Homosexualität im Fußball Coming-out von Profi-Fußballern geplant - St. Pauli unterstützt Projekt
Gibt es im kommenden Jahr das erste Coming-Out von aktiven Profi-Fußballern in Deutschland? Der schwule Ex-Jugendnationalspieler Marcus Urban will homosexuellen Spielern eine digitale Plattform bieten und am 17. Mai 2024 ein gemeinsames öffentliches Bekenntnis organisieren. Zu den Unterstützern des Projekts gehört auch der FC St. Pauli.
"Wir wollen eine Plattform schaffen, auf der sie sich zeigen und positionieren können", sagt Initiator Marcus Urban im Podcast des FC St. Pauli. Angelehnt an sein Gründungsjahr wird der Fußball-Zweitligist die Kampagne "Sports Free" mit 1.910 Euro unterstützen. Auch Borussia Dortmund, der VfB Stuttgart oder der SC Freiburg haben laut Urban schon gespendet. Darüber hinaus drehe man mit Vereinen, Spielern, Präsidenten und Informanten einen Dokumentarfilm über Homosexualität im Fußball.
Der 17. Mai ist der internationale Tag gegen Homophobie. An diesem Tag soll im nächsten Jahr eine Internetplattform freigeschaltet werden, auf der schwule Profi-Fußballer, aber auch andere Profisportler, mit Texten und Videos ihre Geschichte erzählen, im Zweifel auch anonymisiert. Ein Outing eines aktiven Profi-Fußballers gab es in Deutschland bisher nicht.
Urban: "Es fehlt ein bisschen an Mut und Zuspruch"
Urban stand in den 1990er Jahren selbst auf dem Sprung in den Profifußball, hat seine Karriere aber früh beendet, weil er sein Schwulsein nicht mehr verstecken wollte und berichtete darüber in seiner Biografie "Versteckspieler". Der mittlerweile 52-Jährige beschäftigt sich seit Jahren mit der Problematik. Er wisse, dass viele Spieler gerne ihr Coming-Out hätten. "Aber es fehlt ein bisschen am Setting, vielleicht auch der Mut und Zuspruch. Jemand der sagt: 'Komm lass uns das jetzt mal zu Ende bringen, damit eine Normalisierung eintritt.' Das bieten wir ihnen. Die Entscheidung fällen sie letztlich aber selbst."
Der ehemalige Fußballer Marcus Urban (l.) mit seinem Ehemann Jens.
"Wir bauen ihnen ein Haus, aber durch die Tür müssen sie selbst gehen."
— Marcus Urban
Urban kämpft dafür, dass "Fußball spielen, Geld verdienen und glücklich und authentisch sein zusammen gehören können". Leichter gesagt als getan. Die Ängste der Spieler sind groß und haben schon angedachte Coming-Outs verhindert. "Da sind Befürchtungen, dass die Vereine einen im Stich lassen, dass man nicht mehr vermarktbar ist, die Sponsoren abspringen und man gemobbt wird."
17. Mai erinnert an Paragraf 175 des Strafgesetzbuches
Deswegen auch die Idee eines Gruppen-Coming-Outs, um die daraus resultierende Aufmerksamkeit auf mehrere Schultern verteilen zu können. "Der 17. Mai 2024 ist dafür ein würdiges Datum", so Urban. Angelehnt an den Paragrafen 175 StGB, der sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe stellte und somit die Verfolgung Homosexueller ermöglichte. Auf das Datum festgenagelt seien die Spieler allerdings nicht, sagt Urban. "Es soll in der Folge immer am 17. jeden Monats die Möglichkeit geben, sich auf der Plattform zu positionieren."
Der Paragraf 175
- Der § 175 des deutschen Strafgesetzbuches existierte vom 1. Januar 1872 bis zum 11. Juni 1994. Er stellte sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe.
- 1935 verschärften die Nationalsozialisten den Paragrafen. Sie hoben die Höchststrafe von sechs Monaten auf fünf Jahre Gefängnis an. In schweren Fällen betrug das Strafmaß sogar bis zu zehn Jahre Zuchthaus (§ 175a).
- Die Bundesrepublik Deutschland hielt zwei Jahrzehnte lang an den Fassungen des § 175 aus der Zeit des Nationalsozialismus fest.
- Im Jahr 1969 kam es zu einer ersten, 1973 zu einer zweiten Reform des Paragrafen.
- Erst 1994 wurde er aufgehoben. Insgesamt wurden etwa 140.000 Männer nach § 175 verurteilt, 50.000 von ihnen nach 1949.
- In der ehemaligen DDR war Homosexualität seit 1968 unter Erwachsenen straffrei.
Dieses Thema im Programm:
Sport | 30.12.2023 | 10:00 Uhr