Fußball | Champions League FC Liverpool: So langsam wird es wirklich unheimlich
Arne Slot hat die nicht gerade kleine Herausforderung angenommen, den FC Liverpool nach der Ära Jürgen Klopp in die Zukunft zu führen. Die ersten zwei Saisonmonate gelingen dem Niederländer schon fast beängstigend gut. Ein Blick auf die Situation der Reds vor dem Champions-League-Spiel am Mittwoch bei RB Leipzig.
So langsam wird es wirklich unheimlich, wie schier reibungslos der FC Liverpool den Übergang in die neue Zeit bewältigt. Das hart erarbeite, aber verdiente 2:1 daheim gegen den FC Chelsea am Sonntagabend bedeutete den wettbewerbsübergreifend zehnten Sieg im elften Pflichtspiel unter Anleitung von Cheftrainer Arne Slot. "Ich habe großes Vertrauen in diese Mannschaft", ließ der 46-Jährige im Anschluss wissen. Liverpool ist vor den eigentlichen Ligafavoriten Manchester City und Arsenal London weiter Spitzenreiter in England, auch in der Champions League zogen Milan (3:1 im September) und Bologna (2:0 Anfang Oktober) den Kürzeren.
Jürgen Klopp prägte fast neun Jahre lang eine Ära beim FC Liverpool. Im Sommer trat Arne Slot die Nachfolge des Deutschen an.
Arne Slot tritt in riesige Fußstapfen
Dabei hätte der Niederländer Slot vor knapp drei Monaten ein viel schwereres Erbe kaum antreten können – aber wer lehnt schon ab, wenn die Reds rufen? Beim eh schon monumentalen Traditionsklub aus dem Nordwesten Englands war Ende Mai bekanntermaßen die fast neun Jahre und 491 Pflichtspiele währende Epoche des Jürgen Klopp zu Ende gegangen.
Klopp, einst 2015 als selbsternannter "Normal One" angetreten, hatte Liverpool zu Triumphen in Champions League, FA Cup, League Cup, UEFA Super Cup und Klub-WM geführt – und 2020 auch zum lang ersehnten 19. englischen Meistertitel, dem ersten des LFC in der Premier-League-Ära. Genau 30 Jahre mussten die "Scousers", wie sich die Einwohner der Hafen- und Arbeiterstadt vom River Mersey nennen, auf diese Erlösung warten. Die Verehrung für die wortgewaltige Identifikationsfigur aus Deutschland reichte weit über den Rasen der legendären Anfield Road hinaus.
Capo Klopp singt für seinen Nachfolger
Capo Klopps gewissermaßen finale Amtshandlung in Liverpools Diensten war es, am letzten Spieltag der Vorsaison die selbstverständlich restlos ausverkaufte Anfield Road zum emotionalen Abschiedszeremoniell lauthals mit der Melodie des Opus-Gassenhauers "Life is Life" auf seinen Nachfolger einzuschwören. Arne Slot, la la la la la, der als Profi immerhin über 200 Eredivisie-Spiele im Mittelfeld von NAC Breda, Sparta Rotterdam und PEC Zwolle absolvierte, überzeugte die LFC-Eigentümer der US-amerikanischen Fenway Group mit passender Fußballlehre und Erfolgen bei Feyenoord Rotterdam.
2021 war Slot aus Alkmaar zu Feyenoord gewechselt. Anschließend drangen die Rot-Weiß-Schwarzen bis ins dann knapp gegen AS Rom verlorene Conference-League-Finale 2022 vor, gewannen 2023 ihre 16. niederländische Meisterschaft und zuletzt den 14. KNVB-Pokal der Vereinsgeschichte.
Nur ein Neuzugang in Liverpool
Vor Amtsantritt wusste Slot nicht nur die vorauseilenden Elogen der Lichtgestalt Klopp auf seiner Seite, sondern fand dann auch ein von ihm bestens bestelltes Feld vor. Ein personeller Umbruch war im Sommer nicht vonnöten – den hatten Klopp und Mitstreiter schon zuvor eingeleitet. Der italienische Nationalspieler Federico Chiesa (von Juventus Turin) ist der einzige externe Neuzugang im Kader. Über Kurzeinsätze kam er bislang nicht hinaus.
