel Wucht. Die Durchschnittschnittsgeschwindigkeit liegt bei 116,84 km/h - sein Topwert bei 127,44 km/h, die niedrigste gemessene Geschwindigkeit waren 106,12 km/h. Und dieses Tempo wiederum ist bei Kane eine Frage der Technik.
Der Brite schießt häufig mit dem Vollspann. Den Ball trifft er zentral und sauber. Nach seinem WM-Fehlschuss vermeidet er bewusst Rücklage beim Schuss und stellt sein Standbein nahe an den Ball. Zusammen führt dies zu einem flachen und kraftvollen Schuss. Der lange Anlauf gibt ihm außerdem genug Zeit, die nötige Spannung aufzubauen. Alles tausende Male im Training geübt.
Die hohe Schussgeschwindigkeit hat zudem für den Schützen, wenn er wie Kane trotzdem nicht die Kontrolle über den Schuss verliert, einen großen Vorteil: Bei Schüssen mit über 115 km/h bleiben dem Torwart weniger 0,35 Sekunden als Reaktionszeit. Nach den Daten gehört der Angreifer des FC Bayern zu den kraftvollsten Elfmeterschützen im Weltfußball - und er ist einer der sichersten. Eben der (fast) perfekte Elfmeterschütze.
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Sport aktuell | 08.04.2025 | 21:00 Uhr