Abschied von Olympia Timo Boll bei Olympia: "Beim letzten Punkt wird es schwer und schlimm"
Timo Boll tritt nach seinen siebten Olympischen Spielen von der internationalen Bühne ab. Mittlerweile kann er sich sogar den Laufpass für seine große Liebe vorstellen.
Timo Boll fühlte sich bei seiner siebten und letzten Ankunft in einem Olympischen Dorf beinahe schon wie zuhause. "Seit meinen ersten Spielen 2000 sind für uns Sportler Unterkünfte, Hallen und Aufbauten immer ähnlich", sagte Boll dem SID, "aus dem Blickwinkel hat sich Olympia am wenigsten verändert."
Doch in Paris ist für Boll diesmal alles anders. Hier wird seine internationale Karriere nach dem Teamwettbewerb unwiderruflich enden. Am Donnerstag kam er an, schon am Montag im Achtelfinale gegen Kanada kann das letzte Match des 43-Jährigen auf der größten aller Bühnen stattfinden, im Idealfall würden noch maximal sechs weitere Auftritte folgen.
Noch dominiert der Ehrgeiz
Eine Handvoll Einsätze nach gut 30 Profijahren mit Aberhunderten von Matches beschließt die imponierende Karriere eines der größten Athleten in der deutschen Sportgeschichte. Ersten Anzeichen für aufkommenden Abschiedsschmerz setzt Boll die Fokussierung auf die Jagd nach seiner fünften Olympia-Medaille entgegen. "Ein letztes Hurra mit der Mannschaft wäre schön", sagte die erste Nummer eins der Weltrangliste aus Deutschland, "im Moment schiebt der Ehrgeiz die Wehmut noch beiseite."
Vom unausweichlichen Augenblick des allerletzten Matchballs mit dem finalen Punkt hat der Odenwälder, der das Einzelturnier in Paris noch aus der Heimat verfolgte, nur eine vage Vorstellung: "Ich lasse bestimmt alles hochkommen, weil ich es nicht zurückhalten könnte. Beim letzten Punkt wird es schwer und schlimm."
Anspruch ist größer als die Liebe zum Sport
Dabei könnte der Abschluss seiner internationalen Laufbahn, an den "meine Frau gar nicht glauben konnte", nur eine noch viel einschneidendere Zäsur einleiten. Denn nach der bevorstehenden Abschiedssaison für Meister Borussia Düsseldorf hält der zweimalige Weltcupsieger und WM-Dritte auch seinen vollständigen Rückzug aus der gesamten Tischtennis-Szene und ein Leben ohne Schläger für möglich.
Seine bisher unbekannten Gedankenspiele um einen Laufpass für "meine große Liebe Tischtennis" begründet der "Herr der Bälle" mit seinem unveränderten Wunsch nach Perfektion: "Vielleicht ist es wie irgendwann in manchen Ehen: Wenn der Anspruch nicht mehr erfüllt wird, ist es besser, sich zu trennen - und mein Anspruch an mich selbst ist eben noch größer als meine Liebe zum Sport."
Boll: "Jetzt ist vieles Kampf"
Auch das Happy End seiner erneuten Paris-Nominierung nach monatelanger Verletzungspause hat den Olympia-Fahnenträger von 2016 einige Frusterlebnisse nicht vergessen lassen: "Ich habe zuletzt wieder ganz anständig gespielt, aber gemerkt, dass mich selbst dieses Niveau schon total unzufrieden macht. Wenn man weiß, wie man spielen kann, und einem bewusst wird, dass man das nicht mehr abrufen kann - das hat mich wahnsinnig gemacht", gesteht Boll: "Es macht wieder Spaß, doch ich weiß immer noch, dass es anders ist als zu meiner Zeit als junger Spieler. Jetzt ist vieles Kampf, jetzt fehlt das Natürliche."
Umso neugieriger ist der erfolgreichste Spieler in der deutschen Tischtennis-Geschichte auf seine Zukunft: "Ich kenne nix anderes als Tischtennis, 30 Jahre war jede Woche durchgetaktet. Ich bin gespannt, wie ich auf Freizeit reagiere."