Sturz auf der Streif

BR24 Sport Sicherheit im Ski-Weltcup: Wird die Streif zur Zerreißprobe?

Stand: 24.01.2025 10:16 Uhr

Die Sicherheitsdebatte im Skirennsport hat in den vergangenen Wochen an Fahrt aufgenommen. Ausgerechnet jetzt steht die Streif an - die gefährlichste Strecke im Ski-Weltcup. Wird das Hahnenkammrennen zum Öl im Feuer der Sicherheitsdebatte?

Von Mona Marko

Das Hahnenkammwochenende war noch nicht gestartet; das Zielgelände leer, die Streif thronte ganz zahm über dem (noch) verschlafenen Wintersportort Kitzbühel, da forderte sie schon ihre ersten Opfer: Der Oberfranke Jacob Schramm stürzte beim Training am Mittwoch und zog sich eine schwere Knieverletzung zu. Fotos zeigen Schramm, wie er mit blutender Nase im Sicherheitsnetz liegt. Bilder, die gerade denselben Effekt haben wie Öl im Feuer.

Schon die gesamte Saison über brodelt es im Weltcup-Zirkus. Die Sicherheit im Skirennsport wird heftig debattiert: Airbags, schnittfeste Unterwäsche, Skier und Anzüge waren Thema. ARD-Ski-Alpin-Experte Felix Neureuther forderte Regeln, DSV-Sportdirektor Wolfgang Maier sagte, der Skirennsport würde sich selbst zerstören und FIS-Rennchef Markus Waldner stellte fest: "Es ist fünf nach zwölf."

Streif zwang schon Top-Fahrer in die Knie

Und ausgerechnet jetzt kommt Kitzbühel. Die Streif ist die gefährlichste Strecke im Weltcup. Top-Fahrer wie Aksel Lund Svindal, Hannes Reichelt oder Christof Innerhofer kamen hier schon heftig zu Sturz. Manche Männer hat die Streif sogar in die Knie gezwungen: Patrick Ortlieb gab 1999 kurz nach seinem Sturz an der Hausbergkante (Trümmerbruch Oberschenkel) sein Karriereende bekannt. Andrej Jerman stürzte 2013 schwer, wollte eigenständig aufstehen, brach dann aber auf der Piste zusammen. Drei Tage später gab er seinen Rücktritt bekannt. Auch Hans Grugger beendete seine Karriere aufgrund der Folgen seines lebensbedrohlichen Sturzes auf der Streif.

Viele Verletzte im Ski-Weltcup

Zur Halbzeit des Weltcup-Winters ist die Verletztenliste schon lang. Auch der Vorjahressieger Cyprien Sarrazin wird nach seinem Horror-Sturz in Bormio beim Hahnenkammrennen fehlen. Haben die Veranstalter in Kitzbühel auf Sarrazins Sturz und die anhaltende Sicherheitsdebatte reagiert?

"Nein, man ist nämlich schon am Limit, was die Streckenpräparierung angeht", sagte der Streckenchef des Hahnenkammrennens, Herbert Hauser, dem Bayerischen Rundfunk. "Man gibt immer das Bestmögliche, damit die Piste so gemacht wird, dass die Athleten die besten Bedingungen vorfinden."

Kritik an Materialschlacht

Hauser ist seit Jahren Streckenchef. Nach wilden Stürzen sah er sich oft Kritik ausgesetzt. Der Zielsprung sei zu gefährlich, die Strecke zu schnell. "Dabei sehe ich das Problem aktuell beim Material", so Hauser. "Das Material überholt den Menschen." Mit seiner Meinung ist der Hahnenkamm-Streckenchef nicht allein.

Das Material rückt immer stärker in den Fokus der Sicherheitsdebatte: Im Rennen um Hundertstelsekunden feilen Skiteams, Athleten, Trainer, Servicemänner am Equipment. "Mittlerweile ist das Material so aggressiv, das lässt keine Fehler zu", sagt Hauser. Der ehemalige Skirennfahrer und Kitzbühel-Sieger Josef "Pepi" Ferstl meint: "Es ist schrecklich zu sehen, dass sich der Sport in diese Richtung entwickelt."

Karbonschienen sorgen für Diskussionen

Zuletzt sorgten Carbonschienen für Diskussionen im Weltcup-Zirkus, mithilfe derer Skirennfahrer schneller, aber auch gefährlicher unterwegs sein sollen. Auch Sarrazin soll eine solche Schiene eingesetzt haben.

Felix Neureuther, der ARD-Ski-Alpin-Experte jedenfalls fordert klare Regeln, damit die Materialschlacht nicht aus dem Ruder läuft. Und DSV-Sportdirektor Wolfgang Maier sagt, "Fehler müssen wieder verzeihbar werden."

Skirennfahrer als Showmänner?

Auch wenn der Hahnenkamm-Streckenchef Herbert Hauser und sein Team alles dafür tun, um das Rennen so sicher wie möglich über die Bühne zu bringen - die Streif bleibt die gefährlichste Strecke der Welt. Auch deshalb zieht sie die meisten Zuschauer an. Auch oder gerade wegen des schmalen Grats zwischen Show und Tragödie genießt das Rennen die internationale Aufmerksamkeit und das Prestige. Viele der Skirennfahrer wissen um ihre Rolle: "Ich will den Leuten eine Show bieten", sagte einst der kanadische Skirennfahrer Erik Guay - bleibt zu hoffen, dass es dieses Jahr eine Show ohne weitere Verletzte wird.

Quelle: BR24Sport 24.01.2025 - 18:30 Uhr