BR24 Sport Vierschanzentournee zeigt Defizite im DSV-Team auf
Das Warten auf den nächsten deutschen Vierschanzentournee-Sieg geht weiter. Dabei wäre alles angerichtet gewesen. Anstatt eines DSV-Triumphs kamen die großen Defizite des deutschen Skispringens zum Vorschein.
Immer wieder war die Rede von Druck, wenn es um Pius Paschke und die Vierschanzentournee ging. Der Athlet, der fünf der acht Einzelspringen gewonnen hatte, der als Topfavorit zum Saisonhighlight anreiste, der musste doch Druck verspüren? Immerhin war es keinem DSV-Adler zuvor gelungen, mit so vielen Saison-Einzelsiegen bei der Tournee anzutreten.
Doch den Druck merkte man den deutschen Athleten zumindest nach außen hin kaum an. Selbst im Interview ließen sich Pius Paschke, Karl Geiger, Andreas Wellinger und Co. ihre teilweise unterdurchschnittlichen Leistungen nicht anmerken. Sie wirkten abgeklärt.
Einige sahen das kritisch und warfen dem Team fehlenden Biss und fehlende Motivation vor. Eine "teilweise irritierende Ambitionslosigkeit" - so bezeichnete es etwa die "Deutsche Presse-Agentur" in ihrer Tournee-Bilanz. Als Bundestrainer Stefan Horngacher gefragt wurde, ob er enttäuscht sei, antwortete er ins Sportschau-Mikrofon nur: "Sonst hätte ich schon seit 23 Jahren enttäuscht sein müssen". Dabei waren die Vorzeichen andere, dass Horngacher in seinem sechsten Jahr im Amt endlich der große Wurf gelingt.
DSV-Adler wurden zu Nebendarstellern
Stattdessen wurden seine Schützlinge erneut zu Nebendarstellern degradiert. Paschke, der als Weltcup-Führender im Gelben-Trikot in die Tournee gestartet war, sagte nach dem letzten Springen in Bischofshofen: "Freuen kann ich mich nicht. Ich habe erst mal lernen müssen. Es gab coole Momente. Das Ergebnis geht genauso in Ordnung." Am Ende stand für ihn Tournee-Gesamtrang sechs. In Bischofshofen kam er nicht über Platz zwölf hinaus.
Was noch zum Vorschein kam, ist eine Lücke im DSV-Team. Paschke ist Spätzünder, 34 Jahre alt. Auch wenn er am Montag noch humorvoll sagte: "2035 gewinne ich die Tournee", rechnen wohl die wenigsten damit, dass er noch viele Jahre dabei sein wird. Das deutsche Skispringen benötigt dringend Lösungen. Kurzfristig vor der WM, langfristig in der offensichtlichen Nachwuchskrise.
Defizite im deutschen Team kurz vor der WM
"Im Skispringen kann es schnell gehen, nach oben wie nach unten", sagte Bundestrainer Stefan Horngacher in Bischofshofen: "Wir denken nach vorne, werden in Ruhe analysieren und den Hebel richtig anlegen, um schnell wieder nach oben zu kommen."
Horngacher wollte Aufbruchstimmung vermitteln, wirkte aber mittelmäßig überzeugend. Die bittere Tournee zeigte rund sieben Wochen vor der WM in Trondheim unbarmherzig die Defizite des deutschen Teams auf. Und es scheint nicht so, als könnten sich diese schnell beheben lassen.
Da ist das Mentale. "Wir sind mit dem Weltcup-Führenden und großen Ambitionen angetreten, dann aber in eine Überspannung gekommen", sagte Horngacher.
Wellinger wünscht sich mehr Druck durch die Jungen
"Das ist ein Thema, über das sich der Verband Gedanken machen muss", sagte Olympiasieger Wellinger: "Wir brauchen mehr Junge, die uns Älteren von unten das Leben schwer machen. Dann müssen wir uns auch weiter entwickeln. Das pusht gegenseitig."
Es sagt viel, dass der 29-jährige Wellinger zu den jüngeren in der deutschen Kernmannschaft gehört. Paschke (34), Karl Geiger (31), die zurzeit besonders kriselnden Stephan Leyhe und Markus Eisenbichler (beide 33) - verdiente Athleten, die nun für Stillstand stehen. "Wir werden die Stellung halten. Aber ich hoffe, dass wir dann von den Jungen abgelöst werden", sagt Geiger.
Einige der Jungen quälen sich im Continental Cup
Es sei nicht so, dass absolute Toptalente fehlten, so Sportdirektor Horst Hüttel: "Constantin Schmid hat acht Medaillen bei Junioren-Weltmeisterschaften gewonnen, Luca Roth vier, Philipp Raimund drei." Doch nur Raimund (24) sprang bei der Tournee, Schmid (25) und Roth (24) quälen sich im zweitklassigen Continental Cup. Dort wie im drittklassigen FIS-Cup wimmelt es von Austria-Rohdiamanten - der Druck nach oben ist ganz anders.
Die Zeit drängt. "Uns ist klar, dass es nach Olympia 2026 einen Bruch geben wird, dann werden Springer aufhören. Wir müssen mit Hochdruck daran arbeiten, junge Leute in diese Position zu kriegen, damit deutsches Skispringen erstklassig bleibt", sagt Hüttel.
Quelle: BR24Sport 07.01.2025 - 18:30 Uhr