Spieler des FSV Frankfurt und der Offenbacher Kickers diskutieren mit dem Schiedsrichter.

Zweite Mannschaften in der Regionalliga Zweite Mannschaften in der Regionalliga: Ist das Wettbewerb oder kann das weg?

Stand: 31.12.2024 16:08 Uhr

Ungleiche Chancen, kaum Zuschauer und Nachteile für Traditionsvereine wie Kickers Offenbach oder FSV Frankfurt: Zweite Mannschaften sind im deutschen Fußball denkbar unbeliebt. Wird es Zeit für eine Reform?

Von Henning Middeldorf

November 2024. In der Regionalliga Südwest hat sich der FSV Frankfurt gerade sensationell die Herbstmeisterschaft gesichert. Direkt hinter den Bornheimern stehen ausgerechnet die Offenbacher Kickers, die Nachbarn von der anderen Seite des Mains. Alles ist angerichtet für ein Aufstiegsrennen zwischen den beiden Rivalen – eine Belohnung für die gute Arbeit.  

Das ist so nicht passiert – auch wenn es lange danach aussah. Denn gegen Ende der Hinserie schoben sich zwei Teams in der Tabelle an den beiden Traditionsmannschaften vorbei: Die Zweitvertretungen des SC Freiburg (Hinrundendritter) und der TSG Hoffenheim (Herbstmeister). Das bringt viele Fans auf die Palme – und auch Verantwortliche von Traditionsklubs sind mit der Situation unzufrieden. "Es gibt dort Spieler, die teilweise mit der ersten Mannschaft trainieren. Generell sind die finanziellen Möglichkeiten ganz anders. Wenn du gegen sie spielst, weißt du nie, was du bekommst", sagt Christian Hock, Geschäftsführer der Offenbacher Kickers.

Und so keimt aktuell mal wieder eine alte Debatte wieder auf: Sollten die zweiten Mannschaften von Bundes- und Zweitligisten am Spielbetrieb der Regionalligen und der dritten Liga teilnehmen dürfen? 

So ist der Stand

Pro Regionalligastaffel dürfen maximal sieben zweite Mannschaften vertreten sein, in dieser Saison sind es in allen Staffeln zusammen 16. Dazu kommen aktuell drei Zweitaufgebote in der dritten Liga. Die Kader der Zweitvertretungen bestehen zum Großteil aus Jugendspielern unter 23 Jahren, pro Partie dürfen außerdem drei Spieler oberhalb dieser Altersgrenze eingesetzt werden.  

Ganz fair sei das nicht, heißt es oft von Kritikern dieser Regelung. Denn immer wieder kommen so auch Erstligaprofis in den unteren Ligen zum Einsatz, die Zweitmannschaften haben außerdem oft einen höheren Etat und verfügen über bessere Jugendspieler als ihre Ligakonkurrenten. Man schaue sich nur einmal den Kader an, mit dem der FC Bayern II 2020 die dritte Liga gewann.  

Für dieses Problem gibt es einen Lösungsvorschlag, der auf dem Papier ganz einfach klingt: Die zweiten Mannschaften könnten in einer eigenen Liga gegeneinander antreten, dadurch wäre der Wettbewerb fairer und ausgeglichener. Eine solche Liga aus vornehmlich U23-Spielern gibt es zum Beispiel in England – und es gab sie auch in Deutschland in den 80er-Jahren und zuletzt 1994. Im Sommer forderten Fußballfans in einer Petition eine Wiedereinführung dieses Systems, sie erreichte fast 10.000 Unterschriften. Warum reagiert der DFB also nicht? 

Die Talentförderung

Da gibt es diesen einen Grund, der über allem schwebt und dem auch kritische Stimmen wenig entgegensetzen können: Junge Spieler müssen Spielzeit im Seniorenbereich sammeln, um sich optimal zu entwickeln. Auf hr-Anfrage schreibt der DFB deshalb in einem Statement, eine eigene Liga für U21- oder U23-Mannschaften sei "aus sportlicher Sicht kontraproduktiv".  Es sei "unumstrittene Expertenmeinung, dass der Wettkampf gegen Ältere für Spieler im Übergangsbereich unerlässlich ist", so der Verband. 

