Zwischen Kassel und Costa Rica Surfprofi Leon Glatzer sucht nach der perfekten Welle
Leon Glatzer hatte die längste Zeit seines Lebens ein Surfer-Mekka vor der Haustür. Dennoch fuhr er für Deutschland zu Olympia und lebt inzwischen in München. Er weiß schließlich: Spektakuläre Surfspots gibt es überall auf der Welt.
Leon Glatzer wurde auf Hawaii geboren, ist in Costa Rica aufgewachsen und lebt heute in München. Surfer zu werden, war für ihn wortwörtlich naheliegend. Wenige hundert Meter entfernt von seinem Elternhaus verläuft die zweitlängste "Linke" der Welt. Eine Welle also, die zur linken Seite bricht. 80 Sekunden kann man auf ihr surfen. Das weiß Glatzer exakt. Wie oft er sie geritten ist, kann er höchstens schätzen.
Dass er in Pavones, einem 500-Einwohner-Dorf mitten im zentralamerikanischen Dschungel, mehrsprachig aufgewachsen ist, war fast schon anzunehmen. Deutsch sei darunter "nicht gerade seine Stärkste", sagt Glatzer - in einwandfreiem Deutsch. Die Verbindung zum Land seiner Eltern blieb aber stets intakt. Etwa fünfmal im Jahr ist er auf Verwandtschaftsbesuch in Kassel. Eine Verbindung, die ihn darin bestärkt hat, die Karibik vor rund einem Jahr gegen München einzutauschen und nach Deutschland zu ziehen.
Perfekte Trainingsbedingungen in München
In der bayerischen Landeshauptstadt kann er näher am deutschen Nationalteam sein, für das er 2021 zur Olympiapremiere der Sportart nach Tokio fahren durfte. Ein historischer Erfolg. Glatzer hat es durch viel hartes Training zu den besten Surfern der Welt geschafft. In München will er nun die Nähe zum Nationalteam und seinen Trainern nutzen, um noch besser zu werden.
Ganz gezielt kann er in einem seltenen Wavepool etwas außerhalb der Stadt seine Skills auf ein neues Level heben. Der Pool simuliert eine konstante Welle, die es ihm ermöglicht, an Sprüngen zu arbeiten, für die er im Meer viel länger brauchen würde, weil die Bedingungen nur selten so günstig sind. "In einem Jahr schaffe ich das sonst vielleicht 20 Mal. Im Wavepool kann ich das 100 Mal in zwei Stunden versuchen", erklärt Glatzer in der ARD-Dokuserie "Die perfekte Welle" (ab sofort in der ARD Mediathek).
Dass Glatzer sich trotz des Idylls, in dem er aufgewachsen ist, leicht an anderen Orten auf der Welt einfindet, erschließt sich auch aus seiner Biografie. "Das Meer zeigt mit ständig, dass ich nur ein kleiner Teil dieser gewaltigen, wunderschönen Welt bin", sagt er. Kalibriert wurde diese Perspektive in der Gemeinschaft von Pavones.
Ein ganzer Ort lehrt Glatzer das Surfen
Als er fünf Jahre alt war, habe ihm praktisch der ganze Ort mit seinen 500 Einwohnern beigebracht, sich auf dem Board zu bewegen. "Wir sind eine große Familie", sagt Glatzer, der sich bei seinem Sport wohl auch daher stets als Teil von etwas Größerem versteht.
In der Dokuserie "Die perfekte Welle" verschlägt Glatzer die Suche nach den perfekten Surfspots der Welt an den entlegensten Orten sogar nach Island. Mitten im Eis und am Rande des Gefrierpunkts findet er in der nordischen Wildnis tatsächlich einen einzigartigen Surfspot.
Freiheit auf dem Board und im Biergarten
Hier auf dem Board kann sich der 27-Jährige völlig von der Welt entkoppeln. Ein Gefühl, das er sonst nur - Achtung - aus Münchner Biergärten kennt. "Ich habe dieses Gefühl noch nicht an vielen Orten auf der Welt gefunden. Aber mit Freunden im Biergarten zu sein, das gibt es mir komplett."
Ein wichtiger Ausgleich zum durchgetakteten Trainingsalltag. Die nächste Herausforderung wartet gleich vor der Haustür. Vom 11. bis 13. Oktober werden in München die Deutschen Surf-Meisterschaften ausgetragen. Ein Heimspiel mit guten Chancen für Glatzer, bei dem auch die Verwandtschaft in Kassel die Daumen drückt.
Oma Glatzer drückt in Kassel die Dauem
Vor allem Glatzers Großmutter, 83 Jahre, schaltet zuverlässig ein, sobald ihr Enkel irgendwo im Fernsehen auftaucht. Obwohl er den größten Teil seines Lebens weit entfernt verbracht hat, heimatlich verbunden ist er seinen Wurzeln in Nordhessen immer geblieben.
Glatzer, der eigentlich Glätzer heißt und durch viele Reisen und fremdsprachige Dokumente irgendwann die Punkte überm ä verlor, ist Kosmopolit. Ein Wellenreisender, der sich in der dreiteiligen ARD-Dokumentation "Die perfekte Welle" auf die Suche nach der perfekten Welle begibt und dabei nachvollziehbar macht, dass Surfen eine Lebensart ist, die selbst größte Gegensätze verbinden kann.