Jim Gottfridsson von der SG Flensburg-Handewitt (l.) im Spiel gegen den THW Kiel

NDR-Sport Alter Schwede! SG-Spielmacher Gottfridsson im letzten Derby wie zu besten Zeiten

Stand: 23.03.2025 11:32 Uhr

Über Jahre hat Jim Gottfridsson das Spiel von Handball-Bundesligist SG Flensburg-Handewitt geprägt. Im 112. Landesderby gegen den THW Kiel, seinem letzten, zeigte er nach zuletzt schwierigen Monaten eine brillante Leistung. Und half so auch, die Titel-Träume seines Clubs am Leben zu halten.

Von Tobias Knaack

Da stand Gottfridsson, dieser Kerl von 1,90 Meter und mehr als 90 Kilogramm, nun auf der Platte und wusste nicht so recht, wohin mit sich. Der ehemalige Fußball-Nationalstürmer und -Trainer Jürgen Klinsmann hat diesen "Zustand" mal als ein "Gassi-Gehen der Gefühle" beschrieben. Und auch den Schweden übermannten kurz nach dem Abpfiff des 112. Landesderbys, das seine SG verdient mit 36:33 gegen den Rivalen THW Kiel gewonnen hatte, die Gefühle.

Gottfridsson als Taktgeber beim SG-Sieg

Dem 32-Jährigen stiegen Tränen in die Augen - und das hatte gleich mehrere Gründe. Es war für ihn - den Spielmacher, den Orchestrator, den Strategen - nach einer schwierigen Phase, in der er wenig gespielt hatte, ein Auftritt wie zu besten Zeiten. Gottfridsson verteidigte, er passte, legte für seine Teamkollegen auf, traf (vier Mal), dirigierte und bestimmte Tempo und Lauf der Partie - kurzum: Gottfridsson inszinierte, Gottfridsson dominierte.

Der Spätherbst seiner Karriere, der sich in den vergangenen Monaten scheinbar erbarmungslos abgezeichnet hatte? In der Form dieses Spiels: zumindest aufgeschoben!

SG Flensburg-Handewitt - THW Kiel: Die entscheidenden Szenen

Letztes Derby für den Flensburger Spielmacher

Gottfridssons große Gefühle rührten neben der Erleichterung über die eigene Leistung vor allem aber auch aus dem Fakt, dass es sein letztes Landesderby war. Der Schwede wechselt im Sommer nach zwölf Jahren bei der SG, er war als 20-Jähriger von Ystads IF HF aus seiner Heimatstadt an die Förde gewechselt, nach Szeged in Ungarn. Und so stand der langjährige SG-Spielmacher nun im Lärm der "Hölle Nord" da - und es schien ein Kurzfilm seiner Zeit in Flensburg vor seinem inneren Auge abzulaufen.

"Zwölf Jahre SG, das letzte Derby, und dann so eine Kulisse, vor diesem geilen Publikum - da kannst du nur alles geben. Das war schon eine harte Zeit für mich. Ich habe nicht so viel gespielt, aber ich habe versucht, den Kopf hochzuhalten und immer hundert Prozent zu geben. Und dann dieses Spiel", sprudelte es aus Gottfridsson heraus, bevor er sich im Überschwang der Gefühle im Gespräch mit der ARD kurz rückversichern musste: "Darf ich geil sagen?", fragte er, wartete die Antwort aber nicht ab: "Richtig geil!"

Pajovic zufrieden mit dem Positionsangriff

Mit Sicherheit wird der langjährige Flensburger Spielmacher zu gegebener Zeit den ihm gebührenden Abschied an der Förde bekommen. Ein weiteres Ausrufezeichen hinter seine große Karriere im Trikot der SG hat er mit der Leistung am Samstagabend auf jeden Fall gesetzt. Und eine Partie geliefert, die somit zum inoffiziellen Abschiedsspiel taugen kann.

Denn auch wenn sein neuer Coach Ales Pajovic den 32-Jährigen nicht explizit nannte, so tat er es nach den intensiven 60 Minuten doch indirekt, als er sagte: "Der Positionsangriff hat mir sehr gut gefallen, auf ihn haben wir uns im Training fokussiert. Auf den Halbpositionen hatten wir Platz, weil wir viel Druck auf die Mitte gemacht haben." Eine Analyse, die auf das Werk Gottfridssons an diesem Abend zurückzufahren war, der mit ruhiger Hand Regie führte und in wichtigen Phasen wie beim 3:0-Lauf der SG Mitte des ersten Abschnitts auch selbst traf.

Wichtiger Sieg für die Flensburger Titel-Träume

"Wir haben das Spiel kontrolliert und unsere Schwächephasen kleingehalten", sagte Gottfridsson. Was, auch wenn er nicht über sich selbst sprechen mochte, zu großen Teilen auch an ihm lag. "Auch wenn es mal fünf Minuten nicht so lief, haben wir an unseren Plan geglaubt. In der ersten Hälfte hatten wir im Angriff eine Quote von 60 Prozent - das war sehr wichtig."

Das galt umso mehr, da sich sich Gottfridsson und Co. (33:13 Punkte) mit dem Sieg über den THW (34:12) bis auf einen Zähler an den großen Rivalen heranschieben konnten. Unverändert vier Punkte beträgt der Rückstand auf die TSV Hannover-Burgdorf an der Spitze (37:9). Der Anschluss an die Spitzengruppe ist gehalten - die (Rest-)Chancen auf die Meisterschaft, sie leben.

"Ich bin hier als junger Kerl hergekommen - mit meiner Freundin. Heute sind wir verheiratet, haben zwei Kinder. Wir sind groß geworden hier. Ich liebe diesen Verein."
— SG-Spielmacher Jim Gottfridsson

"Jetzt können wir die ganze Woche mit guter Laune trainieren", freute sich Coach Pajovic nach seinem ersten Derby, in dem ihm sein Team den ersten Derbysieg schenkte, und forderte: "Wir müssen immer so spielen, damit wir keine Punkte liegenlassen."

Das spielte für Gottfridsson kurz nach dem Abpfiff in der "Hölle Nord" keine Rolle. Er war überwältigt vom Moment - und dem Blick auf seine Jahre in Flensburg. Auch und gerade weil die für ihn ganz offensichtlich viel mehr bedeuten, als nur seine Handball-Karriere: "Ich bin hier als junger Kerl hergekommen - mit meiner Freundin. Heute sind wir verheiratet, haben zwei Kinder. Wir sind groß geworden hier. Ich liebe diesen Verein."

112. Landesderby: SG Flensburg-Handewitt besiegt THW Kiel

Dieses Thema im Programm:
Sportschau | 22.03.2025 | 18:00 Uhr