Auch wenn sich die bevorzugten 4-3-3-Spielansätze der beiden Trainer ziemlich nahe kommen, agiert Slot in der Regel lieber mit einem doppelt besetzten Sechser-Scharnier vor der Abwehrreihe. Bei besagtem Prestigeerfolg über den bisherigen Viertplatzierten Chelsea überragte dort Matchwinner Curtis Jones neben dem aktuell unantastbaren Ryan Gravenberch. Der beim FC Bayern untergegangene niederländische Nationalspieler hat in dieser Saison weder eine Liga- noch Europapokalminute verpasst. Argentiniens Weltmeister Alexis Mac Allister wurde nach vorangegangenen Länderspielreisestrapazen erst spät eingewechselt.
Zwei Türme in der Liverpool-Innenverteidigung: Kapitän Virgil van Dijk (re.) und Ex-RB-Akteur Ibrahima Konaté.
Hinten dicht und vorne der unersetzliche Salah
Als wäre das noch nicht kompakt genug, reiht sich dahinter die imposante Stammviererkette um Kapitän Virgil van Dijk und Ex-RB-Akteur Ibrahima Konaté sowie die beiden Außenverteidiger Trent Alexander-Arnold und Andrew Robertson auf. Liverpools derzeit kaum überwindbare Defensive hat binnen elf Partien in Premier League (3), Champions League (2) und League Cup (1) zusammengenommen erst fünf Gegentore kassiert. Jedoch: Stammkeeper Alisson Becker fällt mit einer Oberschenkelverletzung noch wochenlang aus, für den Brasilianer steht der irische Nationaltorhüter Caoimhin Kelleher zwischen den Pfosten.
In der Offensive wiederum bleibt einstweilen Mohamed Salah unersetzlich. Der Ägypter, seit 2017 im Klub und längst auch zu Legendenstatus aufgestiegen, hat in acht Liga-Einsätzen bereits zehn Scorerpunkte angehäuft. Jones' 2:1-Siegtor gegen Chelsea bereitete Salah vor. Das 1:0 vom Elfmeterpunkt hatte er standesgemäß selbst besorgt. Es war das mittlerweile 218. Tor des 32-Jährigen im Liverpool-Dress. Diese Fabelleistung toppen lediglich noch zwei Klubheilige – 1966er Weltmeister Roger Hunt (263) und Ian Rush (339).
Nur ein Thema weiß die derzeitige Stimmung bei den Reds zumindest etwas einzutrüben – die ungeklärte und in der Öffentlichkeit entsprechend oft diskutierte Zukunft von Salah, van Dijk und Alexander-Arnold. Die Verträge der drei Eckpfeiler der letzten Jahre laufen allesamt im kommenden Sommer aus.
Mohamed Salah (li.) freut sich nach seinem jüngsten Führungstor gegen Chelsea. Dominik Szoboszlai (mi.) war einer der Gratulanten.
"Besonderes Match" für Szoboszlai
Zentral hinter dem momentan bevorzugten, aber am Sonntag angeschlagen ausgewechselten Mittelstürmer Diego Jota ist übrigens Antreiber Dominik Szoboszlai gesetzt. Den Ungarn hatte Liverpool im Sommer 2023 für festgeschriebene 70 Millionen Euro in Leipzig ausgelöst. "Das Match ist natürlich besonders für mich, denn ich hatte zweieinhalb super Jahre in Leipzig, kenne noch viele Leute und bin sehr dankbar für die Zeit mit zwei Pokalsiegen und vielen Emotionen", schwärmte Szoboszlai am Montag in einem Interview auf rbleipzig.com. "RB hat mich am Ende zu dem Spieler gemacht, der ich heute bin. Ohne die prägende Zeit in Leipzig, hätte ich den Sprung in die beste Liga der Welt wohl nicht geschafft."
Während also Szoboszlai und Konaté auf alte Leipziger Weggefährten treffen und Arne Slot seinen vorherigen Feyenoord-Kapitän Lutsharel Geertruida wiedersieht, wird ein Mann am Mittwochabend definitiv im Stadion fehlen: Jürgen Klopp. Dessen selbst gewählte Fußballauszeit gilt offiziell noch bis Jahresende, ehe er im Januar 2025 den jüngst angekündigten Job als "Global Head of Soccer" bei Red Bull antritt.
mhe