Ähnlich sieht das Frank Kramer, Sportdirektor und Leiter der Nachwuchsabteilung der TSG Hoffenheim. "Es gibt nichts besseres, als frühzeitig Herrenfußball zu lernen", so der 52-Jährige. Eine eigene Liga für Zweitmannschaften hält er für wenig sinnvoll. "In England hat mir ein Jugendcoach sein Leid geklagt, weil ihre Spieler in einer Jugendliga spielen und unsere im Herrenfußball. Sie sind dort total unglücklich mit der Struktur", erzählt der Hoffenheimer. 

Der sportliche Wettbewerb

So sehr die zweiten Mannschaften bei der Entwicklung von Jugendspielern helfen, so verzerrt wird durch sie der Wettkampf in dritter und vierter Liga. "Wenn Bundesligateams wollen, dass ihre Zweitmannschaft aufsteigt, dann können sie das mit hoher Sicherheit auch bewerkstelligen", findet etwa FSV Frankfurts Präsident Michael Görner.  

Wie sehr die verschiedenen Zweitmannschaften wirklich auf maximalen sportlichen Erfolg aus sind, ist nicht immer leicht einzuschätzen. Bei einigen Teams spielen in fast jeder Partie so viele erfahrene Spieler wie möglich, bei anderen scheint es tatsächlich ausschließlich um optimale Talentförderung zu gehen.  

Frank Kramer betont, die TSG Hoffenheim II würde "nicht in jedem Spiel fünf 19-Jährige aufstellen, wenn wir den Aufstieg so unbedingt wollten." Allerdings verpflichtete auch die TSG vor der Saison gezielt ältere Spieler, um den Kader der zweiten Mannschaft zu verstärken: Von Ligakonkurrent Freiberg kam im Sommer der 28-jährige Ruben Reisig – an dem auch andere Aufstiegskandidaten interessiert waren. 

Die Zuschauer

Zwar spielen einige der spannendsten Talente des deutschen Fußballs in zweiten Mannschaften, auf besonders viel Zuschauerinteresse stoßen die Teams aber trotzdem nicht. Die TSG Hoffenheim II etwa ist trotz ihres sportlichen Erfolgs Schlusslicht beim Zuschauerschnitt der Regionalliga Südwest: Gerade einmal 221 Fans kommen zu einem Heimspiel durchschnittlich ins Stadion. Förderlich für die Attraktivität einer Liga ist das selbstredend nicht. 

Was andere Vereine außerdem monieren: Gastiert eine Zweitmannschaft bei ihnen zum Auswärtsspiel, bleibt der Gästeblock oft fast vollständig leer. Hock sieht darin auch ein finanzielles Problem. "Wenn wir den Gästeblock aufmachen und am Ende nur 20 Leute drinstehen, machen wir mit diesem Block sogar Minus. Das ist schon absurd", findet der Offenbacher. 

Und nun?

Am Ende bleibt die Frage nach dem Umgang mit Zweitmannschaften ein Thema der Priorisierung: Wie wichtig sind Talentförderung und die optimale Entwicklung von Jugendspielern? Und wie wichtig die Attraktivität einer Liga und der Umgang mit Traditionsvereinen?  

Eine perfekte Herangehensweise gibt es nicht, dessen ist sich auch Offenbachs Geschäftsführer Christian Hock bewusst. Dennoch findet der OFC-Funktionär, "dass die Argumente für Traditionsmannschaften einfach größer sind." Genau wie FSV-Präsident Michael Görner spricht er sich deshalb für die Wiedereinführung einer eigenen Liga für Zweitmannschaften aus. 

Der DFB hingegen betont zwar, dass diese Perspektiven natürlich ein Faktor seien - und argumentiert mit einschränkenden Regularien für Zweitmannschaften. Insgesamt, so bleibt aber der Eindruck, scheint das Pendel beim Verband weiterhin eher in Richtung Talentförderung zu schwingen.