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Jahresrückblick 2024 | Dezember Bei Regionalligist Chemie Leipzig brennt der Baum

Stand: 31.12.2024 14:00 Uhr

In unserem SPORT-IM-OSTEN-Jahresrückblick blicken wir auf die Highlights 2024 zurück. Teil 12: Im Dezember findet in Leipzig-Leutzsch großes Stühlerücken statt. Auch der dienstälteste Regionalliga-Coach ist betroffen.

Ja, Chemie Leipzig ist ein besonderer Fußballverein. Seit der Sensations-Meisterschaft 1964 umweht das Leutzscher Holz eine ganz besondere Form der Geschichtserklärung und -verklärung, wie sie vor allem bei Fußballfans oft ganz wundersame Ausmaße annimmt. Von der besonderen Stimmung im heutigen Alfred-Kunze-Sportpark über die bundesdeutsche Drittliga-Zugehörigkeit als FC Sachsen oder die Neugründung und den Durchmarsch von der 3. Kreisklasse bis in die Regionalliga und bis zu einer eigenen Flutlichtanlage – auch die jüngere Historie der BSG ist reich an Legenden.

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Dezember 2024 - ein Monat für die BSG-Geschichtsbücher

Schon jetzt ist klar, dass auch der Dezember 2024 einen besonderen Platz in den BSG-Geschichtsbüchern haben wird. Auch wenn es diesmal gar nichts zu Feiern gibt. Sportchef weg, Aufsichtsrat weg, Vorstandschef weg, Trainer weg, neue Sportliche Leitung, neuer Aufsichtsrat – Personalveränderungen, für die sich andere Klubs mehrere Monate oder Jahre Zeit nehmen, wurden bei den Chemikern innerhalb von nur zweieinhalb Wochen im Dezember 2024 vollzogen. Das Ganze geschah vor dem Hintergrund unterschiedlicher Auffassungen über die Ausrichtung der BSG, Unstimmigkeiten zwischen Gremien und über die Verteilung der Aufgaben – und inmitten einer sportlichen Krise.

Personal Part 1: Drei Aufsichtsratsmitglieder gehen

Dass es bei der BSG rumort, war bereits im Sommer bei der Mitgliederversammlung deutlich geworden. Aufsichtsratmitglied Kai Leschier hatte bessere Kommunikation eingefordert. Dass die Gremien des Vereins offenbar unterschiedliche Auffassungen über die künftigen Ziele in Leutzsch haben, unterstrichen Ende November drei Aufsichtsratsmitglieder und erklärten ihren Rücktritt. Frank Engel, Tilo Müller und besagter Leschier erklärten, dass "sich unsere Auffassungen über die nachhaltige Ausrichtung des Vereins zu sehr von den Ansichten des Vorstands unterscheiden." Eine Aussage, auf deren öffentliche Verlautbarung wohl besonders Leschier pochte.

Personal Part 2: Sportlicher Leiter Ziffert geht

Dieser zum 1. Dezember wirksame Rückzug blieb nicht folgenlos und zog eine Vielzahl von weiteren Personalien nach sich. Am 4. Dezember warf der Sportliche Leiter Steffen Ziffert nach nur wenigen Monaten im Amt hin. Für den früheren Sportdirektor des FC Erzgebirge Aue und des Chemnitzer FC übernahm ein Quartett mit Chemie-Stallgeruch.

Personal Part 3: "Quadriga 2.0" kommt

Uwe Thomas, David Bergner, Daniel Heinze und der kurz zuvor aus dem Aufsichtsrat zurückgetretene Frank Engel, allesamt ehemalige Chemie-Spieler oder -Funktionäre übernahmen als "Quadriga 2.0" die sportliche Leitung. Bereits zwischen 2021 und 2023 hatte eine vierköpfige "Quadriga" die sportlichen Geschicke der BSG geführt.

