Vendée Globe Boris Herrmann: "Mehr erträumt als Platz zehn"
Segler Boris Herrmann erlebt bei der Vendée Globe schwierige Tage. Nicht nur, weil es an Bord der Malizia - Seaexplorer nicht nach Wunsch läuft. Auch die Nachrichten über den Sieg von Charlie Dalin gilt es erst mal, mental zu verarbeiten.
"Es ist ein schwieriger Tag. Ich komme nicht so gut voran, wie ich mir wünsche", sagte der Hamburger im NDR Talk am Mittwochmittag. Er driftet mit seiner Malizia gen Westen ab, anstatt gen Nordosten Richtung Ziel und Les Sables-d'Olonne zu segeln. "Der Wind ist mich mehr nach links gedreht. Ich bin ein bisschen ratlos", gestand Herrmann ein. "Ich hoffe einfach, dass der Wind bald wieder zurückdreht und dass ich so halbwegs mitfahren kann."
"Das sind gerade fast die schwierigsten Tage des Rennens."
— Skipper Boris Herrmann
Weder die Satellitenbilder noch die Wettermodelle hätten diese Situation vorhergesagt. "Es fühlt sich so an, als würden mir wieder Holzbalken in den Weg gelegt", ärgerte sich der Skipper. "Ich werde im Moment gnadenlos abgehängt."
Nachrichten über den Sieg schwer zu verdauen
Herrmann machen allerdings nicht nur die Winde zu schaffen. Auch mental hat der gebürtige Oldenburger einiges zu verdauen. Dass mit Charlie Dalin der Sieger feststeht, verpasse dem Rennen nun "einen Stempel". Bis dahin habe er sich eigentlich "ganz gut gefühlt". Durch die Meldungen aus Les Sables-d'Olonne materialisierte sich aber die eigene Situation - mit noch fast 3.000 Seemeilen bis ins Ziel - erst so richtig.
"Ich habe Charlie natürlich keine negative Überraschung mehr gewünscht", betonte Herrmann. "Aber es war trotzdem kein leichter Tag für mich. Und ich brauche wohl auch heute noch, um wieder in mein eigenes Rennen zu finden."
Nicht mal die vergangene Woche mit zwei Reparaturarbeiten im Mast und dem Blitzeinschlag habe ihm so zu schaffen gemacht wie diese. Da war er noch in Schlagdistanz zu Rang vier. "Es war hart, aber ich war voller Adrenalin."
Der Skipper steht im engen Austausch mit seinem Team an Land. Von dort bekomme er viel mentale Unterstützung. "Wir schauen mal, was noch geht. Aber ich habe natürlich von einem besseren Ergebnis geträumt als Platz zehn."
Kröger: "Exklusive Linksdrehung ist unglücklich"
"Er muss kämpfen und er wird es auch", sagte NDR Segelexperte Tim Kröger nach dem Gespräch. Diese "exklusive Linksdrehung" des Windes sei "unglücklich, so ist es schwierig, die Kurve zu kriegen".
Zumal Kröger um die Probleme von Herrmanns Boot weiß, das unter den aktuellen Wetterbedingungen ohnehin langsamer ist als die Yachten der Konkurrenz. Diese hat sich zuletzt auch Stück für Stück vom Deutschen abgesetzt. Aber auch hier gelte es, nicht zu hadern. "Hochziehen, ausspucken und weitermachen", hatte Kröger Herrmann mit auf den Weg gegeben und hinzugefügt: "Das Boot ist, wie es ist."
Herrmann selbst versprach: "Hier wird alles gegeben. Das hilft auch am ehesten dabei, den Kopf hochzuhalten. Das ist mein Job."
Herrmann: Hinter den Azoren "wird es wieder spannend"
Und die Hoffnung hat Herrmann auch noch nicht aufgegeben. "Ich habe gerade nicht viel in den Händen, um mich zurückkämpfen zu können. Aber in der Westwindzone wird sich sicher wieder einiges abspielen", sagte der 43-Jährige. Zwischen den Azoren und Kap Finisterre an der Nordwestküste Spaniens erwartet die Flotte ein großes Tiefdruckgebiet.
Dort werde es "wieder voll zur Sache" gehen. "Da freue ich mich drauf, da wird es wieder spannend", prognostizierte Herrmann, der seine Zielankunft je nach Vorankommen in dem großen Tiefdruckgebiet "ungefähr am 25. Januar - plus, minus ein Tag" vorhersagte.
Herrmann kündigt nächste Vendée-Globe-Teilnahme an
Die Malizia - Seaexplorer war extra für die harten Bedingungen, besonders im Südpolarmeer, designt worden. Mittlerweile treten aber eher die Nachteile zu Tage. Herrmann erklärte, er und sein Team seien bei der Konstruktion "vielleicht zu stark in eine Richtung gegangen. Das Boot muss in alle Richtungen schnell fahren." Dementsprechend gibt es längst Überlegungen zu einer neuen Konstruktion.
Denn - und das steht bereits fest: Für Herrmann wird es eine weitere Vendée Globe geben. "Mein großer Wunsch ist es, das noch einmal zu machen. Der Wunsch ist nicht gestorben mit dieser schwierigen Vendée Globe", betonte Herrmann, der diese Weltumsegelung "vom Ergebnis her enttäuschend" findet. "Aber das Rennen fasziniert mich nach wie vor."
Dieses Thema im Programm:
Sportclub | 15.01.2025 | 13:00 Uhr