
Lilien fressen Schalke 04 regelrecht auf Darmstadt 98 frisst Schalke auf: Laute Lilien beruhigen die Lage
Darmstadt 98 beendet gegen Schalke 04 den Negativlauf und verschafft sich ein Polster auf die Abstiegszone, weil der Torjäger herausragend vollstreckt, die gesamte Mannschaft zusammenhält und auch mit der Bus-Anreise alles glatt geht.
Als der Darmstädter Fußballtrainer Florian Kohfeldt sich umdrehte, aufgeschreckt von einem inbrünstigen Schrei, und sah, was da nach dem zweiten Tor des Tages auf ihn zueilte, zuckte er kurz zurück. Dabei kannte er ihn ja, den Wildgewordenen in Grün, den Torhüter seiner Mannschaft. Marcel Schuhen aber brüllte und brüllte und brüllte. Den Rücken durchgebogen, die Fäuste geballt. Und hätte Kohfeldt nicht schnell gemerkt, dass da einer der Seinen auf ihn zutobte und jubelte, er hätte Angst verspüren können, alsbald aufgefressen zu werden.
Auffressen, ein Wort, das es immer mal wieder ins Fußballjargon schafft und in etwa so viel bedeuten soll wie: Eine Mannschaft bezwingt die andere nicht nur mit fußballerischen Mitteln, sondern vor allem mit Leidenschaft, Einsatzwillen, Herz. Marcel Schuhen, der beste Beweis. Doch es gab noch andere am Sonntag am Bölle zu Darmstadt, wo der SV98 die namhaften Gäste vom FC Schalke 04 mit 2:0 (2:0) besiegte. Alle trugen sie das Trikot der heimischen Lilien.
Nach Lidbergs Knall-Start fällt das Niveau
Etwa Verteidiger Aleksandar Vukotic, die fleischgewordene Mentalität. Oder Kapitän Clemens Riedel, der es mit halb Königsblau im Wort-und-Schubs-Gefecht aufnahm. Oder Luca Marseiler, der Einwürfe wie Tore bejubelte. Oder Fraser Hornby, der verteidigende Stürmer. Allen gemein: Immer wieder nahmen sie mit deutlichen Handbewegungen auch das Publikum mit. Das Bölle lieferte routiniert die lautstarken Antworten. "Es war gemeinsam mit den Fans ein absolutes Feuerwerk", sagte Torwart Schuhen und fügte an: "Gerade in den ersten Minuten."
Denn fernab des Emotionalen erlebten die 17.810 Zuschauer im ausverkaufen Rechteck tatsächlich die Höhepunkte in den ersten fünf Zeigerumdrehungen, zweimal hatte Isac Lidberg seine Füße dabei entscheidend im Spiel. Erst schlenzte er den Ball nach 123 Sekunden von links ins rechte Eck, ehe er ihn 128 Sekunden später von rechts ins linke Eck chippte. Zwei herausragende Treffer des Schweden, die seine Saisontore zehn und elf bedeuteten. Lidbergs Kommentar: "Ich hatte schon im Training ein gutes Gefühl." Wenn es denn nur immer so einfach wäre...
Trainer Kohfeldt lobt den Zusammenhalt
Einfach war die Lage der Lilien vor dem Anpfiff sicher nicht. Nach sechs Sieglos-Spielen sowie vier Niederlagen am Stück ohne eigenen Treffer standen sie unter Druck. Eine weitere Pleite und das Ganze mit dem Abstiegskampf hätte so langsam Formen angenommen. So aber haben die Lilien, die an den Gästen vorbei auf Platz zwölf kletterten, wieder sieben Zähler zwischen sich und die gefährliche Zone gelegt und damit die Lage deutlich beruhigt.
Kohfeldt sprach seiner Mannschaft entsprechend einiges an Lob zu. Niemand habe in der Krise auf den anderen gezeigt. Sondern: "Wir haben es immer gemeinsam versucht, stets geschlossen. Das Thema der Schuldfrage gab es nie." Der Sieg gegen Schalke sei daher auch einer der ganzen Mannschaft sowie der Fans, befand der Coach, der sein Team vorher bewusst im Hotel hatte nächtigen lassen. Der Grund: Die Spieler sollten mit dem Bus anreisen, um besser die Stimmung rund ums Stadion aufsaugen zu können. Sachen gibt's.
Hinten sicher, vorne richten es die Stammkräfte
Die Leistung gegen eindrucksvoll schlechte Schalker, denen allerdings auch vier Stammspieler fehlten, war zwar keine spielerische Offenbarung, einen verdienten Sieg durften die Lilien aber allemal feiern. Obwohl die Gelsenkirchener, die in der 77. Minute einen Platzverweis für Max Grüger verkraften mussten, 58 Prozent Ballbesitz hatten, sich elf Ecken erspielten, auch sechs Mal aufs Tor schossen, strahlten sie keinerlei Torgefahr aus. Oder andersherum betrachtet: Die Lilien verteidigten alles kompromisslos weg, was da auf sie zukam.
Und vorne stürmten eben diesmal nicht Leute wie Fynn Lakenmacher, Oscar Vilhelmsson oder Marseiler, sondern die beiden wiedergenesenen Stammkräfte Lidberg und Hornby. Die hatten letztmals vor mehr als zwei Monaten gegen Kaiserslautern gemeinsam in der Startelf gestanden. Das 5:1 gegen die Pfälzer sollte bis Sonntag der letzte Darmstädter Sieg gewesen sein - Zusammenhang wahrscheinlich.