Bei der Vorstellung des Quartetts am 9. Dezember versprach Uwe Thomas, einstiger Manager des FC Sachsen Leipzig und Teil der ersten Quadriga bei der BSG Chemie: "Wir werden jeden Stein umdrehen." Ziel sei der Regionalliga-Klassenerhalt, nach gutem Saisonstart waren die Leutzscher in der Regionalliga bis auf Rang 14 abgerutscht.

Uwe Thomas: "Jeder Stein wird umgedreht"

Personal Part 4: Neuer Aufsichtsrat gewählt

Noch in der gleichen Woche wurde der Aufsichtsrat neu gewählt und Chemie damit wieder handlungsfähig. Auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 14. Dezember gab es zudem gute Nachrichten: Finanziell geht es der BSG gut, der Verein schreibt schwarze Zahlen und konnte im zurückliegenden Jahr sogar einen Gewinn erzielen.

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Personal Part 5: Vorstandschef Kühne zieht sich zurück

Ruhig wurde es im Leutzscher Holz aber nicht: Denn kurz zuvor kündigte Chemie-Vorstandschef Frank Kühne seinen Rückzug an. "Aus privaten Gründen", wie er per Pressemitteilung bekannt gab. Mit dem 65-Jährigen zieht sich eine langjährige Identifikationsfigur zurück. Kühne gehörte dem BSG-Vorstand seit 2012 an, damals spielte Chemie noch in der sechstklassigen Sachsenliga.

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Frank Kühne arbeitete fast 13 Jahre bei Chemie im Vorstand.

Personal Part 6: Trainer Jagatic beurlaubt

Das letzte Personalbeben bei Chemie gab es dann rund eine Woche vor Weihnachten: Nach fast sechs Jahren im Amt wurde Cheftrainer Miroslav Jagatic am 18. Dezember beurlaubt. Der 48-Jährige war damit nicht nur der dienstälteste Trainer in der Regionalliga Nordost. Er war auch der Coach, der in der Fußballgeschichte in Leutzsch am längsten auf der Trainerbank saß. Selbst der legendäre Alfred Kunze kam nur auf vier Jahre, Eduard Geyer hatte den Job zweimal, kam zwischen 1992 und 1994 sowie 2006/2007 auf insgesamt drei Jahre.

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Jagatic länger als Alfred Kunze im Amt

"Damit reagieren die Chemiker auf die jüngere sportliche Entwicklung", wurde Jagatic‘ Beurlaubung in einer Pressemitteilung begründet. Chemie hat in 18 Saisonspielen nur fünfmal gewonnen, aus den letzten sechs Spielen vor der Winterpause sprang nur ein Sieg heraus.

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Miroslav Jagatic ar fast sechs Jahre bei Chemie im Amt.

Interimslösung oder neuer Coach?

Die BSG um die "Quadriga 2.0" hat nun bis zum Ende der Winterpause am 26. Januar Zeit, einen neuen Trainer zu finden. Quadriga-Mitglied David Bergner kündigte an, dass man "keine Schnellschüse" wolle. "Falls nötig, werden wir eine Interimslösung finden." Bergner hat selbst einen Trainerschein und sowohl in der Regionalliga Nordost als auch in der Regionalliga Nord schon Klubs trainiert. Er selbst habe aber keine große Lust auf den Job, sagte er bei seiner Vorstellung. Schließlich sei er als Grundschullehrer in Brandenburg fest eingebunden.

Bergner und Co. sollen Chemie Leipzig mit aus der Misere führen

Nach diesem aufregenden und personell richtig aufregenden Dezember sollte Chemie im neuen Jahr aber schnell in ruhigeres Fahrwasser kommen. Nicht nur, um weitere Differenzen um die Ausrichtung des Vereins und damit weitere Unruhe zu vermeiden. Sportlich könnten ein paar Punkte helfen – die Abstiegszone ist schließlich nur fünf Zähler entfernt. Die ersten Gegner im neuen Jahr sind der Tabellen-Zwölfte Meuselwitz und Schlusslicht Luckenwalde. Vielleicht folgt auf den Krisenmonat Dezember ja der Aufbruchmonat Januar.

Dirk Hofmeister