BR24 Sport Neureuther zu Materialschlacht im Ski Alpin: "Es braucht Regeln"
Schneller, extremer, länger: Im Skiweltcup feilen Trainer, Athleten, die Skifirmen und Servicemänner an immer neuerem Material. Doch nach Stürzen und schweren Verletzungen muss die Skiwelt diese Entwicklungen hinterfragen.
Nachdem es den österreichischen Weltklasse-Skirennfahrer Vincent Kriechmayr am Samstag von der Lauberhornpiste abgeworfen und im "Ziel-S" ins Netz geschleudert hatte, sagte er im Interview mit dem ORF, er hoffe sehr, dass sein Sturz die Sicherheitsdebatte nicht neu entfachen würde. "Das war ein Fahrfehler", sagte der 33-Jährige und nahm die Schuld für den Sturz auf seine eigene Kappe.
Kriechmayr ist schon lange im Geschäft. Das Speed-Ass aus Österreich weiß, dass Stürze wie seiner nicht nur blaue Flecken und eine Bänderzerrung zur Folge haben. Bilder wie die seines Sturzes können dem ganzen Skirennsport schaden.
Denn die Sicherheitsdebatte im Skiweltcup verläuft in Wellen. Nach schlimmen Stürzen werden die Stimmen und Forderungen nach mehr Sicherheit besonders laut. Je stärker der Sturz, desto lauter die Stimmen. Mit der Zeit ebbt die Debatte dann wieder ab, bis der nächste Athlet stürzt, mit dem Helikopter abtransportiert wird und auf der Intensivstation landet.
Tod von Matilde Lorenzi erschütterte die Skiwelt
Dieses Jahr wurde dieser Kreislauf besonders deutlich. Als die 19-jährige Matilde Lorenzi im Training im Oktober tödlich verunglückte, wurde der Skirennsport hinterfragt. Airbags, schnittfeste Unterwäsche, Netze, Helme, Anzüge - über sämtliche Maßnahmen wurde diskutiert. Und aktuell, nach dem fatalen Sturz des Franzosen Cyprien Sarrazin, steht der Skirennsport wieder vor einer Zerreißprobe.
"Der Skirennsport zerstört sich selbst", sagte der Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes, Wolfgang Maier, vor kurzem. "Es ist fünf nach zwölf", meinte der FIS-Rennchef Markus Waldner.
Weltverband FIS plant runden Tisch
Was diese Saison mehr denn je zum Vorschein kommt, sind die verschiedenen Komponenten. Sicherheit im Skirennsport hängt von vielen Faktoren ab: von den Athleten, den Trainern, den Kurssetzern, der Industrie mit ihrem Material, den Veranstaltern der einzelnen Rennen. Die Aufgabe der FIS ist es, diese verschiedenen Akteure zusammenzubringen.
Bei der WM im Februar in Saalbach-Hinterglemm soll es zur Sicherheitsfrage einen runden Tisch geben, eine weitere Runde ist beim Weltcup-Finale im März in Sun Valley geplant. "Aber auf die Schnelle kann man nichts ändern", sagt der ARD-Ski-Alpin-Experte Felix Neureuther.
Carbon-Schützer: Grund für schwere Verletzungen?
In der Vergangenheit waren es oft die Strecken, die in den Fokus rückten, wenn es zu Stürzen kam: zu hohe Sprünge, zu extreme Kurven. Dieses Mal scheint das Material stärker in den Vordergrund der Debatte zu kommen. Auch die Carbon-Schienbeinschützer, mit denen Athleten und Servicemänner seit einiger Zeit experimentieren sollen, werden aktuell zum Thema.
Der Verdacht: Die Carbonschützer machen zwar schneller, erhöhen aber auch das Risiko von folgenschweren Stürzen. Auch Marco Odermatt soll die Carbon-Teile verwenden, wie die APA berichtet. Das französische Skiteam soll den Einsatz der Carbonschützer besonders aggressiv betreiben. Welche Rolle sie bei dem Sturz von Sarrazin gespielt haben, ist jedoch unklar. Jedenfalls brodelt es im Skirennsport. Der ÖSV-Trainer Marko Pfeifer forderte sogar ein Verbot der Carbon-Schienbeinschützer.
Neureuther: "Athlet strebt danach, Material zu optimieren"
Auch Neureuther plädierte am Samstag für klare einheitliche Regeln. "Wenn jemand die Chance hat, Material zu entwickeln, das gefährlicher ist, aber gleichzeitig auch schneller: Es würde jeder, der am Start ist, auf dieses Material zurückgreifen."
Damit dieser Prozess nicht aus dem Ruder läuft, müssten Regeln her, so Neureuther - "weil der Athlet strebt danach, das Material zu optimieren". Konkret schlägt Neureuther zum Beispiel vor, die Geschwindigkeit im Speed-Bereich mithilfe von speziellen Rennanzügen zu reduzieren. Ähnlich äußerte sich auch schon Waldner am vergangenen Wengen-Wochenende.
Am kommenden Wochenende jedenfalls steht beim Hahnenkammrennen in Kitzbühel die gefährlichste Weltcup-Abfahrt auf dem Programm. Die Streif wurde schon vielen Top-Athleten zum Verhängnis - darunter Daniel Albrecht, Aksel Lund Svindal oder Christof Innerhofer. Sollte es auch dieses Jahr wieder zu folgenschweren Stürzen kommen, dann geht die Debatte in die nächste Runde.
Quelle: BR24Sport 20.01.2025 - 18:30 Uhr